Die Beichte eines Journalisten

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Gestern Abend musste ich mich schämen. Ich sah einen Bericht des NDR-Medienmagazins Zapp. Es ging um Presse-Rabatte, also um die Frage warum Journalisten von Kühlschrank-Herstellern, Fluglinien oder Telefongesellschaften besondere Angebote unterbreitet bekommen. Als Zeuge diente der PR-Papst Klaus Kocks, der mal wieder aussah wie ein Circusbesitzer und ähnlich viel mit Journalismus zu tun hat. Andere Zeugen waren die um den Ruf der Branche besorgten Anbieter von Internetseiten, die Presserabatte erst unters scheibende Volk bringen. Sie tun dies aber nur, sagten sie Zapp, weil sie für Transparenz sorgen wollen. Ganz bestimmt. Trotzdem horchte ich in mich. Wie halte ich es mit den Pressekonditionen? Weil es auch mir um Transparenz geht, hier mein Gewissenstest:

A) Mein Handy läuft immer noch über einen uralten Journalistenvertrag. Das verhindert nicht, dass ich oft mehr als 100 Euro im Monat zahle. Das Angebot erscheint mir unbedenklich, weil es auf eine Berufsgruppe zielt, die viel telefoniert. Unterm Strich lohnt sich das für die Gesellschaft, zumal die Neuanschaffung von Geräten nur mäßig subventioniert wird. Gewissensbisse: Null.

B) Vor ein paar Jahren war ich mal auf einem Konzert von Brad Mehldau, hatte das Konzert vorher als Tagestipp auf der Kulturseite der Tageszeitung angekündigt. Obwohl ich Auftritte des wichtigsten Jazzpianisten unserer Zeit nur empfehlen kann, habe ich seinerzeit auch aus Eigeninteresse gehandelt. Ich habe zwar keinem geschadet – Leser bekamen eine wertvolle Anregung, Veranstalter kriegten Aufmerksamkeit und ich erlebte einen wunderbaren Abend – trotzdem sind da Gewissensbisse: Würde ich nicht mehr machen.

C) Von vergünstigten Autos, Flügen, Elektrogeräten oder Premiere-Presseabos habe ich aus gutem Grund immer die Finger gelassen. Gewissensbisse? Bin mit mir im Reinen.   

D) Nun wird es schwieriger: Ich habe früher für die taz über den VfL Bochum berichtet. Seit anderthalb Jahren nicht mehr, trotzdem habe ich meinen Platz auf der Pressetribüne. Wenn es auch nicht so wahnsinnig viele Menschen gibt, die mich dafür beneiden, bei Bochum und Nullgrad auf der Haupttribüne zu sitzen – es ist ein Vorteil. Zwar blogge ich ab und zu über Fußballthemen, manchmal berichte ich über Sportkrams. Doch regelmäßige Sportberichterstattung ist das nicht. Kleine Nagerzähne haben sich in meinem Gebissen verhakt, aber so schlimm ist die Scham doch nicht. Das hat einen einfachen Grund: Auf der Pressetribüne ist kein Zuckerschlecken.

Abstiegskämpfe – der Bochumer Normalzustand – sind wie offene Operationen am Fanherzen, trotzdem gilt es im Medienblock Haltung zu bewahren. Kein überlautes Schimpfen, kein wilder Torjubel. Und gegenüber den Kollegen der Auswärtsmannschaften, bemüht man sich auch noch um Fairness. Wie ein guter Gastgeber. Also erkläre ich die Aussprache von Spielernamen, verrate Geheimnisse der Lokalpresse und manchmal helfe ich auch bei der Benotung der Bochumer Spieler für BamS oder WamS. Marcel Maltritz: 5.

Welcher andere Stadionbesucher muss so was machen? Wer muss auch gegenüber bumsdummen Berliner Boulevardschreiberlingen die Ruhe bewahren, die sich ihre Meinung schon in Zehlendorf zurechtgebogen haben, um sie im "Ruhrpott" bestätigt zu bekommen. Welcher Stadionbesucher würde buddhistisch gleichmütig Blitzbirnen ertragen, die keinen Spieler des Gegners erkennen. Die nach dem zweiten Berliner Tor zwanzig Minuten bis zum Halbzeitpfiff mit der Heimatredaktion telefonieren, um herauszufinden, ob es wirklich das erste Hertha-Ecke-Tor-Tor nach der 209. Ecke war. Die nach dem 0:3 wenige Minuten vor der Pause nicht davon abzubringen sind, dass die meisten Bochumer Zuschauer jetzt nach Hause gehen, dabei war es im VIP-Raum geheizt. Kurz gesagt: Die beiden Vollfritzen hätten etwas anderes verdient, als eine kollegiale Richtigstellung und die Flucht auf andere Plätze. Gewissenbisse: Also eher klein.

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David
15 Jahre zuvor

Ich will mich anschließen in der Selbstkasteiung:

Kostenlose Museums- oder Ausstellungsbesuche: Würde ich nie aus privaten Gründen machen. Da hätte ich echt schwere Gewissenbisse. Was ich OK finde: Wenn ich drüber schreiben würde. Das könnte ich mit mir vereinbaren. Warum? Weil ich das als Holz für mein Handwerk brauche.

Reisekosten: Immer als Selbstzahler. Geht nicht anders. Entweder zahlt es der Verlag, oder ich selbst. Wo ist der Unterschied zum Museum? In der Preishöhe. Museum kostet fünf oder zehn Euro. Eine Fahrt 500 Euro. Hab’s mal gemacht. Hab mir vom Regionalverband Ruhr eine Reise zur Expo Real nach München zahlen lassen, da habe ich drüber geschrieben. Im Nachhinein muss ich sagen, nee, nicht mehr.

Autokauf: Kommt drauf an. Manche Autofirmen haben Gruppentarife mit der Gewerkschaft ausgehandelt. Dann ja. Da bekommen dann Angestellte von Verein B den gleichen Rabatt wie Journalisten. Da geht es nicht um besonders liebe Angebote für Journalisten, sondern darum, überhaupt Autos zu verkaufen. Jeder der verhandelt, bekommt den gleichen Rabatt.

Air Berlin: Finde ich schwierig. Das ist ein normales Reisebüro. Ich verstehe das nicht als kaufen des einzelnen Reporters, sondern als Versuch, eine Berufsgruppe, die viel rumkommt, in die eigenen Flieger zu lotsen. Air Berlin könnte genauso einen Rabatt an E.on-Angestellte geben. Dabei ist der Presserabatt der Lockstoff, mit dem sich die Jungs bevorzugt fühlen sollen, ohne es wirklich zu sein. Oft ist das Angebot sogar teurer als ein normaler Billigflieger. Der Vorteil ist eher in dem besseren Service zu sehen. Wie gesagt, finde ich schwierig. Wenn ich über Air Berlin schreiben müsste, ginge das auf jeden Fall nicht. Eher Gewissensbisse, wenn auch kleine.

Telefon: Sehe ich wie Schuri. Mach es aber schon lange nicht mehr über Presserabatt. Das geht anders billiger.

Elktrogeräte und Gedöns. Nee, das geht nicht. Es sei denn, es sind so kleinigkeiten unter 15 Euro.

Horst
Horst
15 Jahre zuvor

Muss jeder mit sich selbst ausmachen, denke ich. Konzert-/Museumsbesuch: wenn ich dienstlich hingehe und das privat gut finde, okay. Aber wenn ich privat hingehe, hat der Presseausweis in der Tasche zu bleiben.

Air Berlin: Hmmm, hab ich nie gemacht. Für nen Wirtschafts- oder Reiseredakteur fände ich das problematisch. Für nen Dortmunder Lokalredakteur vielleicht auch (wg. Flughafen-Diskussion da). Bei mir gäbs da glaube ich keine Berührungspunkte, aber trotzdem kam das (ohne tieferen Grund) irgendwie nie in Frage. Früher gabs mal ne Bahncard für Journalisten – die fände ich seeehr problematisch, ne Bahnstrecke, die mal zum Thema werden könnte, gibts quasi überall.

Kameras für Fotojournalisten (o.ä.) hätte ich jetzt nicht so das Problem mit. Immer mit der Einschränkung: Wenn man in die Gefahr kommen könnte, dass man über das Produkt oder das Unternehmen vielleicht mal berichten muss… eher nicht. Gilt auch und insbesondere für Telekom und Co., ist jedenfalls meine Meinung.

Was aber auf jeden Fall so gar nicht geht: Das beliebte Weihnachtsbaumschlagen/Saufen mit dem Vorstand der Hausbank vor Ort. In kleineren Städten und Gemeinden oft Gang und Gäbe. Für ne Gratis-Tanne hat man sich nicht zu verkaufen. Punkt!

Und warum man ein Premiere-Journalisten-Abo braucht, weiß der Geier.

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