Die Frauen-Fußballnationalmannschaft des DFB hat eine historische Chance, die es zu nutzen gilt

Ein Fußball. Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

Dass die Frauen-Fußball-EM in diesem Sommer bisher keine große Konkurrenz aus dem Herrenbereich hatte, war ohne Zweifel gut für die Veranstaltung. Von Anfang an erfreute sich die Fußball-Nationalmannschaft des DFB dadurch hierzulande einer ungewohnt hohen Aufmerksamkeit.

Fußballfreunde blieben fast automatisch bei den Spielen der DFB-Frauen hängen, auch wenn sie sich sonst vielleicht nicht für deren Darbietungen interessieren. Was daraus geworden ist, überrascht in dieser Ausprägung dennoch. So redet der sportinteressierte Teil der Nation heute bereits fast ausnahmslos über das am Sonntag anstehende Endspiel der Elf aus Deutschland gegen England, obwohl am Tag zuvor doch noch der DFL-Supercup der Herren zwischen dem FC Bayern München und RB Leipzig ansteht, welcher früher garantiert ein wesentlich größeres Thema im Kreise der Fußballfreunde gewesen wäre. Die Frauen-Auswahl hat in den vergangenen Tagen beim Kampf um mehr Anerkennung und Wertschätzung viel erreicht, wie es scheint.

Natürlich sind die Zuschauer-Massen von Nationalmannschaften grundsätzlich völlig anders strukturiert als die im Vereinsfußball. Das sieht man schon regelmäßig, wenn die Elf von Herren-Trainer Hansi Flick zu einem Duell auf internationaler Ebene antritt. Im Stadion der Nationalmannschaft sind dann unter anderem wesentlich mehr Kinder und Jugendliche. Die ‚Ultras‘, die die Bundesliga regelmäßig so stimmungsvoll machen, fehlen bei den Spielen der Nationalmannschaft hingegen. Der vom DFB selber ins Leben gerufene Fan Club Nationalmannschaft wirkt im Vergleich zu den ‚echten‘ Fans regelmäßig peinlich und seine angestoßenen Choreographien seelenlos.

Insofern wäre es auch unfair, die Stimmung bei einem Länderspiel der Frauen direkt mit einem Bundesligaspiel im Herrenbereich zu vergleichen. Da kommen für den Frauenfußball gleich zwei Nachteile zusammen. Zum einen ist das Interesse am Frauenfußball im Jahresdurchschnitt bisher eben immer noch deutlich geringer, zum anderen ist es eben grundsätzlich für die Stimmung von Nachteil, wenn ein Ländervergleich ansteht.

Vor diesem Hintergrund ist es dann aber eben umso erstaunlicher, dass derzeit kaum über den heute anstehenden Supercup zwischen Bayern und Leipzig bei den Männern gesprochen wird, und auch die erste Runde im DFB-Pokal in Sachen Aufmerksamkeit deutlich hinter dem Endspiel der Damen bei der EM in London zurücksteht. Alle reden über das Endspiel am Sonntag in Wembley.

Ich kann mich in meinen gut 40 Jahren, in denen ich jetzt den Fußball interessiert verfolge, nicht an einen einzigen Fall erinnern, bei dem die Frauen-Nationalmannschaft so sehr im Rampenlicht gestanden hätte, wie jetzt. Und das, obwohl Titelgewinne für die DFB-Frauen vor Jahren schon fast die Regel waren. Die Entscheidung das Turnier in England in die zuvor fast fußballfreie Sommerzeit 2022 zu legen, wo sich diesmal die mediale Aufmerksamkeit einmal ganz auf die DFB-Frauen konzentrierte, erwies sich als Glücksgriff.

Jetzt gilt es aus dem durch sportlich gute Leistungen unterfütterten PR-Coup Nutzen zu ziehen, damit die Frauen-Bundesliga demnächst nicht wieder fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss, so wie zuletzt. Dann würde vielleicht auch der Wunsch der DFB-Frauen nach ‚Equal Pay‘ demnächst mit wesentlich mehr Berechtigung vorgetragen werden können als bislang. Denn bei Künstlern, zu denen man Profisportler ja auch irgendwie zählen kann, wird die Gage im Regelfall nach Marktposition, Zugkraft und Beliebtheit ausgehandelt. Insofern machte eine gleiche Bezahlung für Männer- und Frauen-Nationalmannschaft beim DFB, bei bisher völlig unterschiedlichem Interesse auf dem ‚Markt‘, auch keinen Sinn.

Kann das derzeit sehr hohe öffentliche Interesse am Abschneiden der DFB-Frauen bei dieser EM aber in Zukunft Dauerhaft auf einem vergleichbaren Niveau gehalten werden, wäre die Forderung nach gleicher Entlohnung jedoch plötzlich gleich wesentlich berechtigter. Es wird spannend sein zu beobachten, ob das tatsächlich gelingen kann, oder ob es sich um ein einmaliges Phänomen handelt, das wir da gerade alle gemeinsam miterleben…

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Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Robin,
für mich als Fußball-Fan gibt es große Vorfreude auf das EM-Spiel morgen gegen England, vor allem wegen der großartigen Leistungen der DFB-Auswahl gegen Frankreich, die zudem bei mir erstmals in dieser Endrunde „gut begründet“ den Gewinn der EM gegen England -in Wembley-!- realistisch erscheinen lässt.

Alles Andere -Vergleiche mit der Leistungsstärke des sog. Männerfußballes, Vergleiche mit den dort gezahlten Prämien und/Gehältern, Auswirkungen der EM-Erfolge in England auf die Entwicklung des Frauen-Fußballes in Deutschland_ interessieren mich momentan nicht -zumindest nicht nennenswert. Das gilt, Robin, auch für die von Dir verwendete Floskel von der „historischen Chance“..

PS
„Auf einem ganz anderen Blatt“ steht mein guter Gesamteindruck vom BVB nach dessen Spiel gestern in München. Freude gestern und Vorfreude auf morgen schließen sich doch nicht nicht aus.

Ich frage mich allerdings, ob diese meine Freude ob der Leistung des BVB gestern und meine Vorfreude auf das EM-Endspiel morgen nicht zumindest seltsame, widersprüchliche Gefühlswallungen meinerseits sind angesichts des Krieges in der Ukraine, angesichts der sich immer rascher wiederholenden Schreckensmeldungen über die Folgen der sog. Klimakatastrophe, angesichts der sich abzeichnenden katastrophalen Folgen des deutschen Kriegsengagements für Wirtschaft und Finanzen , für den Lebensalltag der Menschen hierzulande , besonders für das der ohnehin wirtschaftlich, finanziell, sozialen Schachen unter uns mit gravierenden Folgen für das gesamte Miteinander der Menschen .
ist der Fußball, vor allem derzeit, nichts Weiter als eine willkommene, ja sogar lebensnotwendige Ablenkung von den Problemen, den Sorgen, die die Menschen, nicht nur hierzulande, derzeit in außergewöhnlichem Maße zutiefst bewegen?

Robin,
auch deshalb oder gerade deshalb wünsche ich Dir -und mir- für morgen einen besonders spannenden, einen besonders interessanten Fußballabend, ein hochklassiges Spiel -und einen Sieg der DFB-Auswahl!

thomas weigle
thomas weigle
2 Jahre zuvor

Robin, das war in den viel härteren Zeiten von 39-45 nicht anders. Ein paar unbeschwerte Stunden gönnte sich dann doch einige.Noch 44 kamen um die 50.000 zum letzten Endspiel, dass der DSC gewann.. Im Jahr zuvor waren es 80.000 in Berlin.Zwar wurde reichsweit der Fußballbetrieb im Sommer 44 eingestellt. Allerdings sollen die Gauligen HH und Bayern doch die Saison 44/45 gespielt haben. Bekannt ist,dass der HSV und Altona am 29.4.45 ein Spiel austrugen,ähnliches wird von Bayern und 60 aus diesen Tagen berichtet. In FFM/OF gab 44/45 es so etwas wie eine lokale Meisterschaft. Ich meine,sogar etwas von einer Mannschaft SGE/OFC gelesen zu haben.Ob bis zum Ende,gespielt wurde ist mir nicht mehr erinnerlich.Ich gehe mal davon aus,dass es im Pott nicht anders war.Da weiß vllt @ Walter Stach mehr.

SvG
SvG
2 Jahre zuvor

Um da mal Berti Vogts zu zitieren: Der FF ist in der Spitze viel breiter geworden. Früher war es ja schön anzuhören, daß die deutsche Mannschaft ein anderes Team 8:0 besiegt hatte. Zuzuschauen war es weniger. Die Spiele, die wir uns nun angeschaut haben, fanden auf einem hohen spielerischen Niveau statt. Die Entwicklung in vielen Ländern zum Breitensport sowie die bessere, wenn auch immer noch nicht ausreichende Ausstattung durch die Verbände zeitigen da Ergebnisse. Geld schießt halt doch Tore, vielleicht nur indirekt. Und was den Krieg angeht: Das ist doch vollkommen normal. IA werden wir täglich zugeschüttet mit Krisenalarmismus wegen Krieg, Corona und Klimawandel. Da schalte ich zumindest irgendwann ab und bin froh, wenn ich Spiele wie D-Ö oder England-Spanien zur Entspannung sehen kann.

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