Die Stadt Herne in den 1980er Jahren war ein ganz schwieriger Patient. Die Kommunalpolitik kennt nur ein Instrument: Den Rotstift, weil überall die Kosten gekürzt werden müssen. Der Herner Historiker Ralf Piorr und Autor Peter Hesse fassen dieses kränkelnde Jahrzehnt nun in der Ausstellung „Immer wieder aufstehn“ zusammen, die am 24. November im Wanne-Eickeler Heimatmuseum „Unser Fritz“ startet.
Mit den 1980er Jahren beginnt für die neue Stadt Herne die quälend lange Zeit des Strukturwandels. Überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit und Sozialhilfeleistungen belasten die Stadtkasse, fehlende Steuereinnahmen führen zu sinkenden kommunalen Investitionen und der knappe Raum in der dicht besiedelten Stadt ließ immer wieder Nutzungskonflikte zwischen Wohnen, Arbeit und Freizeit entstehen. Dazu kamen die Altlasten aus der Zeit der unkontrollierten industriellen Produktion. Die Kokereien und Benzolfabriken der Zechen waren verschwunden, aber Öl, Schwermetalle und Quecksilber im Boden zurückgeblieben. Allein die Entgiftung und Verdichtung des Bodens auf der Industriebrache Friedrich der Große verschlang Millionen, bevor dort der Paketversender UPS im Februar 1986 den Grundstein für den heutigen Logistikstandort legen konnte.
Erst spät beginnt eine Debatte über eine alternative Nutzung der Werkshallen. „So wie Köln seine romantischen Kirchen pflegt und andere Städte ihre Barockschlösser, so haben die Ruhrgebiets-Kommunen die Aufgabe, die denkmalwürdigen Industrieanlagen zu erhalten. Kulturhistorisch haben sie den gleichen Rang wie Kirchen und Schlösser“, forderte der Denkmalpfleger Helmut Bönninghaus im Januar 1980. Der Denkmalschutz nahm damit vorweg, was bald in Gesellschaft und Politik Common Sense werden sollte und langfristig zum anwachsenden Selbstbewusstsein der Region beitrug: die Bewahrung des industriekulturellen Erbes.
Neben vielen Ausstellungsstücken hat das kleine Team um Ralf Piorr und Peter Hesse einen 104-seitigen Katalog zusammengestellt, wo sie die Chronik einer Stadt erzählen. Dazu erinnert sich 11 Freunde-Autor Christoph Biermann an den kulturellen Aufbruch zwischen Spielhallen und dem New Wave von Bands wie ›Vorgruppe‹, ZDF-Moderator Rudi Cerne erzählt über seine Kindheit im Wanne-Eickeler Tapetengeschäft seiner Eltern und die Fotografin Brigitte Krämer zeigt Fotos von Migrantinnen und Migranten aus den Untiefen der 1980er Jahre. Dazu erklärt der ehemalige Herner Städtekämmerer Heinz Drenseck, warum der Rotstift vor 40 Jahren sein wichtigstes Arbeitsgerät war („die städtische Finanzwirtschaft war doppelt belastet“), wie die siebenteilige ZDF-Serie „Hans im Glück aus Herne 2“ nach ihrer Ausstrahlung im Jahr 1983 in den Archiven verschwand, weil sie ein viel zu tristes Bild über Jugendarbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven dokumentierte. Und das die Toten Hosen ihren ersten Soundmischer Uwe Faust ausgerechnet in Wanne-Eickel fanden.
Die Ausstellung ›Immer wieder aufstehn‹ ist benannt nach dem Deutschrock-Klassiker von ›Herne 3‹ – und zeigt ein Jahrzehnt zwischen Sodingen und Gomorrha, wo der Alltag viel zu viele Grau-Töne erzeugte. Aber wie so oft in Krisenzeiten haben Erfindungsreichtum und Vorstellungsvermögen geholfen, ein paar lebensnotwendige Farbtupfer zu setzen.
Heimatmuseum „Unser Fritz“
Unser-Fritz-Straße 108, 44653 Herne
›Immer wieder aufstehn‹ startet am Donnerstag, den 24. November um 19 Uhr mit dem Musiker Christian Donovan und einem Tanz-Ensemble von Pottporus
Wow, darauf freue ich mich wirklich – für mich ist das Heimatmuseum „Unser Fritz“ eh ein sehr toller Ort. Dort auf deren Hof findet sich mit der Fortuna-Bude eine der ältesten Trinkhallen des Reviers – das ist wunderbar gemacht!