Von unserem Gastautor Thomas Hafke
In letzter Zeit wird wieder öfters über die Zukunft des Profifußball diskutiert. Das liegt zum einen daran, dass kaum einer mehr die Spiele der Deutschen Nationalmannschaft sehen will, weil ihr Spiel und die Mannschaft unattraktiv geworden ist und zum anderen im Verhalten der Bundesliga und ihrer Vereine, nicht nur wegen der Corona-Krise.
Ich bin jedenfalls gespannt, wie es nach der Pandemie mit dem Profifußball im nächsten Jahr weiter gehen wird. Dass es die Bundesliga schwer haben dürfte, liegt auf der Hand, denn viele werden in der langen Zeit ohne Stadion festgestellt haben, dass es auch andere Freizeitmöglichkeiten und Lebenssinngebungen gibt. Hinzu kommt, dass die DFL einfach weiter gemacht hat, ohne Rücksicht auf die Fans, die ins Stadion gehen und für die Atmosphäre sorgen und ohne Rücksicht auf all diejenigen, die nicht mehr Fußball spielen dürfen, weil sie keine Mittel wie die Bundesliga besitzen, das heißt nicht die Möglichkeit haben alle Spieler durchzutesten und adäquate Hygienekonzepte umzusetzen. Das hat bei vielen Fußballanhängern für Unverständnis gesorgt. Zudem sind die erwarteten Zuschauereinnahmen weggebrochen, mit denen die Vereine kalkuliert hatten. Viele Clubs stehen nun am Rande einer Pleite.
In den Stadien selbst herrscht aktuell eine merkwürdige Stimmung. Wenn man sich die Spiele im Fernsehen ansieht – ins Weser-Stadion habe ich keinen Zugang mehr – glaubt man einer anderen Sportart beizuwohnen. Oder man fühlt sich eher so, als würde man einem Amateurspiel zusehen. Die Stimmung im Stadion hat doch wesentlich zu der Attraktivität und und letztlich der Bedeutung des Profifußball beigetragen, als das sportlich hochwertige Spiel der Profis selbst. Was deutlich macht, dass das Publikum eben doch der entscheidende Faktor ist. Irgendwie erinnert das Ganze an das Märchen vom Kaiser, der aus Eitelkeit keine Kleidung an hat und erst jetzt alle feststellen, dass er ja nackt ist. Mit den Zuschauern ist auch die Spannung und Unterhaltung am Bildschirm verloren gegangen und nicht nur in der Fußballarena selbst.
Gleichzeitig ist der Wettbewerb im Profifußball ausgeschaltet worden. Seit acht Saisons ist Bayern München Meister. Lediglich zwei oder drei Clubs haben überhaupt noch die Chance Meister zu werden und so verlieren die Fußballfans mehr und mehr die Lust diesen unfairen und damit unattraktiven Wettbewerb zu verfolgen.
Bayern München besitzt mittlerweile quasi ein Monopol. Das liegt daran, dass die Fernsehgelder für die Bundesligavereine ungleich ausgezahlt werden. Wer oben mitspielt, erhält mehr, als wer hinten drin hängt, in der Tabelle. Wer also mehrmals Meister oder Vizemeister geworden ist, entfernt sich rein finanziell gesehen immer weiter von den übrigen Clubs und kann irgendwann gar nicht mehr eingeholt werden. Es sei denn, der jeweilige Verein betreibt irgendein verrücktes Missmanagement, was natürlich auch immer wieder vorkommt und immer wieder für Belustigung bei den jeweils gegnerischen Fans sorgt. Ich erinnere hier nur an den HSV oder an Schalke. Solche Geschichten möchte wohl auch kein Fan missen.
Hinzu kommt, dass die ersten drei Vereine in der Champions League spielen dürfen und auf diese Weise weitere horrende Einnahmen realisieren können. Entscheidend ist aber auch, und dass wird leider oft gar nicht gesehen bzw. verstanden, dass die Vereine durch Sponsoring ihre Einnahmesituation verbessern können. Dieser Geldsegen hat es allerdings in sich, denn ein Verein in einem Randgebiet beziehungsweise einem strukturschwachen Raum, in dem es wenig solvente Firmen gibt und an denen die großen Unternehmen weniger Interesse haben, weil sie in dieser Region nur wenige Menschen mit ihrer Werbung erreichen, ist hier auch nochmal gebeutelt. Es ist eben ein Unterschied, ob ich einen Verein wie Werder Bremen führe, der in der Provinz ansässig ist, oder einen Verein wie Bayern München, der mitten in einer Weltmetropole hockt und deshalb auch noch ganz andere Werbeeinnahmen generieren kann. Dies trifft übrigens auch auf die Zuschauereinnahmen zu. Es ist eben auch ein Unterschied, ob zehn Millionen Menschen unmittelbar um das Vereinsstadion wohnen oder nur eine Millionen.
Erst kürzlich haben Vereine dagegen aufbegehrt und gefordert, dass der Verteilungsschlüssel der Fernsehgelder gerechter wird. Die Reaktion aus München war niederschmetternd. Rummenigge berief ein Treffen in der DFL in Frankfurt ein, schloss die Aufständischen aus und schwor den Rest auf die Bayernlinie ein. Alles soll so bleiben wie es ist! Ein Schuss ins Knie würde man sagen, denn wenn alles so weiter geht wie bisher, wird es für die Bundesliga keine Zukunft geben. Erinnert sei hier an Gorbatschows Rede von den bestraften Zuspätgekommenen, weil sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben.
Marco Bode, Aufsichtsratsvorsitzender von Werder, drückt das so aus:
„Aktuell habe ich für den europäischen Fußball manchmal das Gefühl, dass wir einen olympischen Finallauf über die 110 Meter Hürden erleben, bei dem auf vier Bahnen gar keine Hürden stehen. Wenn nicht für alle die gleichen Regeln gelten können, muss man sich um Ausgleich bemühen. In Deutschland haben wir als Gesellschaft immer von einer sehr erfolgreichen Soziale Marktwirtschaft profitiert – in der Analogie wünsche ich mir das auch für den Fußball.“
Thomas Hafke ist Diplom Sozialwissenschaftler und seit über 32 Jahren in der Jugendarbeit tätig. 30 Jahre davon war er im Fan-Projekt Bremen aktiv, wo er mit Jugendlichen Werderfans (Kutten, Hooligans und Ultras) beschäftigt war. Wobei er zwischenzeitlich beim VfB Oldenburg mit Fußballfans und in Delmenhorst mit Skinheads arbeitete. Hinzu kam die Begleitung der Fans der Deutschen Nationalmannschaft ins Ausland. In Oldenburg hatte er das Glück mit Rudi Assauer zusammenarbeiten zu dürfen. Außerdem hat er in dieser Zeit diverse Lehraufträge an der Universität und Hochschule Bremen und an der Hochschule für öffentliche Verwaltung (Studiengang Polizei) durchgeführt. Heute ist er in der Jugendwohngruppenarbeit tätig, wo er mit Risikojugendlichen betraut ist. Sein Gebiet ist die Jungenarbeit.
Kann man alles unterschreiben.