Die Verlängerung der Laufzeit der 17 Atommeiler in Deutschland schenkt den Versorgungsunternehmen und dem Bund Milliarden an zusätzlichen Profiten, für die der Steuerzahler teuer bezahlen müssen wird. Der Bund wird nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle zwar 30 Milliarden Euro als Gegenleistung dafür bekommen, dass die Kernkraftwerke im Durchschnitt 12 Jahre länger laufen dürfen, und kann damit kurzfristig seinen angespannten Haushalt entlasten.
Doch Studien aus Deutschland, den USA und von der internationalen Atomenergiebehörde zeigen, dass die Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke und die Aufbewahrung des Atommülls bereits ohne die Laufzeitverlängerung die 30 Milliarden Euro an Rückstellungen der Versorger dafür bei weitem übertreffen.
Durch die Laufzeitverlängerung gibt es neuen Müll, von dem Teile für mehrere tausend Jahre aufbewahrt werden müssen. Nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz sprechen wir von 4.400 Tonnen, die Dank der Atom-Vereinbarung zusätzlich entsorgt werden müssen. In der letzten Verantwortung steht dafür der Bund – und riskiert mit dieser Vereinbarung, dass er große Teile der Zusatzgewinne, für die Quelle eben dieses Geldes wieder ausgeben muss. Die Entsorgung wird am Ende der Bürger bezahlen müssen.
Rechtlich sind E.ON, RWE, die deutsche Tochter des schwedischen Versorgers Vattenfall und Energie Baden-Wuerttemberg für die Kosten für die Beseitigung der Atomenergie zuständig. Aber selbst wenn man die Kosten für die Aufbewahrung der 21,600 Tonnen hochradioaktiven Mülls ausschließt, sind deren Rückstellungen bereits weitgehend ausgeschöpft: Die Rückstellungen könnten gerade ausreichen, um die Kernkraftwerke rückzubauen, wie aus einer Studie der internationalen Atomenergiebehörde aus dem Jahr 1998 hervorgeht. Die Studie sieht die Kosten um ein Kernkraftwerk in Deutschland zu entsorgen bei 1.4 Milliarden US-Dollar, zum damaligen Kurs umgerechnet 1.2 Milliarden Euro. Dabei sind manche der Kernkraftwerke, die in Deutschland in Betrieb sind, fast viermal so groß wie das Kernkraftwerk, auf den sich die Studie bezieht, ein russischer Reaktor des Typs WWER 440. Sobald man dann die Kosten der Endlagersuche mit einbezieht, übersteigen die Kosten bereits die Rückstellungen. Das Bundesamt für Strahlenschutz gibt an, dass bisher 6.4 Milliarden Euro für die Suche in Gorleben, Morsleben und den Schacht Konrad ausgegeben wurden.
Obwohl hier der Schuh drückt, herrscht bei der Kostenfrage weiter Stillstand. Sie steht noch da, wo sie bereits vor 30 Jahren stand, als der Haushaltsauschuss des Parlaments der Vereinigten Staaten urteilte: „Die ungesicherten Kosten sind das wichtigste finanzielle Risiko im Programm zur Entsorgung des Atommülls.“ Weder Kenntnisse noch Erfahrungen scheinen zuzunehmen, sondern nur die Kosten: In einem Bericht für das Energieministerium der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 2008 wird geschätzt, dass es 38 Prozent teurer wird, wenn sich die Menge des hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Mülls um nur 25 Prozent erhöht.
Die Bundesregierung übergeht diesen Punkt in ihrem Energiekonzept elegant mit einem Satz: „Die Laufzeitverlängerung von durchschnittlich 12 Jahren führt nicht zu einer grundsätzlich veränderten Situation für die Endlagerung.“ Eine Ahnung, an wem Kostensteigerungen hängen bleiben, gibt aber die bisherige Praxis: Obwohl die Endlagersuche laut Gesetz zu überwiegendem Teil von der Versorgern bezahlt werden muss, haben sie von diesen Kosten bisher nur einen „Bruchteil“ getragen, wie das Bundesamt für Strahlenschutz bestätigt.
Wie ein Schatten liegt der Einfluss der Versorger auf dem Energiekonzept, das gleichzeitig dafür sorgt, dass diese eine feste Größe auf dem deutschen Strommarkt bleiben. Denn die Laufzeitverlängerung zementiert für weitere Jahrzehnte ihre Oligopolstellung unter den Elektrizitätsproduzenten, da sie mit ihren hochsubventionierten Atommeilern weiter konkurrenzlos günstig Strom anbieten können.
Die wegfallenden Kapazitäten der Atomkraftwerke wären ansonsten durch konkurrierende Kraftwerke von Stadtwerken, erneuerbaren Energien oder flexiblen Gaskraftwerken ersetzt worden, wie sowohl Stadtwerke als auch das Bundeskartellamt kritisieren. Die Entscheidung der Bundesregierung hat also Folgen für Jahrzehnte, die weit über vermeintlich billigen Atomstrom hinausreichen. Die Wettbewerbsstrukturen der Zukunft werden in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht zu Gunsten der großen Versorger festgelegt. Die Kosten dafür werden die Generationen tragen müssen, die heute noch kein Wort mitreden konnten.
Würde man jetzt alle KKW abschalten, so würden diese Kapazitäten tatsächlich an der Strombörse durch (An-)Gebote von anderen Kraftwerken gedeckt. Allerdings muss man fairerweise dazusagen, dass dann der derzeitige Börsenpreis für Strom (45-60 €/MWh, http://www.eex.de) steigen würde. Dieser Anstieg wäre vermutlich aber relativ moderat.
Was nicht stimmt, auch wenn es vielfach immer und immer wiederholt wird, ist die Vorstellung, dass „Atomstrom“ solchen aus erneuerbaren Energien „blockiert“. Das EEG schreibt ganz klar dem EE-Strom einen Vorrang zu. Deswegen werden auch bei einem Überangebot von Windstrom keine Windmühlen abgestellt (es sei denn, das Stromnetz gerät aus dem Gleichgewicht), sondern konventionelle Kraftwerke heruntergefahren. Und mein Nachbar kriegt trotzdem seine 39 c/kWh, wenn die Sonne schön auf sein Hausdach scheint.
Zum Thema kleinere Kraftwerke, die nicht zum Zuge kommen, könnte man im übrigen auch andersherum argumentieren: An der Börse fehlt auch eine ganze Menge Nachfrage, die nämlich per Gesetz durch Strom aus Erneuerbaren Energien gedeckt wird. In einigen Stunden werden bis zu 20 GW aus Wind- und Solarstrom gedeckt, dessen Erzeuger zwischen 100 und 410 €/MWh für die Einspeisung bekommen, und das 20 Jahre garantiert! (Siehe dazu ein Interview mit dem Präsidenten des Kartellamtes: https://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~E0F8607931F6F4BBCA4A94C49B20C31B6~ATpl~Ecommon~Scontent.html) Gäbe es die Zwangsabnahme des EEG-Stroms nicht, kämen auch die kleineren Gaskraftwerke von Stadtwerken etc. zum Zuge.
Es gibt derzeit einen Großhandelsmarkt für Strom, bei dem der Staat die Nachfrage künstlich reduziert hat (EEG) und gleichzeitig dafür gesorgt hat (Atomkompromiss), dass mittelfristig das derzeit bestehende Angebot so bleibt wie es ist.
Den letzten Satz des Artikels müsste man auch auf die ausufernde Wind- und Solarstrom-Planwirtschaft ausdehnen. Mehr als 20 Mrd. € Differenzkosten für Eneuerbare Energien seit 2001 sind eigentlich ein Armutszeugnis. Das ist dreimal so viel wie der Bund bisher für die Erkundung von Gorleben ausgegeben hat. Wenn das Endlagerproblem so wichtig ist, warum tut man daran nichts?