Heute haben Vertreter zahlreicher Kulturinstitutionen die „Erklärung der Vielen“ veröffentlicht. Sie wenden sich gegen den zunehmenden Einfluss rechter Gruppen. Das Gendersternchen wurde natürlich nicht vergessen, dafür kommen allerdings am 80. Jahrestag der Novemberprogrome weder die Begriffe „Jude“ noch „Antisemitismus“ in dem Text vor. Kein Wunder, dass Ruhrtriennale-Macherin Stefanie Carp die Erklärung mit glühender Begeisterung unterstützt:
NRW-Erklärung der Vielen
Kunst schafft einen Raum zur Veränderung der Welt
Als Kulturschaffende in Deutschland stehen wir nicht über den Dingen, sondern auf einem Boden, von dem aus die größten Staatsverbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden. In diesem Land wurde schon einmal Kunst als entartet diffamiert und Kulturflächendeckend zu Propagandazwecken missbraucht. Millionen Menschen wurden ermordet oder gingen ins Exil, unter ihnen auch viele Kunstschaffende. Heute begreifen wir die Kunst- und Kultureinrichtungen als offene Räume, die Vielen gehören. Unsere Gesellschaft ist eine plurale Versammlung. Viele unterschiedliche Interessen treffen aufeinander und finden sich so im Dazwischen.
Demokratie muss täglich neu verhandelt werden – aber immer unter einer Voraussetzung: Es geht um Alle, um jede*n Einzelne*n als Wesen der vielen Möglichkeiten! Der rechte Populismus, der die Kultureinrichtungen als Akteur*innen dieser gesellschaftlichen Vision angreift, steht der Kunst der Vielen feindselig gegenüber. Rechte Gruppierungen und Parteien stören Veranstaltungen, wollen in Spielpläne eingreifen, polemisieren gegen die Freiheit der Kunst und arbeiten an einer Renationalisierung der Kultur.
Ihr verächtlicher Umgang mit Menschen auf der Flucht, mit engagierten Kulturschaffenden, mit allen Andersdenkenden verrät, wie sie mit der Gesellschaft umzugehen gedenken, sobald sich die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten verändern würden. Wir als Unterzeichnende der NRW Kunst- und Kultureinrichtungen, ihrer Interessensverbände und freien Kunst und Kulturschaffenden begegnen diesen Versuchen mit einer klaren Haltung:
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- Die unterzeichnenden Kunst- und Kulturinstitutionen führen den offenen, aufklärenden, kritischen Dialog über rechte Strategien. Sie gestalten diesen Dialog mit Mitwirkenden und dem Publikum in der Überzeugung, dass die beteiligten Häuser den Auftrag haben, unsere Gesellschaft als eine demokratische fortzuentwickeln.
- Alle Unterzeichnenden bieten kein Podium für völkisch-nationalistische Propaganda. •
- Wir wehren die illegitimen Versuche der Rechtsnationalen ab, Kulturveranstaltungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
- Wir verbinden uns solidarisch mit Menschen, die durch eine rechtsextreme Politik immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Rassismus ist Alltag. Rechtsextremismus ist ein Symptom davon.
Dieses Bündnis will nicht nur Symptome bekämpfen, sondern in die Tiefe wirken. Wir setzen uns deswegen mit den eigenen Strukturen auseinander und stellen diese zur Verhandlung. Wir müssen die Kunst- und Kulturräume sowie unsere Gesellschaft öffnen, damit wir wirklich Viele werden! Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle.
Mit der Erklärung wollen DIE VIELEN NRW den Zusammenhalt in Kunst und Kultur als Teil der Zivilgesellschaft gegen rechtspopulistische sowie völkisch-nationale Strömungen deutlich artikulieren. Die Kunst- und Kulturschaffenden setzen mit dieser Erklärung ein gesellschaftspolitisches Signal, das in unsere tägliche Praxis eingreift. Wir zeigen gemeinsam, NRW und bundesweit, Haltung für Toleranz, Vielfalt und Respekt. Erklärung der Vielen NRW – Selbstverpflichtung
1. Als Unterzeichner*innen sind Kultureinrichtungen, Kunstinstitutionen, ihre Interessensvertretungen oder Verbände sowie freie Kunst- und Kulturschaffende angefragt.
2. Mit ihrer Unterschrift erklären sich die Unterzeichnenden bereit, den Text der Erklärung innerhalb der eigenen Organisation bzw. des eigenen Arbeitsumfeldes unter bspw. Mitarbeiter*innen, Ensemblemitgliedern, Kurator*innen, Publikum und Besucher*innen bekannt zu machen und darüber ins Gespräch zu kommen.
3. Die Erklärung wird auf der Internetseite, im Programmheft, als Aushang im Foyer uvm. veröffentlicht.
4. Die Unterzeichnenden werden auf der Homepage www.dievielen.de sichtbar gemacht. Eine Verlinkung ist gewünscht.
5. Die golden–glitzernde Rettungsdecke, das Symbol der Vielen, soll je nach Corporate Design der Einrichtung Anwendung im Zusammenhang mit der Erklärung finden – ob als Fahne, Layout-Hintergrund, als Icon oder golden-glänzend hinterlegte Schrift (Tool-Kit wird bereitgestellt).
6. Die Unterzeichnenden bereiten Informationsveranstaltungen, Gespräche und Aktivitäten im Sinne der vier Handlungsebenen der Erklärung vor, die Termine werden gemeinsam über www.dievielen.de kommuniziert.
7. Im Rahmen der eigenen Pressearbeit und einer zentralen Pressekonferenz werden die Erklärung und die Kampagne mit Stichtag zum 9. November veröffentlicht. Aktionen zum Kampagnenstart wie das Hissen der goldenen Rettungsdecken an den Kulturorten, erste Informationsveranstaltungen, Lesungen uvm. werden selbstständig realisiert und gemeinsam koordiniert.
8. Die Kampagne zur Erklärung der Vielen hat einen regionalen Charakter und wird über regionale Zusammenschlüsse von Kulturschaffenden als „Berliner, Hamburger, Dresdner, NRW uvm. Erklärung der Vielen“ bundesweit verbreitet.
9. Die Unterzeichnenden bleiben durch regelmäßige Treffen im Austausch miteinander. Sie verpflichten sich außerdem zu einer kritischen Überprüfung der Ausschlussmechanismen im eigenen Arbeitsumfeld sowie im Zusammenschluss der Vielen NRW.
10. Die Unterzeichnenden beteiligen sich aktiv an einer bundesweiten Kampagne mit Aktionstagen, Dialogforen und der Mobilisierung zu einer „Glänzenden Demonstration der Kunst und Kultur – Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“ in Berlin zum Mai 2019 (voraussichtlich Samstag, den 18. Mai 2019).
11. Die Unterzeichnenden verpflichten sich zu gegenseitiger Solidarität mit Kultureinrichtungen und Akteur*innen der Künste, die durch Hetze und Schmähungen unter Druck gesetzt werden.
Problematisch ist das Selbstverständnis von Kultur, das hier durchschlägt, sie wird ausschließlich als passiv behauptet: Kultur "wurde diffamiert" und "wurde missbraucht", Künstler (hier: "Kunstschaffende", ein unangenehmer Begriff) "wurden ermordet" oder "gingen ins Exil". Tatsächlich sind die "Kunstschaffenden" reihenweise in die "Reichskulturkammern" marschiert, eigentlich weiß man das doch. Keine Kulturinstitution musste erobert werden, alle haben sie ihre Hakenkreuzflaggen freiwillig gehisst, überall gab es eine begeisterte Mehrheit.
Diese Erinnerung daran, wie bereitwillig die hohe Kultur den Nazis zu Füßen gefallen ist, wäre eine, die zum heutigen Tag passte, sie taucht hier mit keinem Gedanken auf. Fatal ist solch pauschale Selbstentschuldigung, weil sie mühelos andauern wird, wenn's darauf ankommt: Künstler? Können doch gar nicht rassistisch sein oder antisemitisch oder reaktionär oder populistisch, eben weil sie Künstler*innen sind. Für diesen Effekt gibt es ja längst unangenehme Belege.
"Es geht um Alle, um jede*n Einzelne*n als Wesen der vielen Möglichkeiten! "
Geht es auch um die , die Gendersternchen nicht mögen oder ist man dann sofort Rechts und gehört nicht zu "Alle". Alle sind hier wohl nur die, die auch die Meinung von Alle vertreten.
Die Krönung ist:
" als „Berliner, Hamburger, Dresdner, NRW uvm. Erklärung der Vielen“ "
Haben wir in NRW keine Städte? Ist Dresden so besonders?
Eine Erklärung für Alle sollte auch eine allgemein verständliche Sprache verwenden und nicht die Kultur-Förderantrag-Bingo-Sprache aus der "Kultur-Echo-Kammer" verwenden.
Daß die Berliner etc. nicht "gegendert" wurden zeigt, daß die Unterzeichner (!) selbst nicht an den Sternchenquatsch glauben. Zudem würde mich einmal interessieren, wie sich diese Unterzeichnenden selbst nennen, nachdem sie ihre Unterschrift geleistet haben …
@ 2 / 3 : Das Sternchen an sich ist nicht das Problem, denke ich, sondern zu glauben, dass Vielfalt (mit oder ohne Sternchen) automatisch vor Rechtsextremismus, -populismus, -rassismus und vielleicht auch (ist ja nicht erwähnt) -antisemitismus schütze; siehe Alice Weidel. "Die Vielen" – das eben ist doch die historische Erfahrung, die sich am 9. Nov. verdichtet – standen am Straßenrand und haben applaudiert, als die Synagogen brannten.
Die ganze Aktion ist einfach fahrlässig gedacht.
@Thomas Wessel #1 Joseph Wulf: "Theater und Film im Dritten Reich", rororo 1966, sowie vier weitere umfangreiche Dokumentationsbände zu anderen Kunst-und Medienbereichen von diesem Autor bestätigen Ihre Aussage in einem Maße, wie man es sich schlimmer kaum vorstellen kann.
„Glänzenden Demonstration der Kunst und Kultur – Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“
Es gibt kaum eine privilegiertere und abgeschottetere Welt, als die der etablierten Kunst- und Kultureinrichtungen. Erst recht geht es dort weder beim Publikum, noch bei den Kritikern, noch bei den Machern jeden Geschlechtes um Alle, sondern um einen sehr, sehr kleinen Teil der Gesellschaft, der sich gegenseitig spiegelt und fördert.
Ein Manifest, das politisch sein will, mit Stichtag 9. November, und Antisemitismus mit keinem Wort erwähnt? Das verwechselt entweder Glitzerpony-Kitsch mit Kunst, oder es ist wirklich politisch gefährlich.
Geschichrsvergessen sind so viele, wenn nicht sogar die Mehrheit derer diejenigen, ob Künstler oder nicht, die gestern überall vor allem Möglichen warnten, v.a. vorm Antisemitismus. Nur nirgendwo habe ich gehört, dass die Spitzen dieses Staates im Bund und im Land Hessen einen sofortigen Entzug der Landerechte für jene Fluggesellschaft vom Golf gefordert haben, die im Herbst 17 einen israelischen Staatsbürger am Fraport vom Flug in den fernen Osten ausschloss. Heuchlerischer geht`s kaum. Wie man mit diesem Antisemitismus umgeht, hat die Frankfurter Eintracht im Jänner 17 gezeigt, als man ihrem israelischen Kicker Tawatha kein Visum zum Besuch am Golf erteilte. Die Reaktion der SGE-Führung war eindeutig. "Dann kommen wir nicht!" Und Hastdunichtgesehen bekam auch der Israeli in Diensten der Eintracht ein Visum. Das ist die Sprache, die die muslimischen Herrscher am Golf und anderswo verstehen. Leider beherrschen die Spitzen von Politik und Wirtschaft hierzulande diese einfach zu erlernende Sprache nicht. Sie wollen sie auch nicht erlernen.
@8 T Weigle
"Dann kommen wir nicht!" . Dafür kommen dann andere. Die Verbände nehmen auch immer gerne die Sponsorengelder. Haltung ist Luxus, den können sich insbesondere die Spitzenclubs nichts leisten.
http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/diskriminierung-israelischer-athleten-wo-bleiben-die-konsequenzen-15552222.html
Dann haben wir das Problem mit dem Kontinentalverband:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelische_Fu%C3%9Fballnationalmannschaft
Sportsmanship ist anders.
Was für eine lächerliche und alberne Klugscheißerei von ein paar wenigen Miesepetern aus dem Ruhrgebiet gegen " dievielen".
Schaut Euch mal an, wer da alles unterzeichnet habt und denkt mal nach, ob Ihr schon mal was Ähnliches organisiert habt .
Das Problem mancher hier ist, dass auch sie selbst gemeint sind – siehe ruhrtriennale- deshalb das Gebelle.
@Thommy
"Haltung für Toleranz, Vielfalt und Respekt" wird dann gefordert, wenn es auch darum geht, sich kritisch mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen.
Hierfür helfen Argumente. Was ist an den Aussagen falsch? Warum sind sie selbst auch gemeint?
#11 Geschichtsvergessen sind solche wie die da von ihnen so hoch gelobten Künstler, die zu dem empörenden Vorgang schweigen, dass schon wieder Juden auf deutschen Boden selektiert werden, die Justiz das korrekt findet und die Politik dazu schweigt. Sonntagsrerden, oder entsprechende Erklärungen,auch wenn sie nicht sonntags gehalten und publiziert werden, sind nun mal so wie sind. Moralisch kostenfrei und eben wie in diesem Fall GESCHICHTSVERGESSEN. Wenn sie sich darunter einreihen, ihre Sache…
Intendantengehälter:
https://www.theapolis.de/de/news/show/intendantengehaelter?fbclid=IwAR15ID88YPB4v6uGpsb54_GjKNidinHdSXuHmVanhc3CqRdL8K8Jyvl8bFM