Die Berliner Landeszentrale für Islamistische Bildung

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Die Bundeshauptstadt hebt Vertreter extremistischer Gruppierungen als vermeintlich unabhängige Experten auf ein Podium. Ein Gastbeitrag von Ralf Fischer

Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung plant für Ende April eine Veranstaltung unter dem Titel „Muslime in Europa: zwischen Teilhabe und Diskriminierung“. Die beiden geladenen Gastredner, Dr. Farid Hafez von der Universität Salzburg und Nina Mühe (Projekt CLAIM, Berlin), werden als unabhängige Experten angekündigt, fielen jedoch in der Vergangenheit durch ihre Nähe zu Gruppierungen und Einzelpersonen aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft auf.

Hafez, der gern in der Öffentlichkeit als Wissenschaftler präsentiert wird, war Anfang des Jahres Teilnehmer des II. Treffen der europäischen Muslime in Köln. Die Konferenz wurde vom Präsidium für Religionsangelegenheiten Diyanet in Zusammenarbeit mit der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion DITIB e. V. organisiert. Die Teilnahme hochrangiger Muslimbrüdern sorgte für viel Kritik. In seinem Buch „Islamisch-politische Denker: Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte“ bezieht sich Hafez positiv auf den Chefideologen der Muslimbruderschaft, Yusuf al-Qaradawi. „Hinter der Schaffung neuer Lehrstühle der Islamwissenschaften“, so die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall, wähnt der Politwissenschaftler Hafez „den Verfassungsschutz, der das ‚German muslim subject‘ zu definieren wünsche“.

Eingeladen wurde Hafez aufgrund seiner Tätigkeit als Herausgeber des European Islamophobia Report. Fachleute kritisieren den seit 2016 jährlich erscheinenden Bericht heftig. So bezeichnet der Historiker Heiko Heinisch diesen als „einen pseudowissenschaftlichen Report“, der „eine politische Agenda verfolgt“ und „mit einer seriösen wissenschaftlichen Bestandsaufnahme oder gar Forschung“ nichts zu tun hat. Islamophobie werde in den Berichten als eine „Art Kampfbegriff“ verwendet, so Heinisch weiter.

Die zweite angekündigte Referentin, Nina Mühe, trat in der Vergangenheit wiederholt für den Berliner Verein Inssan in Erscheinung. Diese Organisation wurde in den letzten zwei Jahrzehnten mehrmals im Jahresbericht des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz erwähnt. Grund dafür ist deren Verflechtung mit der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ IGD 1, welche als „mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft“ regelmäßig in den Berichten erscheint. Derzeit arbeitet Mühe für „CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit“, einer zivilgesellschaftlich auftretenden Lobbyorganisation von Islamisten. So findet sich im „Expert*innengremium aus Wissenschaft und Praxis“ von CLAIM neben Daniel Bax 2, auch der ehemaliger Funktionär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş, Engin Karahan, und die bekannteste Vertreterin des Berliner Vereins Inssan, Lydia Nofal. Im Delegiertenkreis der Allianz findet sich neben Rahma e.V., Inssan e.V. auch die Muslimische Jugend Deutschland – MJD. Die Jugendorganisation steht im Verdacht, die Jugendorganisation der IGD zu sein.

Wie es so üblich ist bei Veranstaltungen, wenn der Ort wichtiger ist, als deren Gegenstand, ist die Ankündigung in seiner Kürze und inhaltlichen Oberflächlichkeit kaum zu unterbieten. Während im ersten Satz der nur drei Sätze umfassenden Einladung festgestellt wird, „dass das Vertrauen unter Muslimen in die demokratischen Institution in der EU trotz Diskriminierungserfahrungen groß ist“, folgt im zweiten Satz die rhetorische Finte. Obwohl die Empirie nicht zu einem ideologisch befriedigenden Ergebnis führt, werden Muslime allgemein als Opfer gesellschaftlicher Entwicklungen dargestellt. Deshalb lautet die Fragestellung des Abends: „Wie kann Diskriminierung gegen Musliminnen und Muslime in der EU abgebaut werden und wie kann ihre politische Teilhabe auf kommunaler, nationaler und EU Ebene gestärkt werden?“

Dass die im ersten Satz der Einladung erwähnte Agentur der Europäischen Union für Grundrechte FRA in einer Umfrage herausfand, wonach überall in Europa eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen zu beobachten sei, bringt niemanden in der Berliner Landeszentrale für politische Bildung auf einen vernünftigen Gedanken.

85 Prozent der Juden in der EU bezeichnen Antisemitismus und die damit verbundene Verschlechterung der Sicherheitslage als das wichtigste Problem für sie. Dieser wachsende Antisemitismus in Europa ist für die staatlich alimentierten Bildungsträger kein lukratives Geschäft. Gefördert wird nur, was zu den ideologischen Vorgaben passt. Antisemitismus jenseits der üblichen Trauerroutinen für die einst ermordeten Juden zu thematisieren, gehört definitiv nicht dazu.


Zu den Frontorganisationen des legalistischen Islamismus, insbesondere dem Verein Inssan e.V., erscheint in der kommenden Ausgabe des Magazins Cicero ein ausführlicher Artikel von diesem Autoren und Daniel Fallenstein.

  1. Die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) firmiert seit letztem Jahr als „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. (DMG)“. Dies ist die dritte Namensänderung seit ihrer Gründung.
  2. Der ehemalige taz-Redakteur warf dem Autoren Hamed Abdel-Samad wegen dem Buch „Mohamed“ unter anderem vor „Religionskritik nach Pegida-Art“ zu verbreiten.

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Thommy
Thommy
5 Jahre zuvor

Meine Güte regen Sie sich ab.
Anstatt destruktiv auf der Besetzung einer Veranstaltung , von der ohnehin kaum jemand Notiz nehmen wird, herumzuprügeln, wäre es sicher -das gilt nicht nur für Sie- wohltuend und vor allem informativer gewesen, wenn Sie sich die Mühe gegeben hätten, sich mit dem Tagungsthema auch inhaltlich zu befassen und die Leserinnen an Ihren Erkenntnissen teilhaben ließen.

Es ist ohnehin erstaunlich, dass die meisten selbsternannten Islamkritiker das Thena "Islamfeindlichkeit" so gar nicht auf dem Schirm zu haben scheinen und sich damit zu Recht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, nicht nur einseitig zu sein, sondern vor allem populustische Munition für die Rechten zu liefern.

So lange Sie die Unabhängigkeit von einzelnen Wissenschaftlern pauschal und ohne stichhaltige Begründung in Frage stellen -wären Wissenschaftler wirklich unabhängig, würden die meisten ohnehin verhungern – selbst aber wissenschaftlich zum Thema überhaupt nichts liefern, ist Ihr Artikel leider nicht den Strom wert, den Sie beim elektronischen Verfassen verbraucht haben.

Lilo Start
Lilo Start
5 Jahre zuvor

Schon länger werden von Besuchern der Veranstaltungen über den Islam in der LPB Berlin bemerkt und bemängelt, dass sich dort keineswegs liberale Strömungen, Diskurs und Kontroversen präsentieren. Im Gegenteil. Man streichelt den Opferkult von Muslimen, schüttelt den Radikalen die Hand, die sich mit den Mängeln und den dunklen Seiten ihrer Religion natürlich nicht auseinandersetzen wollen. Das spiegelt sich in der gesamten Berliner Politik wieder.

Vom öffentlichen Gedenken mit verfassungsfeindlichen Moscheen bis zum Beugen des Berliner Neutralitätsgesetz.

Danke! Langsam wird es öffentlich!

Paul Möller
Paul Möller
5 Jahre zuvor

Als regelmäßiger Besucher der Berliner Landeszentrale kann ich bestätigen, dass es sich um eine konzertierte Aktion handelt: keine der Veranstaltungen kommt, mal mehr, mal weniger verbrämt, ohne den Vergleich "Die Muslime sind die neuen Juden" aus. Ausdauernd werden schon lang problematisierte Statistiken zu dem angeblich zuverlässig rechtsextremen Hintergrund aller antisemitischen Straftaten angeführt, ebenso wie zweifelhafte Studien, die eine Gefahr durch Rechtsextremismus in der Bundesrepublik thematisieren – dazu wird auf den angeblich so großen "Alltagsrassismus" und den "antimuslimischen Rassismus" in der deutschen "Dominanzgesellschaft" verwiesen. Kooperationspartner der Landeszentrale sind zunehmend islamistische Vereine – Nachfragen dazu werden abgebügelt mit "Wir reden mit jedem". Ein Hohn.

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[…] den Frontorganisationen des legalistischen Islamismus, insbesondere dem Verein Inssan e.V., lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Magazins Cicero einen […]

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