„Die Darsteller lebten immer in der Angst, in ein Konzentrationslager verschleppt zu werden“

Theodor Wonja Michael 2014 Foto: Julia Dittmann Lizenz: CC BY-SA 4.0


Auch während der Nazizeit lebten Schwarze Deutsche in Deutschland. Es war ein Leben in ständiger Angst, in ein Konzentrationslager verschleppt zu werden.

Der Vortragsaal im Kölner Museum am Neumarkt war trotz des ersten schönen Frühlingsabends des Jahres gut gefüllt. Die Berliner Historikerin und Aktivistin Katharina Oguntoye hielt hier im Rahmen der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ den Vortrag „Mut und Widerstand. Die Resilienz Schwarzer Deutscher während des NS-Regimes“.

Oguntoye beschreibt das Leben von Afrodeutschen während der NS-Zeit. Sie erzählt von Theodor Wonja Michael, der als Sohn eines Kolonialmigranten aus Kamerun in Berlin geboren wurde, bei einer Pflegefamilie aufwuchs und in Völkerschauen auftrat, in denen Schwarze die rassistischen Phantasien der Deutschen über das Leben in Afrika nachstellten. Eine Ausbildung durfte er nicht machen, das verboten die NS-Rassegesetze. „Ein Lehrer“, erzählt Katharina Oguntoye, „glaubte an ihn und wollte ihn privat unterrichten. Aber er war so arm, dass er kein Geld für Stifte hatte.“ Seine deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm aberkannt. Später spielte Michael in Kolonialfilmen mit. „Die Darsteller waren während der Dreharbeiten geschützt, lebten aber immer in der Angst, danach in ein Konzentrationslager verschleppt zu werden“, erklärt die Historikerin.

Nach dem Krieg machte Theodor Wonja Michael eine außergewöhnliche Karriere: Er holte sein Abitur nach, arbeitete als Journalist und trat 1971 in den Dienst des Bundesnachrichtendienstes ein und erreichte als erster Schwarzer den Rang eines Regierungsdirektors.

Fasia Jansen, die nichteheliche Tochter eines deutschen Zimmermädchens, Elli Jansen, und eines liberianischen Diplomaten, wurde hingegen zum Dienst in der Küche des Konzentrationslagers Neuengamme verpflichtet. „Dort stachen sie ihr Spritzen ins Herz. Jansen litt danach bis an ihr Lebensende an Herzproblemen“, sagt Oguntoye. In der Bundesrepublik, aufgewachsen im Hamburger Arbeiterviertel Rothenburgsort, schloss sie sich später der Arbeiter- und Friedensbewegung an und trat als Musikerin bei Ostermärschen – einmal auch mit Joan Baez – sowie bei Arbeitskämpfen im Ruhrgebiet auf, wohin sie später zog.

Marie Nejar, deren Vater aus Ghana stammte und deren Mutter eine deutsche Musikerin war, wurde 1930 in Mülheim an der Ruhr geboren. Eine Schulausbildung durfte auch sie nicht machen, sie wurde zur Zwangsarbeit in einer Fabrik verpflichtet. In dem Film „Quax, der Bruchpilot“ war sie an der Seite des damals bekannten Schauspielers Heinz Rühmann in einer kleinen Rolle zu sehen. Als Leila Negra machte sie später in der Bundesrepublik als Schlagersängerin Karriere, trat mit Peter Alexander und Roberto Blanco auf. Ende der 50er Jahre beendete sie ihre Gesangskarriere, wurde Krankenschwester und zog nach Hamburg. Der Wochenzeitung Die Zeit sagte Nejar 2015 in einem Interview: „Ich bin total deutsch, ich war weder in Afrika noch in der Karibik, wo mein Großvater geboren ist. Aber den meisten Menschen kann ich das nicht klarmachen. Alle sehen in mir immer das Exotische und nicht das Deutsche. Ja, das ist das Leben.“

Noch bis zum 1. Juni findet in Köln die Reihe „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ mit zahlreichen Veranstaltungen und einer Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum statt. Der Anteil von Soldaten aus den damaligen Kolonien am Sieg über die Achsenmächte, die Verfolgung und Ermordung von Schwarzen in Deutschland und der rassistische Umgang der Alliierten mit ihren eigenen Soldaten werden ebenso thematisiert wie das Schicksal der durch die japanische Armee zur Zwangsprostitution gezwungenen koreanischen Frauen.
Mehr Informationen: www.3www2.de

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jungle World

 

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