Die alten Männer vom WDR

Die ganze Nummer ging vor zwei Jahren los, als ich angefangen habe über den WDR zu recherchieren. Ich wollte wissen, wer im Rundfunkrat sitzt. Wer hat da das sagen und warum? Zwei Namen fielen mir nach kurzer Zeit auf. Zunächst der Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, Reinhard Grätz, und dann noch der Chef des WDR-Verwaltungsrats Ludwig Jörder. Zwei Männer, längst über das beste Alter hinaus und doch kontrollieren sie den mächtigsten öffentlichen Sender in Deutschland. Wie können sich zwei Fastrentner an der Spitze des öffentlich-rechtlichen WDR halten? Ich wurde misstrauisch und ging der Sache nach. Nach langen Recherchen fand ich heraus, dass die Gremienchefs an der lukrativen Werbetochter des Senders beteiligt sind – als „Treuhänder“. Interessenkonflikte sind leicht möglich. von Marvin Oppong

In den vergangenen Jahren haben die Öffentlich-rechtlichen Sender immer wieder versucht, ihren staatlichen Charakter zu betonen, wenn es um die Einziehung von GEZ-Gebühren ging oder um staatliche Unterstützung. Wenn es allerdings um ihr Geld geht, haben der WDR und andere öffentlich-rechtliche Sender immer wieder Aktivitäten auf neue Tochterfirmen übertragen. So sind viele privatrechtlich organisierte Firmen entstanden – auch die WDR Mediagroup GmbH in Köln.

Die Gesellschaft soll Werbung im öffentlichen Auftrag möglichst teuer verkaufen und tritt als Finanzier von Programmen auf. So koproduzierten die Kölner den Film „Ein Sommermärchen“ über die Fußball-WM 2006.

Da der WDR der größte Sender in der ARD ist, kommt auch der Kölner Tochter (früher: Westdeutsche Rundfunkwerbung) große Bedeutung zu. Nun habe ich herausgefunden, dass die WDR Mediagroup noch aus einem anderen Grund etwas ganz Besonderes ist: Die Anteile der Gesellschaft gehören nicht nur dem WDR, sondern auch dem Rundfunkratsvorsitzenden Reinhard Grätz und dem Verwaltungsratschef Ludwig Jörder.

Die beiden Chefkontrolleure des Senders als Teilhaber bei einem wichtigen Ableger? Ungewöhnlich – normalerweise halten die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre Beteiligungen völlig in eigener Hand.

Und doch zeigen Dokumente, dass Veteran Grätz seit 1986 und Jurist Jörder sei 1999 Beteiligungen an der WDR-Werbetochter halten – heute in der Höhe von jeweils 677.000 Euro, also von jeweils etwas mehr als zehn Prozent am Gesamtkapital. Der WDR selbst besitzt Anteile im Wert von 5.146.000 Euro.

Auch langjährige Experten haben von den Beteiligungen nichts mitbekommen. Im Internet wiederum weist der WDR seine Mediagroup als 100-prozentige Tochter aus. Einen Hinweis auf die Gesellschafter Grätz und Jörder gibt es nicht.

Nach Ansicht des WDR ist das auch nicht nötig. Der Sender erklärt auf Anfrage, die beiden Gremienchefs würden ihre Beteiligungen an der Mediagroup im Namen des WDR ohne Gewinnbeteiligung ausüben – „ausschließlich unter Effizienzgesichtspunkten“.

In ihrer Antwort verweisen Grätz und Jörder auf ihren mit dem WDR geschlossenen Treuhandvertrag, der nicht einsehbar sei. Sie seien, so das westdeutsche Duo, „nicht als Privatpersonen, sondern satzungsgemäß qua Amt als Gremienvorsitzende treuhänderisch beteiligt“.

Treuhänder? Das erinnert an Camouflage-Aktionen in den Bestzeiten des einstigen Medienmoguls Leo Kirch, der die Fülle seines Besitzes damit ein wenig verdeckte. Jetzt heißt es im Fall WDR, die Treuhänderschaft der Gremienchefs solle der besseren Kontrolle der WDR Mediagroup dienen.

Bessere Kontrolle? Hat nicht bereits der WDR als Mehrheitseigner die volle Kontrolle? Und: Können die Oberaufseher Grätz und Jörder nicht jederzeit alle Papiere anfordern?

Im WDR ist Grätz seit 1985 eine graue Eminenz. Der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete war in Zeiten sozialdemokratischer Landesregierungen von politischer Wichtigkeit. Als Chef des WDR-Rundfunkrats ist er zuständig für Beschlüsse über den Jahresabschluss des WDR und die Genehmigung des Geschäftsberichts; ebenso ist er mit Beschlüssen über Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen betraut.

Kontrolleur Jörder wiederum ist in der Hauptsache Geschäftsführer der Dortmunder Westfalenhallen. Dort organisierte der WDR-Radiosender 1Live öfter Großevents und Konzerte. In diesem Jahr wird 1Live in der Westfalenhalle mehrere Konzerte präsentieren, zum Beispiel mit den Toten Hosen. Tickets können über die 1Live-Hotline bestellt werden; die Anrufe landen im Callcenter der WDR Mediagroup Dialog GmbH.

So kommt an Rhein und Ruhr eins zum anderen. Als Jörder vor einigen Jahren die Plakette „Eiserner Reinoldus“ von der Stadt Dortmund erhielt, war es dem WDR eine Pressemitteilung wert.

Die wenig effiziente Kontrolle von ARD und ZDF ist andererseits immer wieder ein Thema gewesen. Auch die EU-Kommission fordert Besserung. Sind da Beteiligungen der wichtigsten Kontrolleure der richtige Weg?

Als 2002 wegen der Euro-Umstellung das Stammkapital der WDR Mediagroup erhöht wurde, mussten Grätz und sein Partner Jörder je 37.885,15 Euro zuschießen. Dabei wurde unter Punkt 3 zur WDR Mediagroup festgelegt: „Die neuen Geschäftsanteile nehmen am Gewinn der Gesellschaft vom 1. Januar 2002 an teil.“

Das zusätzliche Geld mussten Grätz und Jörder nicht bar zahlen, sondern sie wurden ausweislich der Handelsregisterunterlagen mit einem Darlehen der beiden WDR-Funktionäre an die WDR Mediagroup verrechnet. Die Gesellschafter brächten „ihren Anspruch auf Rückzahlung der gewährten Darlehen“ ein, heißt es da. Darlehen? Ein Kredit der beiden Aufseher? Wie kam es dazu?

Tatsache ist, dass die beiden Gremienchefs an einer florierenden Firma beteiligt sind. Allein 2006 setzte die WDR Mediagroup fast 100 Millionen Euro um. Im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages führte sie 16.642.789,10 Euro an den WDR ab.

Darüber hinaus weist der Konzernabschluss der WDR Mediagroup zum 31. Dezember 2006 einen Betrag von 40.091,62 Euro als Gewinn aus, der „anderen Gesellschaftern“ zustehe. Davon gehe nichts an Grätz und Jörder, erklärt der WDR, die beiden würden nicht am Gewinn der WDR Mediagroup beteiligt.

„Die Tätigkeit als Gesellschafter ist in vollem Umfang unentgeltlich“, erläutern die beiden Gremienchefs. Die Aufsichtsratsvergütung der WDR Mediagroup in Höhe von monatlich 300 Euro nimmt sich im Vergleich genauso winzig aus wie das Tagegeld von 15 Euro, das jedes WDR-Gremienmitglied bei Sitzungen kassiert.

Eine ganz andere Frage ist, ob der Doppeljob der beiden WDR-Mächtigen nicht Interessenkonflikte hervorruft. Als Rundfunkratschef muss Grätz die Interessen der Allgemeinheit vertreten, als Gesellschafter einer kommerziellen Firmentochter ist er den Normen der Kaufleute verpflichtet.

Grätz und Jörder beruhigen. Sie sehen keinen Konflikt – und können in ihren Doppelfunktionen als Gremienvorsitzende und Gesellschafter keinen Verstoß gegen Vorschriften erkennen: „Im Gegenteil, die treuhänderische Gesellschafterfunktion dient der vertieften Kontrolle der Tochtergesellschaft.“ Zur Frage, ob er im Rundfunkrat an Entscheidungen mitwirkt, die die WDR Mediagroup betreffen, nahm Grätz keine Stellung.

Die beiden betonen im Übrigen „ausdrücklich“, dass mit ihrer Rolle bei der WDR Mediagroup keine finanziellen Vorteile verbunden seien. „Dies“, versichern sie, „ist nicht der Fall“.

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Martin Murphy
Martin Murphy
16 Jahre zuvor

Schräge Geschichte. Wenn die beiden Aufseher keine finanziellen Interessen verfolgen, welchen Sinn hat denn sonst die Beteiligung an der Gesellschaft? Und warum will der WDR die Beteiligung der beiden verschleiern? Das riecht nach einer krummen Nummer.

Lukas
16 Jahre zuvor

Verrätst Du mir, weshalb die *Präsentation* eines Concertteam-NRW-Konzerts (Die Toten Hosen) in der Dortmunder Westfalenhalle durch Einslive hier als Beweis aufgeführt wird?

David
16 Jahre zuvor

@ Lukas. Das relevante ist, wie im Text erwähnt, dass Jörder der Geschäftsführer der Westfalen-Hallen ist und der WDR die Westfalenhallen seines Verwaltungsratschef andauernd bespielt. Dabei sind die Hallen nicht besonders toll oder schlecht, nur eben auffällig oft mit WDR-Programm gefüllt. Wobei man die Tickets für die WDR-Veranstaltungen in der Halle des WDR-Verwaltungsrates wieder bei der WDR mediagroup und deren Töchtern kaufen muss, an der auch der WDR-Verwaltungsrat beteiligt ist. Da man ein Beispiel nehmen muss. Paßt das mit den Toten Hosen doch ganz gut, oder? Soll man alle duzendfachen Beispiel der Reihe nach chronologisch abfeiern?

Lukas
16 Jahre zuvor

Es ist eben NICHT der WDR, der die Halle „bespielt“, sondern das Concertteam NRW (an dem der WDR, soweit ich das überblicken kann, in keiner Weise beteiligt ist) und die Karten „muss“ man auch nicht beim WDR kaufen, sondern man bekommt sie bei eventim.de oder an jeder CTS-Vorverkaufsstelle.

Sorry, aber zumindest der Teil der Verschwörungstheorie ergibt überhaupt keinen Sinn …

Marvin Oppong
16 Jahre zuvor

Fakt ist, dass Einslive in der Westfalenhalle mehrere Großevent durchgeführt hat, als Ludwig Jörder dort schon Geschäftsführer war. Was z. B. das Toten Hosen-Konzert betrifft, steht im Text ja nur „präsentiert“ und nicht etwa „organisiert“. Aber das heißt doch nicht, dass Einslive nichts mit diesen Konzerten zu tun hat, wenn sie bei Einslive im Programm vorgestellt werden und man die Tickets über die Einslive-Hotline kaufen kann.

David
16 Jahre zuvor

@ Lukas. Klar kann man seine Karten auch auf dem Schwarzmarkt kaufen oder wo auch immer. Klar ist präsentieren nicht organisieren.

Es geht bei der von Dir angegriffenen Passage im Kern darum, zu zeigen, wie verfilzt der Verwaltungsrat mit dem WDR ist, und wie die eine Hand die andere wäscht. Und nicht um Verschwörungstheorien. Da gehst Du in Deiner Kritik zu weit.

Wenn Du findest, das ist Bullshit – OK, das ist Deine Sache. Ich finde aber, das Beispiel als Pars pro Toto trifft ganz gut, wie WDR – Verwaltungsrat Jörder seine Vorteile als Geschäftsführer der Westfalenhalle bekommen hat – durch den WDR.

Vor allem aber gehst Du mit der Debatte, die Du aufmachst, an der Hauptthese des Textes völlig vorbei und lenkst auf einen Nebenschauplatz ab:

Die wichtige Frage ist: Warum und wozu haben Grätz und Jörder eine Beteiligung an der mediagroup? Kriegen Sie Geld dafür? Und ist das in Ordnung so?

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[…] bekommt der WDR-Filz (wie von den Ruhrbaronen hier beschrieben: klack) im früher als "Rotfunk" beschimpften Sender rund um den […]

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