Die Covid-19-Pandemie und Holocaust-Relativierungen


Von unserer Gastautorin Anastasia Iosseliani

 Geehrte Leserinnen und Leser!

Der heutige Beitrag ist mal wieder ein Quickie von mir. In diesem Beitrag widme ich wieder mal dem Thema des Antisemitismus, denn in den letzten Wochen wurden wir alle vielfach Zeugen, wie verschiedene sogenannte «Querdenker» die Massnahmen gegen besagte Pandemie mit dem Holocaust, der Verfolgung durch die Nazis und Nazi-Kollaborateure und sich selber mit Personen wie Anne Frank und Sophie Scholl verglichen, und somit den Holocaust und Nazi-Terror an sich relativiert haben.

Das so ein Verhalten unter aller Kanone ist, muss ich Ihnen nicht erklären. Was offenbar hingegen der Erklärung bedarf, ist wohl die Tatsache, dass ich den Antisemitismus heute, der, auch aufgrund der Covid-19-Pandemie, wächst und gedeiht wie Unkraut, mit dem Antisemitismus/Antijudaismus im Mittelalter verglichen habe, als wir Juden, während der Zeit der Schwarzen Pest, beschuldigt wurden, die Brunnen vergiftet und so die Pest ausgelöst zu haben. Offensichtlich fühlen sich einige durch meinen Vergleich von damals und heute auf den Schlips getreten und darum wurde ich mit den sogenannten «Querdenkern» verglichen. O-Ton: Warum ich die Unverfrorenheit hätte, die jetzige Situation mit der Verfolgung meines Volkes im Mittelalter zu vergleichen. Notabene: Die Kritik kam von Nicht-Juden.

Darum werde ich jetzt erklären, warum ich die jetzige Zunahme von Antisemitismus in der Covid-19-Pandemie, bei der entweder Israel im Besonderen oder Juden im Allgemeinen für die Pandemie verantwortlich gemacht werden, mit den Pest-Pogromen des Mittelalters verglichen habe. Natürlich lässt sich die Situation von damals nicht eins zu eins mit dem Antisemitismus, den wir Juden heute zu erdulden haben, vergleichen, primär, weil wir Juden nun nach Israel fliehen können, sollte es zum antisemitischen GAU kommen. Aber die Mentalität, das tiefsitzende, antisemitische Ressentiment, ist dasselbe, damals wie heute.

Darum war mein Vergleich keine Holocaust-Relativierung, sondern eine Beschreibung der alles andere als erfreulichen Zustände. Zustände, die aufgrund eines tiefsitzenden antisemitischen Vorurteils und der Gleichgültigkeit gegenüber diesem von weiten Teilen der Mehrheitsgesellschaft möglich sind. Auch zeigt der Antisemitismus damit seinen primitiven und fortschrittsfeindlichen Charakter, der wie gesagt, durch das tiefsitzende, antisemitische Ressentiment und die Indifferenz von weiten Teilen der Mehrheitsgesellschaft ermöglicht wird.

Solange aber eine solche Mentalität da ist, so lange werden wir weiterhin von solch barbarischen Ideologien heimgesucht werden wie dem Antisemitismus, der schon im Mittelalter Urstände feiern konnte.

Ich weiss bis heute leider und offen gestanden nicht, wie man Antisemitismus adäquat bekämpfen kann, was ich aber weiss, ist, dass Antisemitismus als Einfallstor für andere irre, gefährliche und regressive Ideologien dienen kann. Darum ist es wichtig, dass wir Juden nicht alleine gelassen werden im Kampf gegen Antisemitismus, der schon bei solchen Dingen wie Holocaust-Relativierungen beginnt.

Dies sollte man sich in Erinnerung rufen, trotz der Pandemie und anderer Probleme, die uns derzeit auch heimsuchen. Schlicht und ergreifend deshalb, weil eine primitive, mittelalterliche Ideologie wie der Antisemitismus des 21.Jahrhunderts, des Jahrhunderts, indem der Mensch ein Smartphone hat und vor der Kolonialisierung des Mars steht, einfach unwürdig ist.

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[…] 9. Januar 2021 Rotes Kreuz Die Covid-19-Pandemie und Holocaust-Relativierungen  Ruhrbarone […]

Dr.Dagmar Schatz
3 Jahre zuvor

Was mich wundert: wieso kann man sowas wie diesen elenden Stern- /Armbinden-Missbrachnicht auf den strafrechtlichen Begriff bringen?

Thomas Baader
Thomas Baader
3 Jahre zuvor

Ja, in der Tat, das sind Holocaust-Relativierungen. Es ist hirnrissig, geschichtsvergessen, selbstmitleidig. So sind diese Leute eben.

Aber man muss auch sagen: Die haben die Holocaust-Relativierung nicht erfunden. Eigentlich machen sie das doch alle, oder? Auch Eltern von Schülern, denen wegen ihrer Teilnahme an Fridays for Future-Demos während der Unterrichtszeit Konsequenzen drohten, setzten ihre Kinder schon mit den Geschwistern Scholl gleich.

Andere Beispiel: Es gäbe eine "Pogromstimmung gegen Manager" (Christian Wulff 2008), aber auch eine "Pogromstimmung gegen die Linkspartei" (Bodo Ramelow 2013 – nachdem er im Jahre 2008 noch Wulff für seine Wortwahl scharf kritisiert hatte).

Die Medien regen sich lediglich etwas mehr auf als sonst, wenn es von "Querdenkern" kommt.

B. Jansen
B. Jansen
3 Jahre zuvor

#3: Im Fall des Begriffes "Pogrom" irren Sie. Der Begriff ist nicht exklusiv auf Antisemitismus bezogen. Insofern können die von Ihnen angeführten Beispiele nicht als Holocaustrelativierung verstanden werden.

Thomas Baader
Thomas Baader
3 Jahre zuvor

Lieber Herr Jansen,

der Begriff "Pogrom" war ursprünglich auf antijüdische Ausschreitungen bezogen. Sie haben insofern recht, als dass es seitdem eine Begriffserweiterung stattgefunden hat und auch entsprechende Handlungen gegen andere Menschengruppen gemeint sein können.

Allerdings liegt in Deutschland, wenn der Begriff ohne Kontextualisierung verwendet wird, eine Verbindung zum Judentum recht nahe. Auch eine kurze Internetrecherche zum Begriff führt mehrheitlich zu antisemitischen Ereignissen.

Eine Verharmlosung ist es sowieso in jedem Fall – wenn nicht vom Holocaust, dann von einer anderen schrecklichen Tat. Es ging den Managern und der Linkspartei der Jahre 2008 bzw. 2013 in Deutschland sicherlich nicht einmal annähernd so wie den Juden im Dritten Reich, den Armeniern während osmanischer Massaker oder den Jesiden zu Zeiten des IS.

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