Die Gas-Leitung nach Asien kommt

Foto: Nabucco

Vor ein paar Tagen war ich in Berlin. Da saß ein Mann aus Turkmenistan in der RWE-Repräsentanz. Um ihn herum, der offizielle Trubel. Spitzenpolitikern von SPD und CDU, führende Managern aus der deutschen Energiebranche und die üblichen Verdächtigen. Der Gast aus Turkmenistan trank Weißwein. Wie sich später herausstellte, war er Diplomat. Er sagte, sein Land werde RWE so viel Gas liefern, wie gewünscht wird. Schon jetzt habe Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow den Männern aus Essen erlaubt, eigene Gasfelder im kaspischen Meer aufzuschließen und anschließend auszubeuten. Der Gast sagte, sein Land wolle sich nach Westen orientieren. Entsprechende Rahmenverträge seien unterschrieben, versichern später RWE-Manager. Den Namen des Gastes aus Turkmenistan will ich lieber nicht nennen. Das Land ist eine Diktatur. Und Diplomaten dürfen da nicht frei reden. Ich will ja nicht, dass der Gast im Gulag verschwindet.

Mit der Zusicherung der Turkmenen genügend Gas für die Nabucco-Pipeline zu liefern, steht das Projekt zum Bau der 3300 km langen Leitung vor dem Durchbruch. In diesen Tagen werden die Regierungsvereinbarungen zwischen allen beteiligten Transit-Ländern endverhandelt, versichern mehrere an den Verfahren beteiligte Personen. Innerhalb der nächsten Wochen sei mit einer Unterzeichnung der Dokumente in Ankara zu rechnen, sagte der Politikchef von RWE Supply and Trading, Neil McMillan. Damit würde der Weg frei für eines der ehrgeizigsten Vorhaben der Europäischen Union der vergangenen Jahre. Der Bau soll bereits 2011 beginnen.

Mit der Nabucco-Pipeline soll vor allem die Versorgung Südeuropas und Deutschlands breiter aufgestellt werden, um die Abhängigkeit von Russland und der Ukraine zu verringern. Die EU greift für das Projekt tief in die Tasche. Über verschiedene Förderbanken und öffentliche Geldtöpfe fließen insgesamt knapp 3,8 Mrd Euro in die Pipeline – nahezu die Hälfte der gesamten Investitionssumme. Das öffentliche Geld wird dringend gebraucht, um das Projekt zu realisieren. Denn mitten in der Finanzkrise sind die Banken vorsichtig geworden. Und Transitländer wie Ungarn oder Bulgarien sind mit ihren Energieversorgern keine beliebten Kreditnehmer. Alleine die Europäische Investitionsbank will deshalb einen Kredit über 2,5 Mrd Euro bereitstellen. Dazu kommt ein Milliarden-Kredit über die Europäische Bank für Wiederaufbau sowie ein direkter Zuschuss in dreistelliger Millionen-Höhe aus dem Konjunkturprogramm der EU.

Tatsächlich unterstützt die europäische Politik das Projekt nach Kräften. EU-Kommissar Andris Piebalgs wirbt auf ausgedehnten Reisen durch Europa und Asien um Zustimmung. Sowohl die Union als auch die Einzelländer haben sich bereit erklärt, für Nabucco Ausnahmen aus der staatlichen Regulierung zu machen. Nur 50 Prozent der Lieferkapazitäten sollen offen ausgeschrieben werden, den Rest dürfen die sechs Partner des Baukonsortiums um RWE und den österreichischen Versorger OMV frei unter sich aufteilen. Erst vor wenigen Tagen war der Leiter der Energiepolitischen Abteilung aus dem Bundeswirtschaftsministerium, Detlef Dauke in Azerbaijan, um in dem kaspischen Land für die Zusammenarbeit zu werben. Dauke versprach den Azeris: “Dieses Projekt wird eine neue Phase in der Europäischen Wirtschaftsgeschichte eröffnen und ist die Basis für die weitere Kooperation unserer Länder.“ Der Präsident Azerbaijans, Ilham Alijev, garantiert mehr als sieben Mrd Kubikmeter Gas für die Nabucco-Pipeline im Jahr.

Selbst mit der Türkei zeichnet sich eine schnelle Lösung der Probleme ab. Bislang wollten die Türken 15 Prozent des Gases, das durch die Nabucco nach Westen fließt, für den eigenen Bedarf abzweigen. Damit sollte die Abhängigkeit von Russland reduziert werden. Nun heißt es, eine türkische Ländergesellschaft soll den Handel im Land abwickeln und so den türkischen Staat in das Projekt einbinden, samt Steuerzahlungen und dem direkten Zugriff auf die Ressourcen, berichten Verhandlungsteilnehmer. Im Gegenzug würden die Türken ihre Forderung auf Garantiebezüge fallenlassen.

Erst eine Explosion in Turkmenistan brachte den Durchbruch in den Pipelinen-Verhandlungen. Der turkmenische Gast in der Berliner RWE-Repräsentanz berichtet davon, warum sein Land unbedingt Gas nach Europa verkaufen will. Turkmenistan hat die größten Reserven in der Region und könnte die Nabucco alleine befüllen. Die Geschichte des RWE-Gastes beginnt im April. Im Aufschwung der vergangenen Jahre hatten die Russen langfristige Festpreis-Verträge über Gasimporte aus Turkmenistan unterzeichnet. Da aber die Preise für den Weiterverkauf in den Westen mit den Ölpreisen seit Beginn der Wirtschaftskrise stark fielen, versuchten die Russen neu zu verhandeln. Sie wollten die Tarife drücken. Als das nicht klappte, kündigte der russische Staatskonzern Gazprom am 7. April den Stopp der Importe aus Turkmenistan innerhalb von 24 Stunden an – offiziell um Wartungsarbeiten durchzuführen. Die Turkmenen waren nicht in der Lage die Lieferungen schnell genug herunterzufahren. Nachdem die Pipeline gesperrt waren, explodierte eine Leitung im Abschnitt Dowletabat-Derjalyk. Die Exporte aus Turkmenistan wurden danach auf unbestimmte Zeit eingestellt. Ein Schock für die Turkmenen, wie ihn die Europäer nach dem russisch-ukrainischen Gaststreit erleben mussten. „Wir vertrauen den Russen nicht mehr“, sagte der turkmenische Gast. „Wir wollen lieber direkt nach Europa liefern.“

Die Turkmenen sind nicht die einzigen Lieferanten, die bereit stehen. Der österreichische Energieversorger OMV hat mit dem Irak ein Lieferabkommen geschlossen. Demnach sollen Felder im kurdischen Autonomiegebiet entwickelt werden. Fast sechs Mrd Euro wollen die Österreicher zusammen mit Partnern investieren, um über die Nabucco bis zu drei Mrd Kubikmeter Gas im Jahr nach Westen zu schicken. Die Türken zeigen sich bereit, den Anschluss Kurdistans an die Nabucco zu akzeptieren. Da das Geschäft über die Irakische Regierung abgewickelt werde, müssten die Kurden nicht de facto als Staatsmacht anerkannt werden, heißt es.

Selbst mit dem Iran rechnen die Planer der Nabucco-Pipeline mittelfristig. Der iranische Ölminister Gholam-Hossein Nozari besuchte vor wenigen Wochen Deutschland, um hier über eine Beteiligung an der Nabucco zu sprechen. Wie Vertraute berichten, wird daran gedacht, iranische Felder über Syrien und Irak anzubinden. Selbst über die Türkei sehen die Planungen bereits jetzt einen Anschluss des Iran an das Europäisch-Asiatische Leitungsnetz vor. Noch ist eine Öffnung des Vorhabens für den Iran politisch nicht durchsetzbar. Die USA und Europa treten gemeinsam für strikte Sanktionen ein, um das iranische Atomprogramm zu verhindern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll RWE-Managern sogar gedroht haben, das Nabucco-Projekt scheitern zu lassen, falls Gespräche mit dem Iran bekannt werden sollten.

Doch ungeachtet dieses Druckes ist zumindest ein deutscher Gasversorger schon vor Ort. Der Regionalversorger Bayerngas hat ein Büro in Teheran eröffnet, um über Energiegeschäfte zu verhandeln. Das Unternehmen gehörte früher zum E.on Konzern und war mit Ruhrgas eng verbunden, heute ist es im Besitz süddeutscher Kommunen. Ein Bayerngas-Sprecher sagte: „Die Ressourcen des Iran sind attraktiv.“ Sollte sich der politische Wind im Land tatsächlich drehen, könnte es sinnvoll sein, den Iran über Gaslieferungen wieder in die Weltwirtschaft einzubinden. „Die Russen haben im kalten Krieg ja auch Gas nach Deutschland geliefert.“

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