
Neben dem demografischen Wandel und der Bürokratie sind die hohen Energiepreise einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Deutschland sich im dritten Rezessionsjahr in Folge befindet.
Vor fast anderthalb Jahrzehnten begann in Deutschland ein weltweit ebenso einzigartiges wie unkopiertes Experiment: die Energiewende. Nachdem im japanischen Fukushima infolge eines Tsunamis ein Reaktor havarierte – ein Vorfall, bei dem es keine Toten gab –, stieg Deutschland 2011 nicht nur aus der Kernenergie aus. Auch Kohle sollte langfristig durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Russisches Gas sollte die Brücke in eine neue, grüne Zeit werden – eine Strategie, die zu einer massiven Abhängigkeit von Russland führte und sich nach dessen Überfall auf die Ukraine 2022 rächte.
2024 zahlten Privathaushalte in Deutschland im Durchschnitt 39,5 Cent für eine Kilowattstunde Strom – nirgendwo in Europa war es teurer. Im Schnitt zahlten die Europäer 28,9 Cent pro Kilowattstunde.
Auch für die Industrie ist Strom in Deutschland teuer: Laut einer Studie der Prognos AG aus dem Jahr 2023 zahlen Industriekunden in den USA und China etwa 8 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh). Auch Länder wie Kanada, Südkorea, die Türkei und Mexiko bieten mit Preisen zwischen 8 und 9,2 ct/kWh günstigere Konditionen für die Industrie. In Deutschland lagen die Industriestrompreise im Jahr 2023 bei durchschnittlich 15,8 ct/kWh, was dem EU-Durchschnitt entspricht. Allerdings weisen einige europäische Länder wie Frankreich mit 11,3 ct/kWh und Polen mit 15,9 ct/kWh niedrigere Preise auf.
Es gibt viele Gründe für die hohen Energiepreise: hohe Abgaben und Steuern, mit denen unter anderem der durch den Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken notwendige Netzausbau und die Kraft-Wärme-Kopplung finanziert werden, das Merit-Order-Prinzip, das dazu führt, dass auch Betreiber von Wind- und Solaranlagen von den hohen Preisen für Strom aus Gaskraftwerken profitieren, und der politisch festgelegte CO₂-Preis.
Sowohl für die Bürger als auch für die Wirtschaft wären sinkende Strompreise eine große Entlastung. Soll Deutschland wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren, wird das mit hohen Energiepreisen kaum zu machen sein.
Während die SPD und die Grünen auf den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen, ist die Union technologisch offener und will prüfen lassen, ob die in den vergangenen Jahren abgeschalteten Kernkraftwerke wieder aktiviert werden können.
Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI und seit 2009 außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum, sieht darin eine Chance: „Aus volkswirtschaftlicher Perspektive“, sagt Frondel, „wäre es wünschenswert, Reaktoren zu reaktivieren, da so kostengünstig emissionsarmer Strom produziert werden kann, der teilweise den Bau neuer Erdgaskraftwerke, die eines Tages mit teurem grünem Wasserstoff betrieben werden sollen, überflüssig macht.“
Ganz entscheidend dabei sei jedoch die politische Unterstützung für solche Pläne: „Ich bin mir sicher, dass sich privatwirtschaftliche Initiativen dafür finden werden – besonders dann, wenn sich die Politik zu langen Laufzeiten für reaktivierte AKWs durchringen kann. Zur Erreichung der Treibhausgasneutralität wären sehr lange Laufzeiten jedenfalls sehr hilfreich.“
Damit aber von den möglichen Gewinnen einer AKW-Reaktivierung auch die deutsche Gesellschaft profitiert, sollte sich der Staat an einem möglichen Konsortium zur AKW-Reaktivierung beteiligen. Schließlich würde Geld für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle benötigt. Doch auch in dieser Frage gibt es Hoffnung: „Das Endlager-Problem könnte mit Hilfe neuer Kerntechnologien deutlich verringert werden. Nach meinen Informationen eröffnet sich durch die Smart-Modular-Reaktor-Technologie der AVENES Europe GmbH die Option, das geplante deutsche Endlager für eine Million Jahre zu vermeiden. Der derzeit in Castor-Behältern gelagerte hochradioaktive ‚Atommüll‘ kann nach entsprechender Aufbereitung in deren Reaktor AV300 als ‚Atomrohstoff‘ genutzt werden.“
Deutschland sollte aber nicht nur wegen der Endlagerfrage in Forschung und Entwicklung solcher Technologien investieren, sondern auch, um in diesem Bereich international wettbewerbsfähig zu werden: „Kerntechnologien waren früher eine deutsche Domäne. Auch die neuen Reaktoren der vierten und fünften Generation gehen zum Teil noch auf deutsche Forschung, etwa an der TU Berlin, zurück.“
Allerdings muss die Bundesregierung schnell handeln, um Bürger und Unternehmen bei den Energiekosten zu entlasten. Ab 2027 steigt der CO₂-Preis erneut. Benzin, Gas und Diesel werden dann teurer. Die Ampel setzt auf ein Klimageld: Die Bürger zahlen erst die höheren Energiekosten, bekommen aber dafür Geld vom Staat zurück. Davon hält Frondel nichts.
„Statt eines Klimageldes auszuzahlen, sollten die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung für die Senkung von Strompreiskomponenten, insbesondere der Netzentgelte, verwendet werden. Das würde Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger entlasten und gleichzeitig die Energiewende voranbringen. Denn irgendjemand muss den über 700 Milliarden Euro teuren Netzausbau finanzieren.“
Würde hingegen ein Klimageld ausgezahlt, hätten zwar die Bürgerinnen und Bürger eine Entlastung, doch sie würden durch die steigenden Netzentgelte wieder zusätzlich belastet: „Linke Tasche, rechte Tasche – für Erna-Normalverbraucherin ist so nichts gewonnen!“ Und die Unternehmen gingen beim Klimageld ohnehin völlig leer aus.
Die Netzentgelte sollten zumindest teilweise aus den Einnahmen der CO₂-Bepreisung finanziert werden: „Der jüngste und künftige Netzausbau ist eine gesellschaftliche Aufgabe, wenn man die Energiewende ebenfalls als gesellschaftliche Aufgabe auffasst.“
Seit Einführung des Emissionshandels im Jahr 2005 sei die Stromsteuer von 2,05 Cent je kWh als Klimaschutzinstrument weitgehend überflüssig. „Eine Senkung der Stromsteuer auf das EU-weite Minimum von 0,05 Cent für private Haushalte ist daher seit zwei Jahrzehnten höchst angebracht.“
Auch aus verteilungspolitischer Sicht sei es fraglich, warum Tante Erna mit ihrer Stromrechnung Umlagen wie die KWK-Umlage zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung finanzieren müsse. „Wenn die Gesellschaft solche Subventionen für notwendig erachtet, dann sollte das von den starken Schultern finanziert werden – also eher von den Steuerzahlern als von Tante Erna.“
Würden also die Stromsteuer auf das EU-Minimum gesenkt, sämtliche Umlagen aus dem Staatshaushalt bezahlt und die Netzentgelte mit den Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung verringert, wäre für die Entlastung von Unternehmen und Bevölkerung bereits viel erreicht.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits auf Capital Beat
Verfassungsrechtlich betrachtet ist die Energiewend, insbesondere das Abschalten der Kernenergie ohnehin unhaltbar. Denn laut Grundgesetz ist Deutschland ein sozialer Staat. Was am Ausstieg aus der Kernenergie, hohen Strompreisen und unsicherer Versorgungslage, Entsorgung der deutschen Industrie und damit einhergehend steigender Arbeitslosigkeit sozial sein soll, bleibt – gelinde gesagt – schleierhaft. Vielleicht wachen unsere Politiker auch mal auf und merken, dass das Abschalten der Kernkraftwerke verfassungswidrig ist. Bleibt nur zu hoffen, dass dies möglichst schnell geschieht. Vielleicht sollte man sich auch mal mit der Frage beschäftigen, ob man die Grünen überhaupt zur demokratischen Mitte zählen kann. Weil der Ausstieg aus der Kernergie, die zunehmende Verlagerung der deutschen Industrie ins Ausland, schwächt unterm Strich die deutsche Verteidigung. Russland und China freuen sich darüber! Ein Albtraum für uns!