
Trotz des der Partei innewohnenden Antisemitismus und den zahlreichen – meist folgenlosen – antisemitischen Äußerungen von AfD-Funktionsträgern versucht die AfD sich gerne als Kämpferin gegen Judenhass zu inszenieren. Von Deutschlands »einzig[em] große[n] Bollwerk gegen Antisemitismus« oder vom »Garant[…] jüdischen Lebens« in Deutschland ist von Seiten der Parteispitze dabei gerne die Rede. Von unserem Gastautor Stefan Dietl
Tatsächlich thematisiert die AfD Antisemitismus jedoch ausschließlich in externalisierter Form, also bei gesellschaftlichen Minderheiten oder im Zusammenhang mit Migration. Antisemitische Ressentiments und Stereotype in der Mehrheitsgesellschaft werden hingegen nicht angesprochen oder sogar geleugnet. Öffentlich positioniert sich die AfD immer dann gegen Judenhass, wenn sie dies mit dem Kampf gegen Einwanderung verbinden kann. So nutzte die AfD die antisemitischen Ausschreitungen und Demonstrationen in zahlreichen deutschen Städten nach dem islamistischen Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 zur rassistischen Agitation gegen jede Migration. Dabei zeichnet die AfD ein Bild, in dem Antisemitismus in erster Linie als Gefahr von außen präsentiert wird. Der »importierte Antisemitismus« und die »antisemitische Migration« brechen über eine scheinbar heile Welt des friedlichen christlich-jüdischen Zusammenlebens in Deutschland herein. In der Logik der AfD ist sie als einzige Kämpferin gegen »illegale Migration« und »Asylflut« zudem die einzige pro-jüdische Partei. Abschiebungen, Grenzschließungen oder der Abbau des Grundrechts auf Asyl werden so in der Propaganda der AfD zu den alleinig wirksamen Maßnahmen im Kampf gegen Judenhass. »Antisemitismus unter Migranten, die vor allem eine Externalisierung des eigenen Antisemitismus darstellt, da Judenfeindschaft ausschließlich auf ein Problem von Migranten reduziert und eigener Antisemitismus zugleich de-thematisiert wird, wird im Selbstbild der Partei als besondere anti-antisemitische Leistung dargestellt«, urteilt daher Lars Rensmann.
Entgegen der häufigen medialen Wahrnehmung als islamkritische Partei, lässt sich in der AfD jedoch kaum tatsächliche Kritik am Islam ausmachen – im Gegenteil gibt es zahlreiche Übereinstimmungen im reaktionären Denken islamischer Fundamentalisten und der AfD –, sondern vor allem rassistische Hetze. Für die AfD ist es weitgehend unerheblich, ob es sich um einen schutzsuchenden syrischen Christen oder um einen irakischen Moslem handelt – ihre Politik der rassistischen Ausgrenzung und Diskriminierung trifft beide gleichermaßen. Bestimmende programmatische Leitidee der AfD ist weder Religionskritik im Allgemeinen noch Kritik am Islam im Besonderen, sondern schlichter Rassismus. Wenig überraschend sucht man daher auch Stellungnahmen der AfD zum Tugendterror islamischer Regime oder zur klerikalfaschistischen Diktatur in Teheran zumeist vergebens. Ein Problem ist der Islam für die AfD nur dann, wenn er – in Gestalt von Migranten – nach Deutschland kommt.
Wie ernst die AfD die Bedürfnisse von Jüdinnen und Juden in Deutschland nimmt, wenn sie sich nicht mit Ressentiments gegen Geflüchtete verbinden lassen, zeigt nicht zuletzt ein Blick in die Wahlprogramme der Partei. Auf das Judentum Bezug genommen wird dort nur, um es gegen den Islam in Stellung zu bringen. Im Bundestagswahlprogramm heißt es im Abschnitt »Der Islam im Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung« zum Beispiel: »Minarett und Muezzin-Ruf stehen im Widerspruch zu einem toleranten Nebeneinander der Religionen, das die christlichen Kirchen, jüdischen Gemeinden und andere religiöse Gemeinschaften in der Moderne praktizieren.«
Eine Beschreibung, die angesichts der jahrhundertelangen christlich motivierten antijüdischen Pogrome und dem Massenmord an den europäischen Juden an Zynismus kaum zu überbieten ist. Zugleich wird im Wahlprogramm festgehalten: »Den Handel, die Bewerbung und die Einfuhr von Fleisch aus tierquälerischer Schlachtung (Schächten) lehnt die AfD ab.« In zahlreichen Landtagswahlprogrammen der AfD findet sich folgerichtig auch die Forderung nach einem Schächt-Verbot. Für religiöse Juden, die sich an die jüdischen Speisegesetze halten, wäre nach der Umsetzung dieser Forderung eine freie Religionsausübung nicht mehr möglich. Diverse jüdische Organisationen und Verbände kommen deshalb zum Schluss: »Juden dienen im Programm der AfD einzig und allein dazu, den antimuslimischen Ressentiments der Partei Ausdruck zu verleihen.«
Nicht überraschend ist daher, dass die jüdischen Verbände und Gemeinden in Deutschland sich gegen die Vereinnahmung der AfD zur Wehr setzen. Unzählige jüdische Gemeinden haben bereits Stellung gegen die AfD bezogen. Anlässlich der von großem medialen Wirbel begleiteten Gründung des Arbeitskreises Juden in der AfD (JAfD) beispielsweise, rief der Jüdische Studierendenverband zu einer Protestkundgebung gegen die Neugründung auf, und alle großen jüdischen Organisationen in Deutschland wandten sich in einer Stellungnahme unter dem Titel »Keine Alternative für Juden – Gemeinsame Erklärung gegen die AfD« an die Öffentlichkeit. Zu den Unterzeichnern gehörte der Zentralrat der Juden ebenso wie jüdische Sportverbände, die Rabbinerkonferenz oder der jüdische Frauenbund. »Wenn Juden auf die AfD als Garant für jüdisches Leben in Deutschland angewiesen wären, wäre es um das jüdische Leben hier schlecht bestellt. Die AfD ist eine Partei, in der Judenhass und die Relativierung bis zur Leugnung der Schoa ein Zuhause haben«, heißt es dort. Zugleich stellt sich die Erklärung gegen den Versuch der AfD, den Kampf gegen Antisemitismus zur rassistischen Hetze zu nutzen. »Die AfD agitiert unumwunden gegen Muslime und andere Minderheiten in Deutschland. Dabei versucht die AfD, ›die‹ Muslime als Feinde der westlichen Welt oder ›der‹ Juden darzustellen. Muslime sind nicht die Feinde der Juden! […] Wir lassen uns von der AfD nicht instrumentalisieren.« Das Fazit der unterzeichnenden Organisationen ist eindeutig: »Die Partei ist ein Fall für den Verfassungsschutz, keinesfalls aber für Juden in Deutschland.«
Auch zur Bundestagswahl 2021 positionierten sich alle relevanten jüdischen Organisationen in Deutschland – 60 an der Zahl – mit einer gemeinsamen Stellungnahme gegen die AfD. Die AfD sei eine Partei, in der »Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit ihren Nährboden finden«. AfD-Politiker hätten die Vernichtung der Juden während des Nationalsozialismus verharmlost, sie betrachteten Minderheiten als minderwertig und nähmen an Querdenken-Demos teil, wo Menschen »mit dem Tragen des sogenannten Gelben Sterns das erlittene Leid von Millionen Opfern der Schoa verhöhnen«, heißt es dort.
Während sich die AfD als pro-jüdisch präsentiert, attackiert sie Jüdinnen und Juden, die dieser Inszenierung widersprechen. Immer wieder geraten bekannte Vertreter des jüdischen Lebens in Deutschland wie Anetta Kahane, Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung, der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, oder der Pianist Igor Levit ins Visier ihrer Hetze. »Unter großer Zustimmung auf AfD-Foren und in den flankierenden Kommentarspalten der sozialen Medienkanäle werden Jüdinnen und Juden rekurrierend zur Zielscheibe, auch unter kaum oder gar nicht camoufliertem Rückgrifff auf antisemitische Stereotype und Bilder« so Lars Rensmann, der in seiner Studie »Die Mobilisierung des Ressentiments« auch die Angriffe der AfD auf prominente Jüdinnen und untersucht.
Als beispielsweise der Jurist, Publizist und ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, die AfD scharf kritisierte und ankündigte, das Land zu verlassen, sollte die AfD Teil der Bundesregierung werden, überschütteten Vertreter der AfD ihn mit Hass und Häme. Der damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann griff dabei auf klassische antisemitische Bildsprache zurück und postete auf Twitter ein Foto Friedmans mit dem Kommentar »Der ewige Friedman!«. Manche sahen die Auswanderung Friedmans sogar als Werbeargument für die AfD. Nachdem die AfD Thomas Kemmerich in Thüringen kurzzeitig zum Ministerpräsidenten kürte, verkündete der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Alternative und Pressesprecher der Partei im Europaparlament, Tomasz Froelich, auf Twitter triumphierend: »Die Auswanderung Michel Friedmans rückt näher«.
Eine besondere Rolle bei diesen zielgerichteten Kampagnen gegen jüdische Kritiker kommt dabei der 2018 gegründeten Kleinstgruppe Juden in der AfD zu. Obwohl der Zusammenschluss zu Spitzenzeiten gerade einmal 24 Mitglieder umfasste, gelang es ihm zeitweilig, eine enorme Öffentlichkeit zu erlangen. Adressat der JAfD-Gründung waren von Anfang an nicht die gerade einmal rund 225.000 jüdischen Menschen in Deutschland. Vielmehr sollte die Etablierung der Gruppierung die AfD vom Vorwurf des Antisemitismus befreien und die Partei in bürgerlich-konservativen Kreisen wählbarer machen. Bereits auf der Gründungsversammlung nannte ein Sprecher als wesentliches Ziel, dem Bild der AfD als antisemitische Partei entgegenzutreten. Eine weitere wichtige Funktion der JAfD beschreibt Jan Riebe, langjähriger Beobachter des Antisemitismus in der AfD: »Ein Klassiker des Antisemitismus ist, dass Organisationen Juden und Jüdinnen vorschicken, um andere Juden und Jüdinnen anzugreifen oder sie gar frei nach dem Motto ›wenn das von Jüdinnen und Juden gesagt wird kann es ja nicht antisemitisch sein!‹ zu instrumentalisieren. Das machen zum Beispiel die BDS-Kampagne oder der antisemitische Teil der Linkspartei so. Diese Rolle hat allem Anschein nach in der AfD die JAfD übernommen.«
Dementsprechend war es in der Vergangenheit häufig die JAfD, die den Auftakt zur Hetzjagd gegen jüdische Gegner der Partei machte. Die Gruppierung veröffentlichte eine Stellungnahme auf ihren Social-Media-Kanälen, andere AfD-Gliederungen teilten dann den Beitrag und sprangen auf den Zug der Hetze auf. So geschehen unter anderem bei der Attacke auf die Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München und ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch.
Die streitbare Münchnerin hat sich immer wieder deutlich gegen die AfD positioniert. Bei einer Rede im bayerischen Landtag anlässlich des Holocaust-Gedenktages 2019 kritisierte sie die AfD als verfassungsfeindlich, warf ihr vor, die demokratischen Werte verächtlich zu machen und enge Verbindungen in die extreme Rechte zu unterhalten. Ein Großteil der AfD-Fraktion verließ daraufhin aus Protest den Plenarsaal. Angeführt von der JAfD folgte ein organisierter Shitstorm von rechts gegen Charlotte Knobloch. In einer von zahlreichen AfD-Funktionären und Gliederungen geteilten Stellungnahme auf Facebook warf die JAfD Charlotte Knobloch vor, sie sei »[a]uf den unzähligen Gräbern der toten Juden im Namen der heutigen Mainstream Agenda herum[ge]trampelt«. Ausgerechnet die langjährige Vorsitzende der größten jüdischen Gemeinde in Deutschland habe »mit dem Judentum in Deutschland nichts, aber auch GAR NICHTS [sic!] gemeinsam!«. Knobloch habe zudem »die Politik der islamischen, islamistischen und islamofaschistischen Einwanderung durch die Regierungsparteien DIREKT [sic!] unterstützt«
Nach der Vorlage der JAfD meldeten sich auch Spitzenpolitiker der Partei zu Wort. »Muttis beste Freundin Charlotte Knobloch hat sich wirklich entblödet, im Bayerischen Landtag eine Gedenkveranstaltung für geschmacklose Parteipolitik zu missbrauchen. Wie tief muss man sinken?«, verkündete beispielsweise Alice Weidel auf Facebook. Im Anschluss war Charlotte Knobloch massiven Drohungen ausgesetzt. »Seitdem erreichen mich beinahe im Minutentakt wüste Beschimpfungen, Drohungen und Beleidigungen per E-Mail und Telefon«, so Knobloch gegenüber der Augsburger Allgemeinen Zeitung.
Doch nicht nur die Versuche, sich als Beschützerin jüdischen Lebens in Deutschland dazustellen, sind vor allem taktischer Natur, auch mit der angeblichen »Israelsolidarität« der AfD, die selbst von einigen kritischen Beobachtern für bare Münze genommen wird, ist es nicht weit her. Vor allem im Bundestag präsentiert sich die Partei gerne als engagierte Kämpferin gegen israelbezogenen Antisemitismus. Sei es, wenn sie im Parlament einen Antrag zum Verbot der Hisbollah einbringt, eine Verurteilung der Boykottbewegung BDS fordert oder von der Bundesregierung verlangt, sich innerhalb der EU für ein Ende der Zahlungen an das palästinensische Flüchtlingshilfswerk UNRWA einzusetzen. Dass diese offensiv nach außen getragene Israelsolidarität des christlich-fundamentalistischen Flügels der AfD vor allem auf einem antijüdischen Messianismus beruht und auch für die AfD – allen Lippenbekenntnissen zur Solidarität mit dem jüdischen Staat von Seiten der Parteispitze zum Trotz – häufig Israel die Projektionsfläche ihres Antisemitismus ist, wurde zuvor bereits ausführlich beschrieben. Jan Riebe kommt deshalb zum Schluss: »Die Interessenslage Israels ist nur von Bedeutung, wenn diese als kompatibel mit dem AfD-Weltbild angesehen wird.« Die AfD pflegt also ein rein instrumentelles Verhältnis zum jüdischen Staat, das zudem von einer vollkommen verzerrten Darstellung der israelischen Realität und Gesellschaft begleitet wird.
Statt als plurale, demokratische und offene Gesellschaft, in der arabische Israelis unabhängig von ihrer Religion dieselben staatsbürgerlichen Rechte genießen wie jüdische Israelis, in der allein in den Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion etwa eine Million Einwanderer in die israelische Gesellschaft integriert wurden und der es gelungen ist, trotz 75 Jahren des permanenten Kriegszustandes ihre demokratische Grundlage zu bewahren – ein Land, das also sicher nicht das Paradies auf Erden ist, das es im Rahmen der herrschenden Verhältnisse auch nicht geben kann, doch ein demokratischer und pluraler multiethnischer Staat –, wird Israel als »Bollwerk gegen den Vormarsch des Islam«, als »Verteidiger des Abendlandes« und als Bündnispartner gegen muslimische Einwanderung in Europa phantasiert. In der Realität sind etwa 25 Prozent der Israelis nicht jüdisch, knapp 17 Prozent – und damit prozentual dreimal so viele wie in Deutschland – sind muslimisch. Unter der jüdischen israelischen Bevölkerung sind 35 Prozent Einwanderer und deren direkte Nachkommen aus Europa und Nordamerika. Mehr als 25 Prozent jedoch aus Asien und Afrika, die meisten von ihnen aus arabischen und islamischen Ländern.
Die seltenen positiven Worte, die führende AfD-Politiker dann und wann für Israel finden, richten sich also nicht an den real existierenden jüdischen Staat, sondern an ein imaginiertes Wahnbild, das der eigenen rassistischen Agitation nützt. Scharf zurückgewiesen werden die Avancen der AfD übrigens vom jüdischen Staat selbst. In Israel hat man kein Interesse, sich vor den Karren der deutschen Rechten spannen zu lassen und setzt sich gegen die Versuche der Vereinnahmung zur Wehr. Als 2017 die AfD erstmals in den Bundestag einzog, reagierte das offizielle Israel bestürzt. Der damalige israelische Staatspräsident Reuven Rivlin forderte von Kanzlerin Merkel eine klare Haltung »[i]m Kampf gegen den neofaschistischen Trend, der in der ganzen Welt sein Haupt erhebt«. Diese antisemitischen und rassistischen Stimmen hätten weder auf deutschem Boden noch irgendwo anders Platz, so Rivlin. Jeremy Issacharofff, bis 2022 israelischer Botschafter in Deutschland, positionierte sich immer wieder gegen die AfD und lehnte jeden Kontakt mit Abgeordneten der Rechtspartei ab. »Mehrere Male hat ihr Führungspersonal Dinge gesagt, die ich als hochgradig beleidigend für Juden, für Israel und für das ganze Thema des Holocaust empfinde. […] Für mich ist es einfach nicht haltbar, Kontakte zu dieser Partei zu haben, die zumindest eine Nostalgie für die Nazi-Vergangenheit hat«, so der langjährige Botschafter und enge Vertraute Benjamin Netanjahus. Sämtliche Versuche von AfD-Parlamentariern, Kontakte nach Israel zu knüpfen, sind bisher gescheitert. Vertreter der israelischen Regierung lehnen es durchweg ab, sich mit der Rechtspartei zu treffen. Bei ihrer klaren Haltung scheut die israelische Regierung auch nicht vor Konsequenzen für die deutsch-israelischen Beziehungen zurück. So mussten bereits mehrmals parlamentarische Delegationsreisen abgesagt werden oder wurden in Israel nicht von offizieller Seite empfangen, da sich auch Abgeordnete der AfD unter den Teilnehmenden befanden. Wie die AfD damit umgeht, wenn der jüdische Staat ihre Avancen zurückweist, zeigen die Reaktionen der Partei, als eine Delegation des hessischen Landtags aufgrund der Teilnahme eines AfD-Parlamentariers von der israelischen Regierung nicht empfangen wurde. Stephan Brandner, stellvertretender Vorsitzender der Partei, die sich im Bundestag als Kämpferin gegen die Boykottkampagne BDS präsentiert, forderte aufgrund der israelischen Haltung gegenüber der AfD ausgerechnet einen Boykott Israels und israelischer Einrichtungen.
Letztlich lässt sich feststellen, dass die durchschaubare Inszenierung der AfD als »Garant jüdischen Lebens« und Unterstützerin des jüdischen Staates vor allem der Entlastung vom eigenen Antisemitismus dient. Die instrumentelle Positionierung gegen Antisemitismus passt gut ins Konzept, wenn damit gegen Migrant und Geflüchtete gehetzt werden kann, die Solidarität mit dem jüdischen Leben im Land endet jedoch sehr schnell, wenn es darum geht, die deutsche Geschichte vom millionenfachen Mord an den europäischen Juden reinzuwaschen oder wenn Verschwörungsideologen innerhalb der AfD zu erklären versuchen, warum sich aktuell so viele Menschen auf den Weg nach Europa machen und dabei »die Juden« als Schuldige identifizieren.
Während die angebliche Wandlung der Neuen Rechten im Verhältnis zum Antisemitismus inzwischen Stoff für lange wissenschaftliche Abhandlungen der unterschiedlichsten universitären Disziplinen bietet, bringt Charlotte Knobloch die Quintessenz des ideologischen Denkens der AfD prägnant und unmissverständlich auf den Punkt: »Es ist an Dreistigkeit und Verlogenheit kaum zu übertreffen, wie die AfD die berechtigten Sorgen jüdischer Menschen vor Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland für ihre Zwecke missbraucht. […] Sie [die AfD, S. D.] steht für Revisionismus, religionsfeindliche Konzepte, eine völkisch-nationalistische Vision, offen und folgenlos geäußerte rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Thesen, Geschichtsklitterei, Holocaustrelativierung oder gar -leugnung sowie offene Nähe zur Neonaziszene. […] Die AfD ist in dieser Form antimodern, antidemokratisch und freiheitsfeindlich. Sie ist ein [sic!] Schande für unser Land und für jüdische Menschen nicht wählbar!«
Der Text ist ein Auszug aus Stefan Dietls Buch: