Diakonie: Möbel an Bedürftige zu spenden ist gar nicht so einfach, wie man denkt

Habt ihr in Zeiten der scheinbar alles beherrschenden Corona-Pandemie und der damit einhergehenden großen Aufregung noch etwas freie Kapazität für andere Themen? Das wäre schön, denn diskussionswürdige Themen gibt es nach wie vor auch abseits der laufenden Virus-Debatten reichlich.

Von einem dieser vielen diskutablem Alltagsthemen möchte ich hier und heute einmal kurz berichten. Dass es in Deutschland grundsätzlich viele bedürftige Menschen gibt, ist allgemein bekannt. Da sollte es, wenn man etwas voll Funktionstüchtiges, was anderen Menschen von Nutzen sein könnte, verschenken möchte doch Interessenten geben. Nicht unbedingt, wie dieses kleine Beispiel aus meinem privaten Umfeld zeigt.

Meine Eltern haben sich kürzlich dazu entschieden ihre Wohnzimmercouch nach ein paar Jahren treuer Dienste gegen eine neue, seniorengerechtere einzutauschen. Das alte Model ist inzwischen etwas durchgesessen und ‚weich‘, so dass man sich, wenn man etwas älter oder ungelenk ist, schwer tun könnte sich daraus wieder zu erheben.

Ansonsten ist die Leder-Garnitur, bestehend aus 3er- und 2er-Couch, sowie Sessel aber noch immer völlig in Ordnung. Sie hat keinerlei Löcher oder auch nur größere Kratzer. Somit könnte sie für Leute die sich ihre erste Wohnung ausstatten oder neu anfangen wollten noch ein paar weitere Jahre gute Dienste leisten. Da gebrauchte Möbel bekanntlich nur geringe, fast schon symbolische Verkaufspreise erzielen, haben sich meine Eltern kürzlich dazu entschieden die Möbel direkt zu spenden.

Gesagt getan und die örtliche Diakonie (in Datteln im Kreis Recklinghausen) informiert, die hier regelmäßig auf Flugblättern um Kleider- und Möbelspenden wirbt um diese Spenden der Leute dann günstig an bedürftige Interessenten weiterzuverkaufen.

Nachdem die Diakonie vor Jahren schon einmal einen einzelnen Sessel von unserer Familie abgelehnt hatte, waren wir im Hinterkopf insgeheim darauf vorbereitet, dass es kein automatisches Interesse der Diakonie an der Garnitur geben könnte.

Damals hieß es allerdings, einzelne Sitzmöbel wären nur schwer zu verkaufen. Man würde daher fast nur noch ganze Garnituren nehmen. Da genau dieses diesmal Mal der Fall war, gingen meine Eltern eigentlich doch davon aus, dass die Diakonie in Datteln sich über diese Möbelspende freuen würde.

Die Verwunderung war somit schon ziemlich groß, als die zuständigen Mitarbeiter die Möbel nach ausführlicher Inaugenscheinnahme und einem Probesitzen vor Ort nach einer mehrstündigen Bedenkphase und Besprechung mit Kollegen ‚abgelehnt‘ haben.

Hier soll es mir gar nicht um den konkreten Einzelfall gehen. Meine Eltern geben die die Teile jetzt halt kurzfristig zum Sperrmüll. Das ist nicht das Thema.

Ich finde das jedoch schade und wundere mich, ebenso wie sie, über den bei solchen Gelegenheiten offenkundig werdenden Widerspruch zwischen der immer wieder festzustellenden Armut und der dann doch offenbar sogar in den vielbeschworenen Flüchtlingszeiten etc. noch immer vorherrschenden ‚Pingeligkeit‘ bei Möbelspenden auf Seiten der Hilfsorganisationen.

Wie gesagt, die Echtleder-Garnitur, die seinerzeit recht teuer war, ist nur etwas durchgesessen, aber ansonsten völlig ok. Offenbar sieht man bei der Diakonie in Datteln trotzdem nur geringe Chancen diese Stücke an Bedürftige weiterzuverkaufen und lehnt solche Spenden daher komplett ab.

Wer die täglichen Nachrichten verfolgt, wer die um sich greifende Armut im nördlichen Ruhrgebiet täglich vor der Nase hat, dem fällt es schwer das so nachzuvollziehen.

Offenbar geht es ‚uns‘ als Gesellschaft materiell doch noch immer ziemlich gut. Zumindest gut genug um eine Garnitur, wie ich sie vor Jahren in meiner ersten Wohnung liebend gerne gehabt hätte, dankend auszuschlagen.  Das kann einen schon nachdenklich stimmen….

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ke
ke
4 Jahre zuvor

Wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht.
Bei mir kommen die Sachen in den Sperrmüll oder in den Kleidersack.
Die Geschmäcker sind unterschiedlich. Neukäufe günstig.
Ich vermute, dass die Organisationen einfach nicht auf einem Berg Müll sitzen bleiben wollen. Lieferungen etc. kosten auch Geld.

Das Auftragen und Flicken von Klamotten wird wohl auch eher durch Billigklamotten ersetzt.
Wir sind Öko, tragen die Klamotten aber beim kleinsten Makel nicht mehr und entsorgen sie.

Verrückte Welt.
Gestern waren die Jugendlichen/Jugen in Existenz-Angst wg. des Klimawandels, heute werden Partys und ähnliche Veranstaltungen trotzt Virengefahr gemacht.
Das ist alles schwer zu verstehen.

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
4 Jahre zuvor

Es gibt doch die Rubrik Zu Verschenken bei ebay-klei anzeigen.

Marcus
Marcus
4 Jahre zuvor

Also da ich einige Zeit bei einem ähnlichen Sozialprojekt, wie die hier in dem Artikel beschrieben gearbeitet habe möchte ich doch gerne einiges erklären.

Die Vereine sind zwar gemeinnützig werden von den Städten (bei uns Köln) wie Gewerbebetriebe behandelt!
Das heißt unter anderen das wir für die Ensorgung von unverkäuflichen Möbeln die selben Entsorgungsgebühren wie reguläre Betriebe bezahlen müßen.
Außerdem werden diese Möbelstücke nicht abgeholt sondern diese mussten von unseren Mitarbeitern selber zur Kippe gefahren und dort entsorgt werden.

Kurzum jedes Möbelstück was diese Vereine nicht verkaufen können ,kostet Geld und Arbeitszeit der Mitarbeiter … Was wiederum den Gewinn und damit das Geld für das Sozailprojekt (in unserem Fall für die Wohngruppe der Ehemaligen Wohnungslosen und die Obdachlosenarbeit z.B unsere suppenküche) schmälert!

Natürlich wollten wir gerne helfen, aber auch die Lagerkapazitäten sind begrenzt (und auch die kosten am Ende Unterhalt) .Aber wenn wir schon 5 Sofagarnituren auf dem Lager hatten ,musste ich meine Mitarbeiter halt anweisen ganz genau hinzuschaen und nur die Sachen mitzunehmen die halt gefragt sind und schnell wieder verkauft werden können.
Auch der Transport ist für die Kunden so eine Sache, diese haben nicht viel Geld und können sich nicht mal so eben einen LKW samt Fahrer mieten. Deswegen waren unsere Mitrabeiter auch angewiesen dieses zu berücksichtigen… Also die Riesen Leder-eck Garnitur mit 2 Sesseln und Marmorcouchtisch mag zwar früher teuer und noch tipp / topp sein… Aber logistisch ist die für eine Familie von geflüchteten oder Sozilahilfeempängern nicht zu bewältigen..

Von Billus wie Ikea und Pocco mal nicht zu reden !

In diesem Sinne… bleibt Gesund

paule t.
paule t.
4 Jahre zuvor

Neue Sachen sind halt zu günstig. Die Qualität ist dann auch dementsprechend, aber das machen sich viele Leute eben nicht klar. Außerdem ist es gesellschaftlich eben so selbstverständlich, alles neu zu kaufen, dass auch viele Leute mit geringem Einkommen es wohl für sich ablehnen, etwas Altes und Unmodisches, aber Gutes zu nehmen, und lieber etwas Schlechtes, aber Neues und Modisches billig kaufen.

Ändern wird sich das nur, wenn einerseits Rohstoffe und Energie so auf den Preis durchschlagen, dass die Billigware zum baldigen Wegschmeißen nicht mehr so funktioniert; und wenn andererseits "Neu" nicht mehr selbstverständlich ist, sondern es auch bei Normalos (und nicht mehr nur armen Leuten) wieder normal ist, auch eigene alte oder gebrauchte Sachen zu benutzen und man sich nur selten gute neue Sachen kauft.

Ich kenne in meinem Umfeld ganz viele Leute, die sich immer mal wieder Möbel neu kaufen … und sich wundern, die alten nicht loszuwerden. Je nun.

Bebbi
Bebbi
4 Jahre zuvor

Warum soll man Armut daran erkennen, dass man den Wohlstandsmüll der anderen aufträgt/weiter nutzt? Und habrn Arme den Platz für große Sofalandschaften?

Für mich hat es auch mit Würde zu tun, nicht alle (indirekt) zugedachten Gaben auch annehmen zu müssen. Wie häufig mag die eigentliche Motivation sein, sich die Entsorgungskosten und den Aufwand zu sparen?

Adrian
Adrian
4 Jahre zuvor

Ich bin Sozialarbeiter und organisiere oft für KlientInnen Möbel. Da die meisten nur sehr kleine Wohnungen beziehen, passt eine solche Couch so gross wie die halbe Wohnung. Da könnte man auch von selbst drauf kommen.

thomas weigle
thomas weigle
4 Jahre zuvor

@Robin Dass die oben abgebildete Gartinur zu groß für manche Wohnung ist, war auch mein erster Gedanke. Und ich denke, man kann die Situation von just fertigen Studenten nicht unbedingt mit der von Menschen vergleichen, die möglicherweise viele Jahre gearbeitet haben und plötzlich auf Hilfen angewiesen sind. Ist nicht jedermans/fraus Sache.

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