Die ARD-Gruppe ist in letzter Zeit zu oft mit Skandalen aufgefallen: teure Luxusdienstauto, falsche Abrechnungen, krumme Beraterverträge – vor allem RBB und NDR kamen in den letzten Monaten in besonders schräge Schieflage. Nun hat Schauspieler und Regisseur Kida Khodr Ramadan für die alte Tante ARD den Fünfteiler „Asbest“ an den Start gebracht – und hat ein Berliner Neu-Gangster-Epos erschaffen, was mit Netflix-Produktionen durchaus mithalten kann.
„Asbest“ ist eine Produktion der Pantaleon Films GmbH im Auftrag der ARD und mit Schauspielern wie Christian Kahrmann, Wotan Wilke Möring, Detlef Buck, Jasmin Tabatatai oder dem aus Essen stammenden Rapper Veysel Gelin sehr gut besetzt. Der Plot ist nicht neu, aber spannend und mit gehörigem Crime-Suspense ausgestattet. Kleingangster Momo wird verhaftet und in eine 9-Quadratmeter-Zelle im Gefängnis der JVA Moabit gesteckt.
Neun Jahre knast soll der 19-Jährige für ein Verbrechen einsitzen, das ihm sein Onkel Amar und seine Cousins dreist in die Schuhe schieben. Die sicher geglaubte Karriere als Profifußballer ist plötzlich unerreichbar, stattdessen muss er sich im harten Knastgefüge behaupten. Halt gibt ihm nur die Knast-Fußballmannschaft. Loyalität, Familienehre, Verrat und korrupte Polizeieamte sorgen hier für Spannung.
Während sich seine Freundin und seine Mutter um den verzweifelten Häftling sorgen, erpresst Clanchef Amar knallhart den Nachwuchs-Gangster: Nur, wenn sich Momo ihm unterwirft und im Gefängnis zu dealen beginnt, bekommt er nötigen „Welpen-Schutz“. Raue Charaktere, rohe Sprache, aggressive Straßen-Stimmung und eine gnadenlose Handlung – vieles ist hier wirklich gut gemacht und überzeugend in Szene gesetzt. Dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in diesem Segment mithalten will, ist mutig und der produktionstechnische Einsatz ist beachtlich.
Regisseur Kida Khodr Ramadan hat ganze Arbeit geleistet – seit der Verbrecher-Serie „4 Blocks“ wirkt er in der öffentlichen Wahrnehmung fast wie eine Art „Clanboss der Herzen“. Auch wenn es in „Asbest“ ein paar dramaturgische Schwächen gibt und manche Dialoge eher so altbacken wirken, als wären sie für das Ohnesorg-Theater konzipiert worden – die Grundhaltung. Spannung, Tempo und das Timing stimmen. Und diese Zutaten sind das Grundgerüst einer Serie, die den Zuschauer packen und mitnehmen. So gutes und packendes Fernsehen hat die ARD schon lange nicht mehr hinbekommen. In dieser Machart sollte dringend mal ein Tatort entworfen werden.