Die Hippies haben nicht gewonnen

Klimaaktivist auf einer Demonstration in Bochum

2012 veröffentlichte Michael Miersch das Buch „Die Hippies haben gewonnen“. Es war ein düsterer Ausblick auf die Zukunft. 

Wie wird die Ära einmal benannt werden, die wir gerade dabei sind zu verlassen? „Wer im Rokoko lebte, im Vormärz oder in der Belle Époque, der hatte keine Ahnung, dass seine Lebensspanne einmal so heißen würde“, schrieb Michael Miersch in seinem 2012 erschienenen Buch „Die Hippies haben gewonnen.“ „Die Epoche der Ängstlichkeit? Das Zeitalter der Selbstbeschränkung? Der Abschied von der Aufklärung? Neo-Romantik? Ökologismus? Vielleicht bleiben die künftigen Geschichtsbücher bei dem Begriff „Postmoderne“, der bereits seit den 80er Jahren geläufig ist.“

2012 begann der Wahnsinn an Geschwindigkeit zuzunehmen. Vieles, was bereits Jahre oder Jahrzehnte zuvor sichtbar war, setzte sich in dieser Zeit durch und errang die Hegemonie in einem Maß, das selbst Miersch 2012 nicht vorhersah: Eine radikale Energiewende, die zur Deindustrialisierung Deutschlands führt, sah er ebenso wenig voraus wie die vollständige Unterwerfung der Sozialdemokraten unter den anwachsenden Irrsinn. 2012, das war das Jahr, in dem die Sozialdemokraten im nordrhein-westfälischen Wahlkampf mit dem Slogan „SPD ist Currywurst“ warben und 39,1 Prozent der Stimmen holten.

SPD Werbung 2012

Natürlich war das schon damals gelogen, aber es kam an. Heute weiß die SPD, dass „Trans* Frauen“ Frauen sind. Ein sogenanntes Selbstbestimmungsgesetz, das jedem mit einem Federstrich einmal im Jahr erlaubt, sein Geschlecht zu ändern, feierten sie in den sozialen Medien.

Dass sich die heutigen SPD-Kommunikationsexperten in der Schule als Jusos lieber mit den Junggrünen zum Kiffen hinter der Turnhalle trafen, anstatt dem Biologieunterricht beizuwohnen, hat sich allerdings nicht ausgezahlt: Die SPD dümpelt im Bund bei 16 Prozent und liegt in den Umfragen in NRW bei 18 Prozent.

Migration spielte bei Miersch kaum eine Rolle. Die Grenzöffnung 2015 war noch drei Jahre entfernt, die AfD nicht einmal gegründet. Sie sollte in Folge von Merkels Migrationspolitik 2017 in den Bundestag einziehen und wuchs durch die Energie- und Wirtschaftspolitik der Ampel auf heute über 20 Prozent.

Dass Deutschland lustvoll seine Autoindustrie zerstören würde, ein ganzes Land einen hysterischen, schwedischen Teenager als Klimaapostel verehren und die Europäische Union mit Datenschutzgrundverordnung, KI Act und Green Deal die Vernichtung des Wohlstands zum obersten Ziel erkoren würde, war vor 13 Jahren unvorstellbar.

Mierschs Buch war düster, ein finsterer Ausblick auf die kommenden Jahre. Er hatte alle Tendenzen erkannt, die sie prägen sollten. Schon damals haderten Politiker mit dem Wachstum und wollten es überwinden. Sigmar Gabriel, zu dieser Zeit Vorsitzender der SPD, wusste: „So wie jetzt kann es jedenfalls nicht weitergehen. Das Ökosystem Erde ist längst aus dem Gleichgewicht geraten.“ Die Kanzlerin sah es auch so: „Ein Weiter so gibt es nicht.“ und der unlängst verstorbene ehemalige Bundespräsident Horst Köhler klang wie ein Waldorflehrer: „Wir müssen jetzt den Paradigmenwechsel hin zu einer Wirtschaftsweise einleiten, die unser Planet verkraftet und die letztlich auch mehr Sinn stiftet.“ Auch von Christ- und Sozialdemokraten wurde der Erfolg der Postwachstumstheorie vorbereitet. Was grünes Sektendenken war, bestimmte so zeitweise Mainstream. Dieses Denken legte die Grundlage für eine Politik, die Deutschland in eine Strukturkrise führte. Denn sie war eng verbunden mit der Ablehnung, gegen den Klimawandel mit neuen Technologien statt Wohlstandsverlusten zu reagieren. Der Mensch sollte für seine Klimasünden ohne jeden Ausweg leiden müssen. Wer sich für neue Technologien zur Bewältigung des Klimawandels aussprach, musste damit rechnen, als verrückt erklärt zu werden. „Machbarkeitswahn“ war das Wort, das alle Diskussionen beendete. Miersch beschreibt das in dem Buch ebenso zutreffend wie die Pathologisierung von Straftätern, die von den postmodernen Predigern erst einmal als Kranke dargestellt werden, die Menschen nur umbrachten, weil sie nicht gut genug betreut würden. So etwas war nach fast jedem der Mordanschläge der vergangenen Jahre so lange zu hören, bis die meisten Menschen im Land es nicht mehr ertrugen.

Michael Miersch Foto: Ellen Daniel Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ausführlich schildert Miersch schon 2012 den tief im Bewusstsein verankerten Antisemitismus, der sich, befeuert durch arabische Migranten, nach den Massakern der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 auch in Deutschland in einem Maß zutage trat, das viele lange für unvorstellbar gehalten haben.

Miersch beschreibt, wie der damals noch lebende und in Deutschland hochverehrte Literaturnobelpreisträger Günter Grass davon träumte, die Juden aus Israel zu vertreiben, damit es endlich Ruhe im Nahen Osten gäbe. „Solche und ähnlich wohlmeinende Empfehlungen zur Selbstaufgabe Israels werden zumeist mit den Worten eingeleitet, man dürfe ja nichts gegen Israel sagen, aber einmal müsse es sein.“

Die Ökohysterie gab es auch schon 2012, Miersch hatte sie bereits Jahre zuvor in seinen Büchern und Artikeln kritisiert und vergeblich einen rationalen Umgang mit den Umweltproblemen gefordert. Doch dass fanatische Untergangspropheten wie Fridays for Future, die „Letzte Generation“ und „Extinction Rebellion“ gegen Ende der Zehnerjahre die Agenda bestimmen und von vielen bewundert wurden, war auch für ihn nicht absehbar.

Klimademonstration 2019 Foto: Laurin

„Die Hippies haben gewonnen“ war mein erstes E-Book. Es erschien nicht auf Papier, ich las es am Computer, weil ich damals weder einen Kindle-Reader noch ein iPad besaß. Es war für mich ein dystopischer Ausblick auf eine Zukunft, von der ich hoffte, man könne sie noch abwenden. Doch ich ahnte, dass Michael Miersch recht haben würde. Meine Fantasie reichte nicht aus, um mir vorstellen zu können, dass es noch schlimmer kommen würde.

Heute blicke ich auf die von den postmodernen und postmaterialistischen Ideologien verwüsteten Landschaften. Der Ökohysterie und ihrem hässlichen Bruder, der Postwachstumsökonomie, ist es gelungen, die Wirtschaft in Deutschland auf den Weg der Deindustrialisierung zu führen. Die Technologiefeindschaft hat dazu geführt, dass das Land in Zukunftstechnologien wie Reaktortechnik, KI und Gentechnik und vielen anderen längst abgehängt ist.

Wokeness sorgte über Jahre dafür, dass Menschen sich beim Reden aus Angst immer stärker selbst kontrollierten. Nicht wenige Gastautoren auf diesem Blog, vor allem wenn sie an Hochschulen oder im öffentlichen Dienst ihr Geld verdienten, trauten sich nicht, unter ihrem Namen über Themen wie Transideologie zu schreiben. Sie hatten Angst um ihren Job.

Ganze Heerscharen von Betroffenheitsberatern wiederum konnten sich über vom Steuerzahler üppig finanzierte Stellen freuen und den Menschen in strengem Ton erklären, dass sie falsch reden, falsch denken, falsch essen, falsch lieben und falsch leben.

Documenta 15 Friedrichsplatz 2022-06-21 by C.Suthorn cc-by-sa-4.0

Aber auch wenn die Gegenwart noch trist ist, gibt es einen Grund zum Optimismus. Die Ära des Post-Wahnsinns liegt hinter uns. Ihre Protagonisten sind offensichtlich in allen Bereichen gescheitert. Die Ablehnung, die ihnen entgegenschlägt, wird von Tag zu Tag größer. Sie lernen nun auf bittere Weise, dass sie nicht immun sind, wenn die Wirtschaft in eine Krise gerät. Die von ihnen bewohnten Biotope im Kultur- und Wissenschaftsbereich werden jetzt durch Mittelkürzungen zerstört. Bald wird ein Hauen und Stechen um die knapper werdenden Ressourcen einsetzen. Wer mag, kann sich jetzt schon Popcorn besorgen. Es wird als Zuschauer bestimmt nicht langweilig.

Den Mitessern in den vielen mit Staatsknete versorgten NGOs wird es mittelfristig nicht besser ergehen. Bald wird niemand mehr einsehen, Öko-Lobbyisten mit Aufträgen und Förderungen durchzufüttern, deren Ratschläge die Menschen ärmer machen.

Die im vergangenen Herbst beschlossene Antisemitismusresolution des Bundestages wird Judenhass als Geschäftsmodell zerstören, denn am Markt ohne Chance werden die meisten von Antisemitismus beseelten Künstler sich andere Tätigkeiten suchen müssen, wenn die Subventionen ausbleiben. Auch hier gilt es, sich mit Popcorn einzudecken.

Langsam macht sich auch die Erkenntnis breit, dass der Preis für die Technologiefeindschaft hoch war. Schon gibt es eine Mehrheit für Kernenergie. Die Unternehmer, die sich vor wenigen Jahren noch mit nahezu lustvollem Opportunismus vor hysterischen Upperclasskids wie Greta Thunberg und ihrem deutschen Sidekick Luisa Neubauer im Staub wälzten, drängen auf Technologieoffenheit und Wachstum. Die grüne Narrenkappe haben sie längst in den Papierkorb geworfen.

Seitdem Neonazis und Kriminelle das Selbstbestimmungsgesetz für sich entdeckt haben und das Geschlecht so lässig wechseln, wie sie früher mit dem Baseballschläger auf andere einprügelten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses juristische Symbol des woken Wahnsinns geschliffen wird.

Wenn 2027 die gerade erst im Bundestag beschlossene drastische CO2-Preiserhöhung in Kraft tritt, die bei den Menschen hunderte Euro Mehrkosten im Monat verursachen wird, ohne dass sie dem ausweichen können, wird diese Form des Emissionshandels so aus der Zeit gefallen wirken und in ganz Europa so große Ängste vor Wohlstandsverlusten auslösen, dass sie nicht lange Bestand haben wird, wenn die Politik einen rechten Durchmarsch auf dem Kontinent verhindern will.

Nun beginnt die Zeit, darüber nachzudenken, wie wir leben wollen, wie wir unseren Wohlstand vergrößern und unsere Sicherheit stärken. Und das Ganze ohne ein paar aufgeblasene Nieten, die sich zu einer Elite erklärt haben, die sie nicht sind. Denn jeder Mechatroniker ist höher qualifiziert als ein Gender-Professor, jeder Ingenieur kreativer als ein auf der Bühne stammelnder Antisemit und ein Aktivist nichts anderes als ein Öffentlichkeitsarbeiter in eigener Sache auf der Suche nach Geld.

Wenn die Wirtschaftskrise etwas Gutes hat, dann das: Sie zwingt uns dazu, uns mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen und entlarvt die postmodernen und postmaterialistischen Schwätzer als das, was sie immer waren: Profiteure eines Wohlstands, den sie nicht geschaffen haben, aber vernichten wollten, und Nutznießer einer offenen, westlichen Gesellschaft, die sie immer verachteten.

Wir lassen eine Ära der Besessenheit hinter uns. Als sie 2021 ihren Höhepunkt erreicht hatte, ließ die wunderbare Julie Burchill ihr Buch „Welcome to the Woke Trials: How Identity Killed Progressive Politics“ mit einem Ausblick auf eine Zukunft enden, die nun begonnen hat: „Der menschliche Geist (ja, das alte Ding) könnte sich im letzten Augenblick erheben und wir aus unserer Schlafwandelei erwachen. Und dann werden wir denken: „Es war alles nur ein schrecklicher Traum“, während wir uns verwirrt umschauen, Fremde und gute Freunde, die – gemeinsam – auf einem Felsbrocken durch den Weltraum sausen.“

Zum Glück irrte Michael Miersch: Die Hippies haben nicht gewonnen.

 

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