Die Documenta hat dazu beigetragen, Antisemitismus und Israelhass in Deutschland salonfähiger zu machen

ruruHaus, Kassel, 2021, Foto: Nicolas Wefers/Documenta


Die Documenta 15 war ein Triumph für alle Antisemiten und Israelhasser in Deutschland. Die Folgen der dort erfolgten Grenzverschiebungen werden vor allem die Juden zu spüren bekommen.

Am 4. Juni 2018 erschien auf den Ruhrbaronen ein Artikel über die Band Young Fathers. Die schottischen Hipster wollten auf der bevorstehenden Ruhrtriennale ihr neues Album vorstellen. Die Macher des Festivals, das, damals von Stefanie Carp geleitet wurde, waren begeistert, dass es ihnen gelungen war, die Lieblinge des Pop-Feuilletons nach Bochum zu holen. Dieses Blog wies auf eine andere Seite der Band hin: „Was das Programm eines der größten Theater- und Kulturfestivals Deutschlands verschweigt: Die Young Fathers unterstützen die antisemitische BDS-Bewegung. BDS, das Kürzel steht für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, man könnte es auch gut mit „Kauft nicht bei Juden“ übersetzen, hat ein klares Ziel: Israel soll wirtschaftlich, kulturell und politisch isoliert werden. Bands werden bedrängt, nicht in Israel zu spielen, Unternehmen sollen dort nicht investieren, Wissenschaftler nicht zusammen mit Israelis forschen.

Dieser Beitrag war der Ausgangspunkt einer erst landes- und dann bundesweiten Debatte über den Umgang mit Antisemitismus in der Kulturszene und der BDS-Kampagne. Kurz nach Beginn der Diskussion sagten die Young Fathers ihren Auftritt ab. Der seinerzeit amtierenden nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kam nicht zur Eröffnung der vor allem mit Landesgeld finanzierten Kulturfests. Es gab Demonstrationen und die Ruhrtriennale veranstaltete von sich aus eine Podiumsdiskussion zum Thema BDS und Kultur. Im September 2018 beschloss der Landtag in Düsseldorf mit den Stimmen der Abgeordneten von CDU, SPD, FDP und Grünen:

„Wir verurteilen die antisemitische und antiisraelische BDS-Kampagne und den Aufruf zum Boykott von israelischen Waren oder Unternehmen sowie von israelischen Wissenschaftlern oder Künstlern.

Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen dürfen der BDS-Kampagne keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und keine Veranstaltungen der BDS-Kampagne oder von Gruppierungen, welche die Ziele der BDS-Kampagne verfolgen, unterstützen.

Wir rufen Städte, Gemeinden, Landkreise und alle öffentlichen Akteure dazu auf, sich dieser Haltung anzuschließen.

Der Landtag unterstützt die Landesregierung sowohl in der Prävention als auch in der entschiedenen Bekämpfung von Antisemitismus und jeglichem Extremismus.“

In den folgenden Monaten folgtem immer mehr Städte und Länder dem Düsseldorfer Landtag. 2019 schließlich auch der Bundestag.

Vier Jahre später haben der BDS und seine Anhänger große Teile der Kulturszene fest im Griff. Trotz des BDS-Beschlusses des Bundestages wurde mit dem Kollektiv Ruangrupa einer Gruppe die Verantwortung für Documenta15 in die Hand gegeben, in denen BDS-Unterstützer das Sagen haben. Auch unter den weit über 1500 zur Kasseler Ausstellung eingeladenen Künstlern waren zahlreiche BDS-Anhänger. Die Bundesregierung schaute zu und ignorierte den Beschluss des Bundestages. Mit Claudia Roth (Grüne) ist eine der wenigen Abgeordneten, die damals nicht dem BDS die öffentliche Unterstützung versagen wollten, heute Staatsministerin für Kultur. Und SPD, Grüne und FDP verweigerten im Sommer der CDU die Unterstützung, als sie forderte, die 2019 beschlossenen Regeln umzusetzen.

Zwar wurden in Kassel Bilder mit antisemitischen Karikaturen des Kollektivs Taring Padi entfernt und die Geschäftsführerin der Documenta, Sabine Schormann, musste gehen, aber ansonsten setzten die Verantwortlichen darauf, die Show bis zum Ende durchzuziehen. Für Ruangrupa war der größte Teil der Kritik an der Documenta ohnehin rassistisch. Die bereits im Januar vom Bündnis gegen Antisemitismus Kassel auch auf diesem Blog veröffentlichten Hinweise über die Teilnahme zahlreicher BDS-Unterstützer blieben folgenlos. Antisemitische-Terrorfilme sind auch Monate nach der ersten Kritik weiter zu sehen und auf eine Pressemitteilung des von den Trägern der Documenta einberufenen Expertengremiums, in welcher Werken der Ausstellung eine einseitige Verurteilung Israel und Antisemitismus vorgeworfen wurde, reagierte das Kuratorenkollektiv gemeinsam mit vielen Künstlern mit einer Erklärung voller Revoluzzerkitsch und Pathos, in der Israel Siedlerkolonialismus, Apartheid, ethnische Säuberungen vorgeworfen wurde. Gegen Ende der Documenta erwies sich das monatelange Gerede vom Lumbung, Nongkrong und lernen wollen als inhaltsloses PR-Geschwätz.

„Der Antisemitismus-Skandal belegt, wie hartnäckig das Kunst-Establishment an Privilegien festhält.“ schrieb Oliver Heilwagen im Magazin Kunst und Film. Ein gerne wiederholtes „Narrativ“, an dem nichts wahr ist. Spätestens seitdem die Initiative GG 5.3 Weltoffenheit Ende 2020 an die Öffentlichkeit ging, ist klar, dass das Kunst-Establishment in Deutschland kein Problem mit Antisemitismus, Israelhass und der BDS-Kampagne hat.

Damals sprachen sich Hortensia Völckers, die Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, Johannes Ebert, der Generalsekretär des Goethe-Instituts und zahlreichen andere Kulturmanager gegen den BDS-Beschluss des Bundestages aus. Sie wollten Antisemiten, die davon träumen, Israel zu vernichten, weiter eine vom Steuerzahler finanzierte Bühne geben. Ihnen schlossen sich in einem zweiten Aufruf zahlreiche Künstler an, die merkten, in welchen Hintern man den Kopf stecken muss, wenn man weiterhin die öffentlichen Mittel haben möchte, über welche die wichtigsten Kulturmanager des Landes entscheiden.

Ruangrupa machte genau die Documenta, die sich dieses Milieu gewünscht hat: Voller Hass auf Israel, den Westen, mit ganz viel Ethnokitsch und revolutionären Phrasen.

Der BDS-Beschluss des Bundestages hat sich als zahnloser Tiger erwiesen. Niemanden, nicht ein einmal die Bundesregierung und ihr Kabinettsmitglied, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, fühlen sich an ihn gebunden.

Die Documenta hat dazu beigetragen, Antisemitismus und Israelhass in Deutschland salonfähiger zu machen. Sie war eine einzige Grenzverschiebung, deren Folgen vor allem die Juden in Deutschland zu spüren bekommen werden: Für sie wird das Leben in Deutschland gefährlicher, auf ihre Stimmen wird man in Zukunft noch weniger hören. Ihnen, vor allem dem Zentralrat und seinem Vorsitzenden Joseph Schuster wurde seit Januar klar gemacht, dass ihre Bedenken nicht zählen.

Was die Initiative GG 5.3 Weltoffenheit gefordert hat, ist Wirklichkeit geworden und beim nächsten Antisemitismusskandal wird die Aufregung geringer sein und die Politik erneut keine Konsequenzen ziehen. Die Documenta sendete ein Signal aus, für dessen Übermittlung sich die Kulturszene Ruangrupa auswählte: Antisemitismus gehört in Deutschland dazu – und das ist auch gut so.

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Sabrina Mevis
Sabrina Mevis
2 Jahre zuvor

Da überschätzt jemand die Bedeutung der Documenta. Antisemitismus kann und muss kritisiert werden, aber die fast tägliche Erwähnung in diesem Blog halte ich nicht für sinnvoll.

Daniel
2 Jahre zuvor

Es ist wichtig, das sich die Menschen den Mechanismus bewusst machen, mit welchem hier gearbeitet wird.
Susan Neimann hat mit David Shulmann, Aleida Assmann und Eva Menasse drei Anti Israel Aktivisten in das Einstein Forum gebracht.
Der allgegenwärtige Antisemitismus wird ermöglicht und gelebt, mit Steuergeldern, in dem man einfach nicht darüber Spricht. Das hatten wir doch schon einmal.
Leute wie Emily Dische Becker oder Loewy oder Hanno Hauenstein oder die FAZ Männer Jochen Stahnke und Christian Meier normalisieren das anti Israel Narrativ. Sie sind überall, gut vernetzt und im Salon. Ob beim DLF, Arte TV oder beim Goethe Inst. Egal wo. Wie so etwas in der enthemmten Normalität aussieht sehen wir in den USA, UK oder Frankreich. Oder hier in Berlin wo wieder ein Rabbi am helligten Tag von einem Araber angegriffen wurde.
Wie damals tun alle so als wäre nichts. Die alimentierten Deutschen wissen von keinem Antisemitismus weil es in Deutschland dank Adolph Hitler „keine“ Juden mehr gibt. Die meisten kennen keine Juden und verstehen diese auch nicht. Israel ist ein „Fremdkörper“ .
Deutschland hat von der Shoa nicht gelernt. Egal ob Mogherini, Frank Walther Steinmeier oder Sigmar Gabriel. Alle sind zutiefst ignorant, im besten Fall.

Michael
Michael
2 Jahre zuvor

Die indonesische Gruppe die eigentlich eher unbelehrbare Aktivisten würden ausgesucht um ein bestimmten Konzept zu transportieren. Um ungestört bei die widerliche Inszenierung zu bleiben wurden alle die Antisemitismus befürchteten in Vorfeld blockiert. Während Documenta es gab verzögerten Entscheidungen weil Diskussionen und Fachleuten sollten begutachten ob „Stürmer „ ähnliche Schmierereien antisemitisch sind. Wie auch immer Documenta läuft noch weiter . Diese schamlose mit Steuergeldern finanzierten Veranstaltung zeigt von Dekadenz und ist gleichzeitig eine moralische Bankrott Erklärung.

Laubeiter
Laubeiter
2 Jahre zuvor

Ich lese hier einen Versuch, die Präsenz von Volksverhetzung und Judenhass in einer durch Steuermittel getragenen Ausstellung zu erklären. Diese Ausstellung läuft noch. Es gibt eine Möglichkeit, an die Verantworlichen zu schreiben, dass Volksverhetzung und Judenhass in einer durch Steuermittel getragenen Ausstellungen gegen mehrere Prinzipien verstoßen, de jure und de facto. Ich bin dafür, es nicht hinzunehmen und hier die Meinung zu tippen, sondern laut zu protestieren.

Susanne Scheidle
Susanne Scheidle
2 Jahre zuvor

@ Greta #3

Alles richtig soweit. Nur eines möchte ich korrigieren: Die Documenta 15 – oder die Antisemitika 15, wie Sascha Lobo das so treffend im SPIEGEL nannte – repräsentiert nicht „die deutsche Kulturszene“. Die Documenta repräsentiert eine Blase, die seit ewig und drei Tagen damit beschäftigt ist, sich selbst großartig zu finden und sich das bei jeder Gelegenheit genseitig zu bestätigen – und sich lukrative Posten zuzuschieben.

Die Kulturszene in Deutschland ist dann doch etwas differenzierter.
Es gibt auch eine Kunstszene abseits der Documenta.
Ja, einige von denen träumen davon, auch mal zur Documenta eingeladen zu werden und kriechen der Blase so tief ins Endgedärm, dass sie am Maul wieder rauskucken und Hallo winken können, keine Frage.
Aber das ist nicht die Mehrheit.
Die meisten Künstler reißen sich den Allerwertesten auf, um zu einer Ausstellung eingeladen zu werden. Das sind üblicherweise Ausstellungen, bei denen die Organisation nicht einem obskuren Kollektiv überlassen wird, da muss man sich bewerben und eine Jury entscheidet, wer drin ist und wer nicht.
Auch wenn ich auf diesen Ausstellungen schonmal Werke gesehen habe, die ich persönlich eher so lala fand (ist halt auch Geschmackssache) oder vielleicht auch politisch etwas schlicht, naja, habe ich da nie „Werke“ mit Reißzähnen an Schläfenlocken und Kippa mit SS-Runen gesehen oder Filmchen, in denen Terroristen abgefeiert werden.

Die meisten Künstler haben vielleicht schonmal versucht, für sich eine Ausstellung in der örtlichen Sparkasse klarzumachen und durften sich anhören, dass die Sparkasse leider, leider, keine Mittel mehr dafür erübrigen kann – und kriegen einen dicken Hals, wenn sie hören, dass von der Sparkasse für die Documenta mal eben ein 6stelliger Betrag locker gemacht wurde.

Selbst Künstlerin bin ich immer ein bisschen zurückhaltend, was Kritik an „großen“ Ausstellungen mit breiter medialer Berichterstattung betrifft, weil man sich da schnell dem Verdacht ausgesetzt sieht, doch nur neidisch zu sein, weil man selbst nicht mit dabei ist.
Aber ehrlich gesagt, der ganze Documenta-Zirkus hat mich schon vor diesem Skandal nicht interessiert.

Es ist notwendig, dass die Medien über den Documenta-Skandal berichten.

Aber ich wäre auch sehr dafür, dass die Medien zur Abwechselung mal von der andern Kunstszene berichten würden, den anderen Kunstevents, von denen die nicht mal locker-flockig 40 mio EUR verpulvern können und von einer Blase organisiert sind, der Kunst genau genommen am Arsch vorbei geht.

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[…] und Israelhass in Deutschland salonfähiger zu machen“ so lautet die Überschrift seines Artikels bei den Ruhrbaronen. Und statt des von Ruangrupa angeblich favorisierten Dialogs gab es eine Kultur des Wegsehens, des […]

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