„Die Leute werden Maßnahmen gegen den Klimawandel nur unterstützen, wenn sie bereit sind, die wirtschaftlichen Folgen mitzutragen“

Axel Bojanowski Foto: Matthias Giordano


Axel Bojanowski ist Chefreporter Wissenschaft bei WELT. Er diplomierte in Klimaforschung und hat für zahlreiche renommierte Medien gearbeitet.  Sein Buch über den Klimastreit „Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten – der Klimawandel zwischen Lobbygruppen und Wissenschaft“ ist gerade erschienen.

Ruhrbarone: Sie sind als Journalist dafür bekannt, den Klimawandel ernst zu nehmen, allerdings ohne in Hysterie zu verfallen. Dies schlägt sich auch in ihrem Buch nieder.
Axel Bojanowski: Die meisten Bücher zum Thema Klimawandel beschwören entweder Katastrophismus-Szenarien oder stellen den Weltuntergang als eine Intrige linker Politiker dar, für die es keine naturwissenschaftlichen Beweise gibt. Beides ist falsch. Es gibt einen Klimawandel und ich zeichne in meinem Buch nach, wie er entdeckt wurde und wie sich die Klimaforschung in ihrer Geschichte entwickelt hat. Ich beschreibe aber auch, wie Trittbrettfahrer und Lobbyisten versuchen, das Thema auszuschlachten und vom Katastrophismus zu profitieren. Genau diese Katastrophenlobbyisten haben aber gar kein Interesse, das Problem zu lösen. Sie nutzen es, um politische Ziele zu verfolgen, die nichts mit dem Schutz des Klimas zu tun haben.

Ruhrbarone: Die Postwachstumsökonomie, eigentlich keine linke Theorie, stieg zusammen mit dem Klimakatastrophismus auf.
Bojanowski: Sozialdemokraten und Kommunisten waren immer für Wirtschaftswachstum, weil sie wollten, dass es auch Arbeitern und einfachen Angestellten besser geht. Die Klimabewegung hat, wie der Naturschutz, ihre Wurzeln ursprünglich in einem konservativen Milieu. In Organisationen wie dem World Wildlife Fund (WWF) schlossen sich in der Nachkriegszeit der europäische Hochadel und Milliardäre zusammen. Ihnen gefiel nicht, dass immer mehr Menschen auf einmal in die Länder reisten, in denen sie ihre Jagden veranstalteten oder mit dem Auto am Wochenende in der Nähe ihrer Landsitze auftauchten. Umweltschutz wurde als Heimatschutz gesehen. Umwelt- und Naturschutz waren lange konservative und rechte Themen. Nun wird Klimaschutz von eher linken Kreisen genutzt, um eine „große Transformation“ hin zu einer Gesellschaft, in der es kein Wachstum mehr gibt, auf den Weg zu bringen. Auch das wird aber wieder auf Kosten derjenigen Menschen gehen, die nicht viel haben.

Ruhrbarone: Die Legende sagt, dass Kapitalismus und Wirtschaftswachstum für das Elend der Welt verantwortlich sind und abgeschafft werden müssen, um eine Klimaapokalypse abzuwehren.
Bojanowski: Dabei ist das Gegenteil richtig: Der Kapitalismus hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass die Armut weltweit extrem zurückgegangen ist und es der Menschheit noch nie so gut ging wie heute. Viele Umweltprobleme, die in den 60er und 70er Jahren große Herausforderungen waren, wie die Luftverschmutzung und vergiftete Flüsse, bekam man in den Griff. Durch Technologien, die man sich mit einer wachsenden Wirtschaft leisten konnte.

Ruhrbarone: Viele Organisationen wie der Climate Emergency Fund von Erdölerbin Aileen Getty oder die Mercator Stiftung haben in den vergangenen Jahren die Klimaszene mit Summen im dreistelligen Millionenbereich unterstützt und damit auch eine Politik befördert, die links und gegen Wachstum gerichtet ist. Die eine hat ihr Geld vom Öl-Opa geerbt, hinter der Mercator-Stiftung stehen Teilhaber des Handelskonzerns Metro. Warum unterstützen superreiche Kapitalisten linkradikale Wachstumskritiker?
Bojanowski: Ich habe, auch nach Vier-Augen-Gesprächen mit Philanthropen, den Eindruck gewonnen, dass manche von ihnen gar nicht so genau wissen, wen sie mit ihrem Geld unterstützen. Sie wollen etwas Gutes tun, und die globale Erwärmung zu bremsen ist eine gute und wichtige Sache. Sie suchen dann Organisationen, denen sie Geld geben und wissen oft nicht, dass sie antikapitalistisch und gegen technischen Fortschritt sind. Andere Philanthropen indes bauen gezielt politische Netzwerke, die Dank des Klimaschutz-Vorwands kaum hinterfragt werden. Mit ihrem Geld haben sie eine Lobby geschaffen, die mittlerweile mächtiger ist als die Fossillobby der Öl- und Kohlekonzerne.

Ruhrbarone: Geld lässt Märkte entstehen…
Bojanowski: Das ist auch hier der Fall: Zahlreiche NGOs, Tausende zum Teil sehr gut bezahlte Jobs – der Kampf gegen den Klimawandel ist längst auch ein lukratives Geschäft, das viele Aktivisten und Akademiker finanziert. Und damit das so bleibt, muss die Lage in immer düsteren Farben beschrieben werden. Allerdings hat all das dem Kampf gegen den Klimawandel und der Energietransformation wenig gebracht.

Ruhrbarone: In Ihrem Buch zeigen Sie auch auf, wie Klimaforscher immer aktivistischer wurden.
Bojanowski: Das betrifft nur einen kleinen Teil der Klimaforscher. Die allermeisten arbeiten streng wissenschaftlich, aber diejenigen, die am aktivistischsten auftreten, werden in den Medien bevorzugt präsentiert und prägen das Bild der Klimaforschung in der Öffentlichkeit. Die Berichte des IPCC, des sogenannten Weltklimarates, sind zum größten Teil seriöse Wissenschaft. Aber an den Zusammenfassungen schreiben Politiker mit. Sie machen den wesentlichen Teil der Pressemitteilungen aus, und dort werden Katastrophenszenarien beschworen, die zwar im Hauptteil der IPCC-Berichte beschrieben, aber als unrealistisch eingeschätzt werden. Der IPCC geht davon aus, dass der Wohlstand in den kommenden Jahrzehnten weiterwächst, allerdings durch den Klimawandel gebremst wird. Er mahnt, CO2 zu reduzieren, aber von einer Apokalypse ist nirgendwo die Rede. Der Klimawandel ist ein Problem, aber er ist nirgendwo auf der Welt das dringlichste Problem: Kriege, die der häufigste Grund für Hunger sind, Armut und eine schlechte Gesundheitsversorgung sind Probleme, die aus dem Blick geraten, weil viele im Westen sich komplett auf das Thema Klima fixieren.

Ruhrbarone: Was auch an den Journalisten im Land liegt, die oft wie Aktivisten wirken.
Bojanowski: Viele Magazine und Zeitungen haben sich sogar Aktivisten von Gruppen wie Greenpeace in die Redaktionen geholt und die kümmern sich jetzt um das Thema Klima. Recherche, kritische Nachfragen, all das ist nicht erwünscht. Was dann herauskommt, sind Apps wie vom WDR, in denen Kinder sich via Augmented Reality anschauen können, wie es in ihrem Klassenzimmer aussieht, wenn ringsherum die Wälder brennen. Es ist unverantwortlich, Kinder so in Panik zu versetzen und ihnen Angst zu machen.

Ruhrbarone: Allerdings ist auch für die großen Rückversicherer der Klimawandel immer wieder ein großes Thema.
Bojanowski: Die haben den Klimawandel sehr früh für sich entdeckt. In ihren Jahresberichten weisen sie regelmäßig auf die Kosten hin, die Stürme oder Hochwasser verursacht haben. Diese Verweise dienen ihnen dazu, ihre Prämien zu erhöhen. Tatsache ist allerdings, dass es nicht mehr Stürme als früher gibt. Die Schäden, die zum Beispiel Stürme verursachen, sind aber natürlich gestiegen: Denn die Zahl der Menschen hat sich in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt und damit ist auch die Zahl der Häuser, Fabriken und Büros gestiegen. Es steht einfach mehr herum, was kaputt gehen kann.
In der Öffentlichkeit werden mittlerweile alle Katastrophen dem Klimawandel zugerechnet. Das machen nicht nur die großen Versicherer, sondern auch die Politiker. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal betonte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Manu Dreyer, und ihr damaliger nordrhein-westfälischer Amtskollege Armin Laschet, dass der Klimawandel schuld sei. Dabei gab es solche Fluten in Städten wie Bad Münstereifel schon im Mittelalter. Man kann sich auf sie vorbereiten und aus der Vergangenheit lernen, wie Hamburg es gemacht hat, wo Sturmfluten in der Größenordnung von 1962, als über 300 Menschen starben, heute kaum Schäden mehr verursachen. Aber es ist natürlich bequemer, von der eigenen Verantwortung abzulenken und alles auf den Klimawandel zu schieben.

Ruhrbarone: Welche Folgen des Klimawandels sind denn heute schon spürbar?
Bojanowski: Der steigende Meeresspiegel, schmelzende Eismassen, örtlich mehr Starkregen, Veränderungen in der Vegetation beispielsweise. Auch die Zahl der Hitzetage hat in Deutschland ganz klar zugenommen. Das steht außer Frage. Aber in der Berichterstattung wird fast immer übersehen, dass nach wie vor mehr Menschen durch Kälte sterben. Mit Hitze kann man – Wohlstand vorausgesetzt – lernen umzugehen und sich zu schützen. Aber Klimaanlagen werden ja von vielen Klimaaktivisten auch abgelehnt, weil sie Energie verbrauchen.

Ruhrbarone: Sie stellen sich gegen die Panikmache, halten aber den Klimawandel für ein wichtiges Problem, auf das reagiert werden muss. Nur nicht so, wie es in Deutschland geschieht. Was wären denn Ihrer Ansicht nach die Alternativen?
Bojanowski: Es war natürlich ein Fehler, die Kernkraftwerke in Deutschland abzuschalten. Richtig wäre es gewesen, die Kernkraft auszubauen. Sie ist CO2-neutral und sicher, erste Länder lösen das Endlager-Problem. Die USA haben ihren CO2-Ausstoß stark gesenkt, weil sie Kohle durch Frackinggas ersetzt haben. Auch das lehnt man in Deutschland ab, wobei wir genug Gasreserven für die nächsten 30 bis 40 Jahre im Boden liegen haben. Auch Carbon Capture Storage ist in Deutschland verboten. Man darf hierzulande kein CO2 im Boden lagern. Aber wenn man das CO2 der Kohlekraftwerke in Deutschland in alten Gaslagerstätten speichern könnte, würde der Ausstoß zurückgehen. Es ist wichtig, CO2 zu bepreisen, das fördert CO2-neutrale Technologien. Nur welche das sein dürfen, sollte der Staat nicht vorschreiben. Wichtig ist auch, darauf zu achten, für wie viel Geld am meisten CO2 eingespart werden kann. Wenn man mit der Subventionierung von Elektroautos eine Tonne CO2 sparen möchte, kostet das 2300 Euro. Mit Aufforstung geht das deutlich preiswerter – mit dem Emissionshandel gibt es ein gutes Instrument, CO2-Emissionen immer dort zu sparen, wo es am günstigsten ist Ganz wichtig ist es aber, den Klimawandel als ein globales Problem zu sehen, das nicht national gelöst werden kann. Wir brauchen Staaten, die Klimaklubs bilden und sich auf gemeinsame Regeln einigen und einen internationalen Emissionshandel. Wir sollten mehr auf Ökonomen hören, aber die differenzierten unter ihnen werden in der Klimadebatte auch bekämpft, weil ihre Ansätze eine Bedrohung sind für die von Dirigismus und Bürokratie lebende Klima-Lobby.

Ruhrbarone: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Klimapolitik waren doch ein entscheidender Faktor bei der Europawahl.
Bojanowski: Die Leute werden Maßnahmen gegen den Klimawandel nur unterstützen, wenn sie bereit sind, die wirtschaftlichen Folgen mitzutragen. Niemand wird massive Wohlstandseinbrüche in Kauf nehmen. Ökonomen haben sehr früh darauf hingewiesen, dass die Kosten der Maßnahmen gegen den Klimawandel mit den Klimawandel-Kosten abgewogen werden müssen. Wer erfolgreich gegen den Klimawandel vorgehen will, muss die Bürger auf seiner Seite haben.

Axel Bojanowski: „Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher
nicht zu fragen wagten – der Klimawandel zwischen Lobbygruppen und Wissenschaft“
Westend-Verlag, 288 Seiten, 25 Euro
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Transparenzhinweis: Stefan Laurin ist freier Mitarbeiter bei Welt und Welt am Sonntag

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