Die Energiekrise belastet die Haushalte der Städte

Stadtwerke Bochum


Im kommenden Winter werden nicht nur die Brieftaschen der Bürger belastet. Auch die Städte stehen durch steigende Energiepreise vor großen finanziellen Herausforderungen.

Es wird kalt in Nordrhein-Westfalen. Noch nicht in den Wohnungen der Menschen, die einen Ausnahmesommer genießen, aber zum Beispiel in den Schwimmbädern. Ob in Köln, Düsseldorf oder Menden: In immer mehr Städten wird die Wassertemperatur in Hallen- und Freibädern gesenkt.

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist Gas knapp und teuer in Deutschland. Das betrifft spürt man jetzt beim warmen Wasser und wird im Winter beim Heizen die Preise explodieren lassen. Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass sich im kommenden Jahr die Heizkosten verdreifachen werden. Auch Strom wird teurer: Der wird in Deutschland noch immer zu über zehn Prozent mit Gas erzeugt. Aber auch die CO2-Abgabe, die den Preis von mit Kohle und Gas hergestelltem Strom verteuert und das Klima schützen soll, steigt weiter. Und auch die Rettung des angeschlagenen Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper durch die Bundesregierung wird auf die Verbraucher umgeschlagen werden.

Doch nicht nur die privaten Haushalte und die Industrie werden unter den Preissteigerungen zu leiden haben. Auch den Städten stehen harte Zeiten bevor. Nach Jahren sprudelnder Gewerbesteuereinnahmen und ausgeglichener Haushalte drohen ihnen gleich von zwei Seiten schwere Belastungen: Städte sind mit ihren Schulen, Verwaltungsgebäuden und weiteren Immobilien wie Theatern und Konzerthäusern große Energieverbraucher, die von den Preissteigerungen hart getroffen werden. Dazu kommt, dass die Einnahmen durch ihr meist erfolgreich wirtschaftenden Stadtwerke im Haushalt fest eingeplant sind. So erhält die Stadt Bochum in diesem Jahr durch die Gewinnabführung ihrer Stadtwerke 56,2 Millionen Euro. Das ist mehr als die gut 55 Millionen Euro, welche Stadt im vergangenen Jahr für Kultur ausgab. Geraten die Stadtwerke in wirtschaftliche Schieflage, ziehen sie die Kommunen mit herunter. Auf Anfrage teilen die Bochumer Stadtwerke mit, dass ein Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr ist schwierig und stark abhängig von den aktuellen geopolitischen und energiewirtschaftlichen Entwicklungen sei: „Wir versuchen dennoch, die geplante Gewinnabführung an unseren Anteilseigner, die Stadt Bochum, zu erreichen.“

Bei aller Unsicherheit bereitet sich das Unternehmen auch auf den Ernstfall vor: Steht nicht mehr genug Gas zur Verfügung, könnten 62 Unternehmen von Liefereinschränkungen betroffen sein. Geschützt durch Bundesrecht sind hingegen Haushaltskunden und sensible Einrichtungen wie Krankenhäuser. Auch DEW21, die Dortmunder Stadtwerke, sehen das „erhebliche Herausforderungen in den kommenden Monaten zu meistern sind.“ Ob und wieviel Geld noch an die Stadt überwiesen werden kann, sei nicht absehbar.

Die Stadt hat einen Krisenstab eingerichtet, der „seit Kriegsbeginn die Energie- und Gasthematik und ihre Auswirkungen im Blick hat.“ Wie sich die Energiekrise auf den Haushalt auswirken wird, sei nicht absehbar. Dass es Auswirkungen geben würde „sei allerdings unstrittig“.

In der Krise wollen die Städte der Aufforderung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nachkommen und in den kommenden Monaten Energie sparen. Doch auch die Sparsamkeit wird Folgen haben, die nicht zu unterschätzen sind und über etwas kühleres Wasser beim hochsommerlichen Freibadbesuch hinaus gehen. Die Stadt Bielefeld will „vor allem die Interessen der Kinder und Jugendlichen, die bereits stark durch die Pandemie belastet sind“, berücksichtigt. Kalte Kitas will man vermeiden. Auch sollen die Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl durch das Abschalten von Beleuchtung im öffentlichen Raum möglichst wenig leiden.

Wo sie also genau in der Zukunft sparen werden, wenn die Ausgaben für Energie steigen und die Einnahmen von den Stadtwerken sinken, kann keine der befragten Städte sagen. Zu unsicher ist die Lage, zu wenig absehbar, was auf sie zukommt. Wie das ganze Land müssen auch die Städte auf Sicht fahren. Aber aus der Erfahrung ahnen sie, dass etwaige Hilfsmaßnahmen der Bundespolitik auf Kosten der Städte gehen könnten. Was ihre Lage noch einmal verschlimmern könnte wären Hilfen der Bundesregierung für Unternehmen und Bürger: Bei Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung sollte der Bund die Auswirkungen auf die Erträge der Kommunen bedenken, sagt die Stadt Köln auf Anfrage. Durch die Politik der Bundesregierung verursachte Verluste sollte aufgefangen werden.

Durch den Ukraine-Krieg und die immer noch andauernde Corona-Pandemie sei die Belastung der Städte ohnehin schon groß. Und weiteres Ungemach kündigt sich schon an: Köln erwartet in den kommenden Jahren als Folge gestiegener Zinsen Mehrbelastungen für die Haushalte der Städte und Gemeinden.

Die Energiekrise ist für die Stadtwerke eine große Bedrohung. Sie könnte sie in ihrer Existenz bedrohen, ihren wirtschaftlichen Handlungsspielraum wird sie allemal stark einschränken. Geld stellt die Bundesregierung zurzeit jedoch nur für börsennotierte Unternehmen zur Verfügung. DEW21 hält das nicht für ausreichen: „Auch für Unternehmen, die Energie außerbörslich auf dem OTC-Markt beschaffen, die Gefahr eines Finanzierungsproblems.“

Bei den Stadtwerke Bielefeld sieht man es ähnlich wie in Dortmund. Man müsse auf alle auf weitere Verwerfungen im Gasmarkt vorbereitet sein: „Daher brauchen wir schnell ein Insolvenzmoratorium für Unternehmen und die notwendigen Verabredungen über einen Schutzschirm und Liquiditätsbereitstellung auch für Stadtwerke, was derzeit von der Bundesregierung leider noch nicht vorgesehen ist.“ So weit will man in Bochum noch nicht gehen: Die Bochumer Stadtwerke bitten ihre Kunden, dem Aufruf der Bundesregierung zu folgen und Energie zu sparen.

Auch der Landesregierung ist sich der Dramatik der augenblicklichen Lage bewusst. Auf Anfrage dieser Zeitung teilt das NRW-Kommunalministerium mit, dass durch die von Russland ausgelöste Energiekrise die Energieversorgungsunternehmen in Deutschland aktuell vor erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen stünden. Dies betreffe sowohl die Bürger und Unternehmen als auch die öffentliche Hand. Die Lage behalte man im Blick: „Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen wird die weitere Entwicklung genau beobachten und rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergreifen.“ In der Verantwortung zu helfen sieht Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales und Bau. jedoch vor allem die Bundesregierung: „Der Bund sollte die kommunalen Versorger unter einen Schutzschirm nehmen. Sie sind ein Eckpfeiler der Energieversorgung in Deutschland.“ Stadtwerke seien Basisversorger. „Wenn andere Anbieter ausfallen, müssen Stadtwerke Kunden nehmen. Hier muss der Bund schnell die Sicherheit geben, dass es zu keiner Schieflage kommt.“

Der Winter wird nicht nur kalt. Er wird auch teuer und spannend.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag.

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Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
2 Jahre zuvor

Man könnte jetzt sagen, gut, dass die Revierstätdte seinerzeit bei der STEAG eingestiegen sind, die betreibt ja noch ein Kohlekraftwerk. Aber so wie es Herr Laurin immer gefordert hat, wollen die Städte bis 2023 die STEAG-Anteile wieder verkaufen.

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