Es gibt einen Twitter-Account, der heißt „Das ist witzig, weil…“. Jeder Tweet dieses Accounts beginnt mit den Worten „Das ist witzig, weil…“ und dann folgt die Erklärung eines Witzes oder Beitrags. Dort wird z.B. das Bild eines Preisschildes geretweetet auf dem steht „Baby Dampfgarer und Mixer, 69,99“ und der Begleittext dazu lautet: „Das ist witzig, weil die Preisauszeichnung suggeriert, dass der Dampfgarer und Mixer speziell für die Zubereitung von Kleinkindern geeignet ist.“ Das wiederum ist witzig, weil durch die lapidare und stets staubtrockene Formulierung jede Pointe zunichte gemacht wird. Würde man diese Erläuterungen vorlesen, müsste man es, damit es witzig bleibt, konsequent mit ernster Miene und ohne mit der Wimper zu zucken tun. Es ist witzig, weil es den Witz kaputt macht. Damit konterkariert es die Erwartung, dass eine Pointe zünden soll, ohne erklärt zu werden und es konfrontiert den Leser mit der Frage, ob der Witz, über den er gerade so gelacht hat, wirklich so tiefgründig ist, wie er denkt.
Es gibt auch eine Sendung namens „Homies“ auf ZDFneo. Dort machen zwei Komiker namens Moritz Neumeier und Till Reiners unter Ausstrahlung von viel Selbstbewusstsein Witze und zwar von zuhause aus, per Video-Chat (oder einem Sendungsdesign, das wie ein solcher wirkt). Das ist witzig, weil „Homies“ auch ein Slang-Wort aus der Rap-Szene ist und derzeit ja viele im „Home Office“ sind. Form und Inhalt der Witze lassen erkennen, dass die Herren nur eine begrenzte Reichweite haben. Während teilweise gar keine richtigen Pointen erkennbar sind, schießen sie an der nächsten Stelle über das Ziel hinaus, etwa wenn Moritz Neumeier in Bezug auf die „Hygiene-Demos“ in Berlin sagt: „Wo ist der IS mit einem Lastwagen, wenn man ihn mal braucht?“
Oder eben, wenn er für seinen Kompagnon ein gefaktes Tinder-Profil erstellen lässt und ihn in der Sendung damit konfrontiert, dass von diesem Profil aus (vermeintlich) sexuelle Belästigungen und sogenannte „Dick Pics“ an Frauen geschickt wurden. Das Ergebnis ist ein ausgiebiges, dreckiges Lachen auf beiden Seiten, natürlich gewürzt mit Empörung – es so ein spezielles Lachen, das die Herren Joko und Klaas (die ja jetzt nicht mehr für sexuelle Belästigung sind) bis zur Perfektion kultiviert haben und in dem gleichzeitig mitschwingt, dass man das alles nicht so meint, dass man da eigentlich drüber steht, dass man gerade deswegen ganz besonders cool ist, weil man bereit ist, sich zum Affen zu machen, ingesamt ein Lachen für spätpubertäre Männer mit Abitur.
Allerdings wurde der Beitrag mit den Dick Pics kritisch aufgenommen. Das Timing war ungünstig, da durch den Beitrag #Maennerwelten der erwähnten Joko und Klaas bzw. Sophie Paßmann derzeit das Versenden von Penisbildern nicht hoch im Kurs steht. Und deswegen hat sich Moritz Neumeier in einem Video bei Facebook entschuldigt und, so schon der Titel, einen „Erklärungsversuch“ geliefert. Und bei einem Versuch bleibt es, weil Neumeier das Problem nicht versteht. Er sagt unter anderem: „Ich bin davon ausgegangen, dass jeder weiß, dass wir […] der Meinung sind, dass Dick-Pics-Versenden […] das Abartigste ist, das man bei Tinder machen kann. Und deswegen haben wir das gemacht.“ Häh, mag man da denken. Wenn es das Abartigste ist, wieso macht man es dann? Naja, weil: „Es ging darum, Till maximal doof dastehen zu lassen. […] Ich habe ihn vermeintlich das machen lassen, das am beschissensten ist, damit er maximal scheiße aussieht. Aber wenn man diese Ebene rausstreicht, sieht es so aus als würden wir [darüber lachen] Pimmelbilder [zu] versenden.“
Nun dürfte es aber keinen Zuschauer geben, der diese Ebene rausstreicht. Es ist ja selbstverständlich Teil des „Pranks“, dass „Till scheiße aussieht“. Aber, um mit dem Twitter-Account zu fragen, warum ist das witzig? (Sofern man darüber überhaupt lachen kann) ist das witzig weil, … man Frauen ja eigentlich nicht belästigen soll, höhö.
Witzig sind Dinge immer dann, wenn sie zwei Bedingungen erfüllen. Sie müssen erstens irgendwie deplatziert, unerwartet, „falsch“ sein. Auf dem Preisschild mit dem Baby-Mixer ist die Formulierung „falsch“ gewählt, weil sie missverständlich ist. Es muss sich aber zweitens aus diesem Unerwarteten irgendein neuer Sinn ergeben. In diesem Fall die Zubereitung von Säuglingen. Üblicherweise lachen wir über einen Witz, wenn er etwas entlarvt, wenn er – auf seine verklausulierte Weise – etwas ausspricht, das sonst nicht erlaubt ist. Im Fall von (gelungener) Satire wird dabei etwas über eine mächtigere Person oder auch Institution freigesetzt, das man anders nicht gesehen hätte oder sich nicht auszusprechen getraut hätte. Bei den meisten anzüglichen Witzen wird hingegen ein Tabu gebrochen, das uns erlaubt etwas zuzulassen, das gesellschaftlich eigentlich geächtet ist. Zum Beispiel das Kochen von Babys. Oder eben das Ausleben des Sexualtriebs.
Das gesamte Repertoire von Fips Asmussen beruht darauf, dass es dabei ums Ficken geht. Hier darf über die eigenen Triebe und verdrängten Wünsche gelacht werden, weil es ja ein Witz ist und es der Mann auf der Bühne sagt. Leute mit einem entspannten Verhältnis zur eigenen Sexualität finden Fips Asmussen im Allgemeinen weniger lustig. Ähnlich ist es mit Pups-Witzen. Es muss schon eine gewisse Reinlichkeits-Erziehung vorgelegen haben, damit man das komisch findet. Wenn man nicht ein bisschen verklemmt ist, ist pupsen auch nicht lustiger als niesen.
Das gefälschte Tinderverhalten erfüllt die Bedingung, deplatziert oder unerwartet zu sein, weil es sich für einen Berliner Medienmenschen und Komiker um die dreißig nicht gehört, auf diese primitive Art zu „flirten“. Das ist aber nur die erste Bedingung. Hätte man meinetwegen Fotos von Rembrandt-Bildern versendet, wäre das unerwartet, aber nicht zum Lachen. Damit (gewisse) Menschen darüber lachen, muss es an einen unterdrückten Trieb rühren oder etwas entlarven.
Die Erklärung Neumeiers überzeugt auch deshalb nicht, weil ja gar nicht „das Abartigste“ und „Beschissenste“ gemacht wurde. Natürlich nicht. Denn das wäre echt nicht witzig. Es wäre ja noch viel abartiger und beschissener, wenn man den Frauen auch noch auf der Straße aufgelauert wäre (oder das angedroht hätte), wenn man dabei noch Hakenkreuze gemalt hätte oder was auch immer. Der „Prank“ funktioniert eben gerade nicht, weil dort etwas maximal Abwegiges unterstellt wurde, sondern etwas halbwegs Ersehntes. Jemandem einfach etwas maximal Abwegiges unterzujubeln wäre nicht witzig, das wäre nur erschreckend und kränkend. So kränkt es nur die (vermeintlichen) Opfer, ist für die beiden Jungs aber lustig.
Ob man diese Aktion witzig findet, bleibt Geschmackssache oder eine Sache der Geschmacklosigkeit. Aber wenn man sich beömmelt, dann nur, weil sie an ein Tabu rührt und weil sie erlaubt, sich für einen Moment – rein lustig gemeint, ganz klar – in etwas zu sonnen, das man eigentlich nicht darf oder nicht zugeben würde.
Dinge die nicht zusammengehören: ZDF & Humor. Das ist aber nun mal echt nichts Neues. Allerdings wirft diese Episode ein Schlaglicht darauf dass diese Diskussion eben nicht in er Öffentlichkeit angekommen ist. Leider.
Du brauchst unverhältnismäßig viele Wörter, um klar zu machen:
1. Du kennst die Sachen von Moritz und Till nicht ansatzweise.
Sonst hättest Du vielleicht bemerkt, wie manchmal mich beschämend feministisch gerade Till ist.
2. Du bist so alt, dass Dein Humorverständnis eben irgendwo zwischen der späten Lore Lorentz und dem mittleren Fips Asmussen sich verklammt hat.
3. Von der humorproduktion in zeiten von Facebook und Insta hast Du nicht nur nichts verstanden, sondern auch noch nie etwas wissen wollen.
4. Moritz hat sich ob der Lehrerreaktionen pflichtschuldig, aber im Rahmen überzeugend entschuldigt.
Das hast Du zwar etwas kleineierig im Text versteckt, warst zu dem Zeitpunkt von Deiner Erkanntnis aber schon so ergriffen, dass Deine überholten Worte raus mussten. Wenn´s Dir besser geht jetzt, ist ja gut.
„Moritz hat sich ob der Lehrerreaktionen pflichtschuldig, aber im Rahmen überzeugend entschuldigt.
Das hast Du zwar etwas kleineierig im Text versteckt“
Das ist witzig, weil sich der ganze Text um diese Entschuldigung dreht.
Etwas lang der Text, aber trotzdem wit… Wichtig. Was für unwitzige Trottel… Ich mag ja die Öffentlich-Rechtlichen, die Spartenkanäle braucht es aber nicht.