Am Freitag demonstrierte eine Gruppe von Antisemiten in der Essener Innenstadt. Der einzige Gegendemonstrant wurde in Gewahrsam genommen, weil er eine Israelfahne hochhielt. Das Verhalten der Polizei hat nun ein juristisches Nachspiel.
Wenn im Ruhrgebiet und in anderen Teilen Nordrhein-Westfalens Antisemiten gegen Israel auf die Straße gehen, ist Chris oft der einzige Gegendemonstrant. Mit einer Israelfahne in den Händen protestiert er gegen den Judenhass. Er ist nie laut und hält immer Abstand. Chris setzt ein Zeichen, aber er stört nicht. Die Essener Polizei sah das am vergangenen Freitag anders: Als am Hirschlandplatz, der nach dem jüdischen Bankier und Kunstmäzen Georg Hirschland benannt ist, eine immer größer werdende Gruppe anti-israelischer Aktivisten ihre Kundgebung begann, kam die Polizei auf Chris zu. Weil er in den Augen der Beamten die Antisemiten störte, sollte er seine Israelfahne einpacken und gehen. Nachdem Chris der Aufforderung nicht nachkam, entriss ihm die Polizei unter dem Jubel der Israelhasser seine Israelfahne und nahm ihn in Gewahrsam.
Mir ist bisher kein anderer Fall in Deutschland bekannt, wo man aufgrund des Zeigens einer Israel Flagge in über 40 Meter Entfernung verhaftet wird.
Ich habe das Recht, friedlich meine Meinung zu zeigen. Dies tue ich auch in Essen weiterhin! #Essen @WAZ_Redaktion pic.twitter.com/MTobWvyCQ6— anti.afd4 (@antiafd99) July 14, 2024
„Der Vorwurf, ich hätte die Veranstaltung gestört, ist falsch. Ich stand gut 40 Meter von der Kundgebung entfernt.“ Die Polizei sah das anders. In einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung begründete sie ihr Verhalten:
„Der Polizei ist die aktuelle politische Situation und das damit verbundene Konfliktpotential bewusst. Daher forderten die Beamten den 25-Jährigen mehrfach auf, die Israelflagge zu entfernen oder sie alternativ außerhalb des Sichtbereichs der Versammlung zu zeigen. Ziel war es, sowohl den störungsfreien Ablauf der Versammlung zu gewährleisten als auch den 25-Jährigen vor möglichen Gefahren zu schützen.“ Als Chris im Oktober während einer vergleichbaren Demonstration in Bochum mit seiner Israelfahne ein Zeichen der Solidarität setzte, reagierte die Polizei anders: Sie schützte Chris.
Das Verhalten der Polizei hat nun ein juristisches Nachspiel. Der Journalist und Menschenrechtler Tobias Huch hat Anzeige gegen vier Polizeibeamte gestellt. Auf Anfrage dieses Blogs sagte Huch: „Ich habe eigentlich erwartet, dass die Polizei Essen für ihr rechtswidriges Handeln beim Betroffenen um Entschuldigung bittet. Die Presseerklärung der Polizei verteidigt aber das Fehlverhalten der Polizisten. Daher habe ich heute Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung und Nötigung im Amt erstattet. Ich erwarte von Polizisten, dass sie unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen und sich nicht zu Erfüllungsgehilfen von Antisemiten und Israelhassern machen.“