Die ganze Welt freut sich auf die Olympischen Spiele im Ruhrgebiet

Nachhaltiges Olympiastadion


Nordrhein-Westfalen will die Olympischen Spiele ausrichten. Die Idee ist so alt wie sie dumm ist. Das hindert alle Parteien nicht daran, dafür zu sein, und die lokalen Medien versuchen verzweifelt, etwas Begeisterung herbeizuschreiben.

Nordrhein-Westfalen ist ein Land mit vielen Problemen: Jedes Jahr verlassen strunzdumme Kinder die Schulen, weil viel zu viele Unterrichtsstunden ausfallen und es zu wenige Lehrer gibt. Die Autobahnen und Straßen bröseln vor sich hin und die örtlichen Nahverkehrsgesellschaften sehen ihre Bestimmung in der Versorgung von Parteifreunden mit überflüssigen Jobs und betrachten den Betrieb von Bussen und Bahnen seit jeher als vernachlässigenswerte Nebenbeschäftigung. Wer Arbeit sucht, findet sie in Bayern, wer Spaß haben will, fährt nach Berlin und wer einmal einen richtigen Flughafen aus der Nähe sehen möchte, versucht, sich nach Frankfurt durchzuschlagen.

Doch anstatt sich mit der Lösung profaner Allerweltsprobleme zu beschäftigen, jagt NRW seit Jahrzehnten einem Traum hinterher, der nie in Erfüllung gehen wird: der Ausrichtung der Olympischen Spiele. Sowohl die alte als auch die neue Landesregierung unterstützen eine Bewerbung NRWs, deren Motor der Sport- und Eventmanager Michael Mronz ist. Dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) schon vor einem Jahr erklärt hat, eine solche Bewerbung für die Spiele im Jahr 2028 nicht zu unterstützen, stört in NRW niemanden – obwohl es der DOSB ist, der sich beim Internationalen Olympischen Komitee um die Austragung der Spiele bewerben müsste.

Die Idee, die Spiele nach NRW zu holen, ist alt und eigentlich sollten sie zuerst auch gar nicht in ganz Nordrhein-Westfalen stattfinden, sondern nur im Ruhrgebiet. Nach den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles kam im Revier die Idee auf, die Spiele in den Pott zu holen. Wenn Los Angeles, als Metropolregion wie das Ruhrgebiet eine Zusammenballung zahlreicher Städte, das konnte, könnte man das auch, dachte man kühn in den Rathäusern zwischen Hamm und Wesel. Dass die Metropolregion Los Angeles schon damals mit über 15 Millionen Einwohnern mehr als drei Mal größer war als das Ruhrgebiet, focht die Olympiafreunde im Pott ebenso wenig an wie die Tatsache, dass Los Angeles eine reiche Boomregion war und keine Ansammlung siechender Industriestädte.

Also gründeten die Revierstädte und der Kommunalverband des Ruhrgebiets einen Arbeitskreis mit dem Ziel, die Olympischen Spiele ins Ruhrgebiet zu holen. Man nahm Kontakt zum Nationalen Olympischen Komitee (NOK) auf, dem Vorgänger des DOSB, und wollte 1996 die ganz große Sport-Party steigen lassen. Hätte es schon damals Wikipedia gegeben, wäre den Möchtegernolympioniken schnell klar gewesen, dass zum 100jährigen Jubiläum eigentlich Athen die Spiele hätte bekommen müssen. Dass es dann Atlanta wurde, lag am dort ansässigen Olympia-Hauptsponsor Coca Cola und wurde seinerzeit als Skandal angesehen. Viele Griechen tranken in den Folgejahren übrigens aus Empörung Pepsi. Zwischen Dortmund und Duisburg sah man die Entscheidung für Atlanta sportlich und blieb Coke treu. Das Olympische Komitee hatte sich nicht um die Austragung der Spiele 1996 beworben und ob man jemals ernsthaft daran gedacht hat, mit dem Ruhrgebiet gegen Städte wie Athen, Atlanta, Toronto, Melbourne und Manchester anzutreten, ist bis heute unbekannt.

Immerhin war das Interesse des Ruhrgebiets an den Spielen nicht naiver Sportbegeisterung geschuldet: Die Olympischen Spiele sollten die große PR-Nummer für das Ruhrgebiet werden und Subventionen in die Region lenken, um alles Mögliche von S-Bahnen bis Stadien zu bauen. 1989 beendete der Mauerfall die Olympiaträume. Das Olympische Komitee wollte die Spiele im Jahr 2000 nach Berlin holen. Aber das wollte außer dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) kaum einer: Berlin verlor deutlich gegen Peking, Manchester und Sidney, die Stadt, in welcher die Spiele 2000 schließlich stattfanden.

Berlins Niederlage rief schließlich den damaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, damals noch in der SPD, auf den Plan. Der Mann, der wie kaum ein zweiter Politiker Visionen und Scheitern miteinander verband, nahm sich des Themas an. Und Clement dachte groß: Nicht das Ruhrgebiet, sondern fast ganz NRW sollte sich um die Spiele im Jahr 2012 bewerben. Die Landeshauptstadt Düsseldorf, in den anderen Teilen Nordrhein-Westfalens so beliebt wie ein abgestandenes Bier in der Mittagssonne, sollte der Bannerträger der Bewerbung werden, dem sich Aachen, Köln und das Ruhrgebiet unterzuordnen hatten. Das NOK entschied sich dafür, mit Leipzig anzutreten und zu scheitern.

Aber weil NRW weder aus Versagen noch aus Schaden klug wird – die Schulen im Land genießen nicht umsonst seit Jahrzehnten einen zweifelhaften Ruf – will man nun doch wieder die Olympischen Spiele. Nach einer Umfrage der WAZ sind 68 Prozent der Einwohner im Ruhrgebiet für Olympische Spiele im Ruhrgebiet. Das ist schön und zeigt, dass der Ruhrgebietler Subventionen und Fördermittel aus Entfernungen wittern kann wie Haie einen blutenden Goldfisch, aber um Spiele im Ruhrgebiet geht es natürlich nicht. Zu wenige Nobelhotels für Olympiafunktionäre und Sponsoren, ein Nahverkehr auf dem Niveau eines schwächelnden Entwicklungslandes und Städte mit dem Charme ostdeutscher Stahlarbeitersiedlungen vor der Wende machen eine Bewerbung des Reviers undenkbar. Wieder soll ganz NRW antreten: Das Ruhrgebiet, Bonn, Köln, Aachen und natürlich Düsseldorf. 10 Milliarden wollen, so Eventtausendsassa Mronz im Stern, investiert werden. Und Mronz erklärt, wie er für die Nachhaltigkeit bei den Spielen sorgen möchte: indem zum Beispiel nach Möglichkeit kein neues Olympiastadion gebaut wird. Die Begeisterung des Internationalen Olympischen Komitees, dem 100 Meter Lauf im Wattenscheider Leichtathletikstadion zuzuschauen, wird sich in Grenzen halten. Die ganze Welt freut sich auf Olympische Spiele im Ruhrgebiet – aber nur ab drei Promille.  Aber vielleicht geht es Mronz ja auch gar nicht um die Spiele, sondern um ein wenig PR in eigener Sache und die Verfestigung von einigen Kontakten. Ein paar Interviews, eine Powerpointpräsentation – das kann zu netten Aufträgen führen. Aber dafür ein ganzes Bundesland wuschig zu machen, ist dann doch übertrieben.

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Thomas Weigle
Thomas Weigle
7 Jahre zuvor

Soso, das Ruhrgebiet blieb also Coke treu. "Strunzdumm" ist das schon, ganz im Gegensatz zu den hellen Hellenen, denn Pepsi schmeckt gut und ist nicht nur hierzulande um etwa die Hälfte preiswerter als die 96er Olympiabrause. Übrigens schon seit der Weltwirtschaftskrise ist das so, denn damals setzte der schwächelnde Pepsihersteller in den USA dem Marktführer durch eine Billigpreisoffensive hart zu.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
7 Jahre zuvor

Ich muss mir wohl schon mal überlegen, an welche Adressen ich demnächst meine kommunalen Abgaben latzen werde. Dortmund wird sich dank völlig vertrottelter Ratsmitglieder wohl Kürze der Erpressung der UEFA beugen und ohne jegliche Idee von den konkreten Kosten, die die Stadt zu tragen hätte, für die Fußball-EM 2024 bewerben. Danach dann nochmal Um-/Neubau für Olympia, endgültig Schluss mit den kläglichen RWE-Dividenden und das wars dann mit einem heute noch so grad eben funktionierenden Gemeinwesen. R.i.p. Bierstadt…

Walter Stach
Walter Stach
7 Jahre zuvor

Ich bin mir sicher, daß es bei einem förmlichen, ruhrgebietsweiten Bürgerentscheid keine mehrheitliche Zustimmung zu olympischen Spielen im Revier geben wird, falls "man" den nicht verhindern wird ( die kommunale/regionale Politik mit Unterstützung "diverser regionaler Medien" -und mit Unterstützung der Landesregierung NRW?-). An dieser meiner Meinung ändert das zitierte Umfrageergebnis seitens der WAZ nichts.

Meine Prognose setzt voraus, daß a.) den Bürger die Kosten der Spiele und damit die Belastung der öffentlichen Haushalte einigermaßen verlässlich bekannt gemacht werden und daß b.) den Bürgern klar wird, klar gemacht werden kann, daß – mW.- nirgendwo auf der Welt olympische Spiele dazu geführt haben, daß die Infrakstrukur – vor allem in den Bereichen Verkehr, Wohnungsangebote- so "nachhaltig" verändert werden konnte, daß jedermann in der betr. Stadt/dem betr.Stadtquartier/der Region-davon nach dem Spielen profitieren konnte.

Allein mit der Feststellung, durch die Spiele könnte in besonderem Maße für das Ruhrgebiet weltweit "geworben werden", wir man die Menschen im Revier von der Sinnhaftigkeit olympischer Spiele im Revier nicht überzeugen können. Werben für was? Für die Neuansiedlung von…….?? Für den Zuzug kreativer Menschen -Wissenschaftler, Neugründer in den Bereichen……??- Das funktioniert erfahrungsgemäß so nicht.

Das gilt auch für die Feststellung, Spiele im Revier würden so viele Konsumenten ins Revier locken, daß davon Handel und Gewerbe, Kunst/Kultur/Kommerz so gewaltig profitieren, daß nicht nur ein kurz-, sondern ein mittelfristiger Nutzen für sie (und für die Beschäftigten) entstehen würde. Auch das funktioniert erfahrungsgemäß so nicht.

Kurzfristiger Boom für all diejenigen , die als Unternehmen (nebst ihren Beschäftigten) an den investiven Großprojekten "verdienen" werden? Ja, aber auch ein solch kurzfristiger Erfolg -finanziert vom Steuerzahler- wird -m.E.- die Bürgerschaft, mithin den Steuerzahler- nicht überzeugen, zu olympischen Spielen im Revier Ja zu sagen. Dringend notwendige "Großinvestitionen" im Revier -z.B. im Bereich des ÖPNV- bedürfen nicht zwingend olympischer Spiele, allerdings kann man sie ge-/mißbrauchen, um sie mit der Notwendigkeit solcher Großinvestitionen zu begründen.

Zusammengefaßt:
Ich kann nicht erkennen, daß im Gegensatz zu den Bemühungen in der Vergangenheit sich die Fakten zu Gunsten olympischer Spiele im Revier so gravierend verändet haben, daß "man" eine realistische Chance haben könnte, die Spiele "ins Revier zu holen, und zwar a.)bezogen auf den Willen der "Mehrheitsgesellschaft" im Revier und b.) bezogen auf den Wettbewerb mit Weltstädten.
PS
Bekanntlich werden olympische Spiele nie an eine Region vergeben, sondern immer nur an eine Stadt; u.a. kam deshalb seinerzeit Düsseldorf ins Spiel. Und demnächst….."Essen/Dortmund oder wer?)

Zu registrieren habe ich, daß allein die veröffentlichte und diskutierte Idee, olympische Spiele "ins Revier" zu locken, dazu führen kann, daß man sich deutschlandweit -weltweit?- über einen längeren Zeitraum mit dem Revier befassen wird -daß "wir" im Revier wieder einmal intensiv "im Gespräch sein werden, wobei allerdings zu bedenken ist, daß dann nicht nur über unsere positiven, sondern eben auch über unsere schlechten Seiten zu reden wäre.
Das mag man wollen und das kann ich nachvollziehen.

Zu registrieren habe ich zudem, daß sich mit der Konzeption dieser Idee und mit ihrer Vermarktung viel Geld verdienen läßt über diverse Zuwendungen/Zuschüsse aus öffentlichen und privaten Händen. Das kann "man" wollen dürfen und das kann ich nachvollziehen.

Zu registrieren habe ich ferner, daß sich das Thema eignet, sich als Politiker in der Kommune, im Revier -im Land?- öffentlichkeitwirksam in Erinnerung zu bringen -so oder so-. Und allein das mag den einen oder anderen Politiker reichen, das Thema "begierig" aufzugreifen. Das kann ich ebenfalls nachvollziehen. U.a.deshalb, weil dieser "große Wurf" helfen könnte, zumindest vorübergehend von all den Problemen abzulenken, die dringend, die kurzfristig in allen Kommunen Reviers -graduell unterschiedlich- zu lösen sind.

Dass man zu alldem, was ich angemerkt habe, Gegenteiliges wohlbegründet vorbringen kann, versteht sich .Das schließt meine einleitend formulierte Prognose über das Ergebnis eines revierweiten Bürgerentscheides mit ein und das schließt ein, daß ich mich des Vorwurfes stellen muß, daß es mir an der notwendigen Risikobereitschaft fehlt, wenn es um den "großen Wurf" für das Ruhrgebiet geht.
Über diese Meinungsbekundung hinaus werde ich mich an dem zu erwartenden Spektakel einer öffentlichen Debatte pro/contra olympische Spiele im Revier nicht beteiligen -wäre so oder so vergebliche "Liebesmüh".
Stefan Laurin,
Du und Deine Ruhrbarone werden in dem zu erwartenden Spektakel ganz sicher fähig und willens sein, ihre kritische Stimme einzubringen , und die kann durchaus Wirkung haben -beginnend mit dem heutigen Kommentar.

Yilmaz
Yilmaz
7 Jahre zuvor

Immernoch besser als eine Fussball-WM in Katar…

Thomas Weigle
Thomas Weigle
7 Jahre zuvor

@ Yilmaz Das ist wohl wahr.

ke
ke
7 Jahre zuvor

Natürlich ist die Powerpoint-Phase mit viel Sekt und wenig Inhalt für viele Ideenschmieden etc. sehr interessant.
Nur sollte man das Steuergeld besser verwenden. Die Politik sollte sich auf machbare Ziele konzentrieren.
– Der RRX war zur WM 2006 angekündigt, die Züge sind immer noch voll.
– Dortmunder Hbf und Duisburger Hbf haben immer noch einen katastrophalen Zustand
– Die Strassen sind in einem Stauzustand. Riesige Baustellungen mit Absperrungen, ohne dass je ein Bauarbeiter gesehen wird.
– Die Vermarktung der Industriebrachen wird zum lokalen Wirtschaftsförderungserfolg, ohne dass man merkt, was in anderen Bereichen der Welt in 30 Jahren (Do-Nord) passiert ist.

Wer Olympische Spiele politisch fördert, wird untergehen.
Es gibt genügend andere Ereignisse, die Medienaufmerksamkeit erzielen.

Aktuell zeigt bspw. das Fernsehen einen Super Imagefilm über die Region Rund um Düsseldorf. Selbst Stadtkirchen, an denen man sonst täglich vorbeifährt, werden der Öffentlichkeit als Highlight gezeigt.

Konzentriert endlich die Kräfte auf das Machbare. Eine funktionsfähige Rheinbrücke im Norden Kölns wäre so ein Beispiel. Unsere Vorfahren haben doch nach dem Krieg gezeigt, dass man auch in kurzer Zeit etwas erreichen kann. Und das oft mit einfachsten Mitteln.

Insgesamt sehe ich die Situation im Revier nicht so negativ wie der Autor. "Woanders ist auch Sch…." und unsere Event-/Sportlandschaft ist für eine Metropole wohl einzigartig.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
7 Jahre zuvor

Die Tatsache, dass das IOC unter dem Bach ( Würden Sie von dem ein gebrauchtes Auto kaufen? Ich nicht!!) die Fernsehrechte für die demnächstigen Spiele an Privatsender verhökert hat, wird gewiss nicht die Zustimmung zu OS in Deutschland, wo auch immer, signifikant erhöhen. Die Idee von OS in Deutschland ist zur Zeit eher wie der Versuch ein totes Pferd reiten. Allerdings scheint dies noch nicht in allen (NRW)Köpfen angekommen zu sein.

ke
ke
7 Jahre zuvor

"Tote Pferde reiten" ist doch in NRW -insbesondere im Ruhrgebiet- Kernkompetenz.

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