Vor einigen Tagen wurde eine Debatte über die neue Urheberrechtsnovelle mit einem offenen Brief einiger Verleger angestoßen. Dass diesen Brief auch einige bekannte Autoren unterschrieben haben, zeugt nicht unbedingt für deren Weitblick, lediglich davon, dass sie sich offenbar gut vertreten fühlen, ob als Beck- oder Suhrkamp-Autor. In der sogenannten Buch-Kultur-Hierarchie, die an mittelalterliches Gehabe mahnt, gelten solche Autoren übrigens als schriftstellerischer Adel. Nun ist auch eine derbe Polemik von Andreas Rötzer hinzugekommen, als Gastbeitrag in der ZEIT-Online. Herr Rötzer führt den Verlag Matthes & Seitz.
Weshalb jedoch wenden sich Verlage und sogar einige bekannte Schriftsteller gegen die mit der Novelle vorbereitete rechtliche Stärkung von Urhebern? Ermöglicht werden soll den Autoren nach einer Frist von fünf Jahren neu zu verhandeln, gegebenenfalls den Verlag zu wechseln. Im offenen Brief wird vor allem eine nicht mehr mögliche Planbarkeit von Buchprojekten kritisiert, in der ZEIT-Polemik gerät sogar die Demokratie in Gefahr. Übertrumpfen ließe sich die geäußerte Panik wohl nur durch eine verlautete Götterdämmerung. Eine solche Dämmerung war im Mittelalter aber längst abgeschlossen. Sogar Uriel, das Licht Gottes, war kanonisch unakzeptabel geworden, obgleich er Kirchenvätern noch als heilig galt. Es herrschte Dunkelheit.
Wirtschaftlich betroffen sein könnten Investitionen in Druckwaren, deren Amortisierungen sich weit über fünf Jahre erstrecken. Die Stückkosten sinken mit der Höhe der Auflage. Deshalb kann es ein Vorzug sein, im Verlagsgeschäft langfristig zu planen. Vor überzogenen Erwartungen schützt das Rechenmodell jedoch nicht. Verlage sind auf ein gesellschaftliches Umfeld angewiesen, in diesem Fall auf einen Literaturbetrieb, der öffenlichkeitswirksam ist und die mittelalterlichen Hierarchien befördert. Dies waren bislang vor allem geschaffene Preisvergaben und die Feuilletons der Medien. Die etablierten Verlage fungierten im Literaturbetrieb als Gate Keeper. Was von ihnen nicht geadelt wurde, aus welchem Grund auch immer, blieb außen vor. Zu diesen Gründen konnte auch Unverständis zählen, ob aus Dummheit, mangelhafter Bildung oder beidem gleichermaßen. Die literaturgesellschaftliche Ordnung ist jedoch längst in Frage gestellt, nicht nur wegen der krisenhaften Lage der traditionellen Medien.
Um die Panik der Verlage begreifen zu können, ist diese Vorbemerkung zu beachten. Es gibt weitere Entwicklungen, die den tradionellen Verlagen und Autoren Sorgen bereiten, dazu gehört die sogenannte digitale Revolution, die besonders in Deutschland massiv verschleppt wird und den Investitionsbedarf in Auflagen stark verringern könnte. Doch die Veränderungen würden den gesamten Literaturbetrieb betreffen, bis hin zum Handel. Und kaum jemand ist vorbereitet.
Die Panik, die anlässlich der neuen Urheberrechtsnovelle aufgekommen ist, hat zeitnahe Vorläufer. Aus traditioneller Sichtweise gerät inzwischen die gesamte Arbeit an Büchern in Gefahr.
Übersehen wird erstens, dass die Möglichkeit zu Neuverhandlungen von Autoren nicht ergriffen werden muss, es handelt sich nicht um eine Vorschrift, die zu erfüllen wäre, z.B. wenn man als Autor zufrieden ist. Mehr als eine Möglichkeit wird rechtlich nicht geschaffen. Und zweitens wird durch die Fokussierung auf Investitionen das Anliegen von Autoren auf Geld gekürzt. Fragen nach einer Betreuung oder einem geeigneten Verlagsprogramm entfallen. Es gibt viel mehr Sachfragen, die für Autoren relevant sein könnten, als eine Frage nach Geld. Drittes ließe sich fragen, wie ernst Verlage Bücher überhaupt noch nehmen, die nur als akzeptabel gelten, wenn sie langfristig planbar sind. Mit Büchern Geld zu verdienen, muss keineswegs an erster Stelle stehen. Dieses Anliegen ließe zwar ein typisch bürgerliches Bedürfnis spüren, doch literarisch wäre dies völlig belanglos.
Ich kann lediglich dazu aufmuntern, sich erst einmal die Eurozeichen aus den Augen zu reiben, bevor man sich nach einem Trauma an die Öffentlichkeit wendet. Die relevanten Buchverlage machen sich durch ihre Aufschreie lächerlich und ziehen sogar Autoren mit ins Verderben, Autoren, die sie eigentlich schützen und fördern sollten, auch in ihrer Autonomie.