Eine im Auftrag der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH vorgelegte Studie belegt: Der Nahverkehr im Ruhrgebiet ist miserabel organisiert. Wirtschaftsförderungschef Brauser setzt auf Argumente und Gespräche. Doch die Nahverkehrsbetriebe im Revier sind in der Hand von Kommunalpolitikern und die benötigen die Bus- und Bahnbetreiber vor allem zur Versorgung von Parteifreunden.
Zuerst die gute Nachricht: Die Verkehrssituation im Ruhrgebiet ist, so das Ergebnis der Studie, längst nicht in allen Bereichen schlecht : Das Kanal- und Güterbahnnetz ist gut ausgebaut, bei den Autobahnen besteht Handlunsgbedarf und die nächsten wirklich internationalen Flughäfen sind weit weg: Frankfurt und Amsterdam sind die wichtigen internationale Hubs, Düsseldorf hingegen, wie im Fußball, eher drittklassig.
Das Hauptproblem sieht die Studie im Nahverkehr. Keine Überraschung, denn der Nahverkehr im Ruhrgebiet ist so beschaffen, als ob ein böser Troll ihn organisiert hätte, um die Fahrgäste zu quälen: Über ein Dutzend Nahverkehrsunternehmen bekommen noch nicht einmal einen abgestimmten Fahrplan hin, Fahrkartenautomatensysteme gibt es ungefähr so viele, wie deutsche Kleinstaaten Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Nahverkehr im Revier ist eher ein Pöstchensicherungssystem, denn ein Nahverkehrssystem. Hinzu kommen die horrenden Preise: Innerhalb der viel gepriesenen Metropole Ruhr kostet ein Ticket von Duisburg nach Dortmund stolze 9,10 Euro. In Berlin kostet eine vergleichbare Karte schlappe 2,40 Euro. Kauft man eine Karte für das Berliner Umland mit, kommt man gerade mal auf 2,70 Euro. DAS sind die Preise einer Metropole, und nicht die VRR-Höchstpreise für Provinzleistungen: An einem Sonntag dauert eine Fahrt von Bochum nach Gladbeck gerne mal über zwei Stunden. Von Bochum nach Frankfurt geht es genau so schnell.
Schuld sind Strukturen, von den alle profitieren, nur nicht die Fahrgäste: Kommunalpolitiker legen Strecken fest, die ignorieren, dass das Ruhrgebiet ein Verkehrsraum ist und sorgen in aufgepumpten Verwaltungen dafür, dass nicht wenige ihrer Parteifreunde vor den Unbilden regelmäßiger Erwerbsarbeit verschont werden. Wird gespart, dann bei den Fahrern und Fahrgästen. Ein VRR Mitarbeiter, der für seinen Job ins Ruhrgebiet zog erklärte mir einmal, dass er die Strukturen, die er hier vorfand, am Anfang seiner Tätigkeit kaum glauben konnte. Ein Pressesprecher eine Nahverkehrsunternehmens sagte mir vorhin, dass es natürlich besser sei, wenn es ein Nahverkehrsunternehmen im Ruhrgebiet gäbe, aber die vorhandenen Strukturen so in Beton gegossen wären und so viele Pöstchenbesitzer von ihnen profitieren würden, dass "Sie und ich nicht mehr erleben werden, dass sich das ändert." Für eine Region, die von sich behauptet eine Metropole zu sein ist der Nahverkehr unwürdig, eine Katastrophe, eine dilletantisch organisierte Filzokratie. Und ein wirklich herber Standortnachteil. Brauser braucht keine guten Argumente sondern eine Brechstange.
… und einen der sie benutzt!
Bravo, Stefan…das Verkehrssystem und die Ticketpreise sind tatsächlich einer „neuen“ Metropole Ruhr unwürdig…höchst provinziell…
Wenn wir „Metropole leben“ wollen, dann müssen wir mobil sein können…ein gut funktionierendes integriertes Verkehrskonzept ist Voraussetzung für die „Metropole Ruhr“…
Stimme voll und ganz zu.
Man schämt sich ja fast schon, wenn man anderswo mal den ÖPNV nutzt und vor Freude über die einfach funktionierenden Fahrpläne anfängt leise in der U-Bahn zu weinen…
Muss Freitag nach Bochum und mir graut’s schon jetzt.
Am ÖPNV zeigt sich das eigentliche Drama von Ruhr am deutlichsten. Obwohl alle, selbst die ihn organisieren, seit langem wissen, dass es so nicht weiter gehen kann, geht es so weiter.Es ist diese innere Selbstblockade die einen hier zur Verzweifelung bringt oder wegtreibt. Da ist man dann schon froh, wenn unter der Ägide der Essener Verkehrsbetriebe wenigstens drei Nahverkehrsgesellschaften (Essen,Mülheim,Duisburg)anfangen enger zusammen zu arbeiten, in dem sie eine Art Holding gegründet haben.Bis allerdings der Rest dort (freiwillig) beigetreten ist und sich am Ende zu einer Organisation unter einer Leitung verbunden hat werden wahrscheinlich weitere Jahrzehnte vergehen, und selbst danach werden die Dortmunder immer mal wieder mit dem Austritt drohen. Daran wird leider auch ein Ruhrbezirk nichts ändern, denn der größte Feind des Ruhrgebietes ist immer noch das Ruhrgebiet selbst.
Unser ÖNPV ist doch momentan nichts anderes als eine Ansammlung von Insellösungen, welches zeigt, das das Ruhrgebiet zur Zeit keine „Metropole“ ist. Da enden U-Bahnlinien an der Stadtgrenze bzw. am nächstmöglichen Verkehrsknotenpunkt (z.B. ZOB, Hbf) der Nachbarstadt. Und soviel ich mitbekommen habe, soll z.B. eine Verknüpfung der verschiedenen Stadtbahn-Netze zum Teil nicht möglich sein, da verschiedene Spurbreiten im Einsatz sind. Ja, man sehnt sich schon nach den nahezu paradiesichen Verhältnissen wie in Berlin.
Das Güterbahnnetz ist gut ausgebaut?
In Wirklichkeit steht der Güterverkehr der Bahn auf der Verbindung zwischen Bochum-Nord und Osterfeld vor dem Kollaps. Mit den Ausbau der BETUWE-Linie und des Eiserner Rhein wird dringen die Rheinische Bahn (Duisburg-Weddau – Bochum-Nord) benötigt. (Quelle Pro.Bahn). Satt dessen Plant der RVR die Umwandlung der stillgelegten, aber noch nicht abgebauten Strecke in ein Radweg.
Auch wäre mit dem Ausbau Rheinische Bahn eine S-Bahn von Wesel über Duisburg, Mülheim, Bochum Nord nach Witten möglich.
Verkehrstechnisch ist dagegen der Düsseldorfer Flughafen mit dem halt von ICE, IC und RE Zügen zu gut wie Frankfurt angebunden. Dagegen ist doch der Dortmunder Flughafen doch die reinste Provinzposse, und nur mit vielfachen Unsteigen zu erreichen. Aber wer möchte den aus Xanten von Dortmund aus starten, wenn Flughafen – Airport Weeze, aber auch der Flughafen in Amsterdam besser zu erreichen ist.
Von Bochum nach Gladbeck West in zwei Stunden? Oder ist die Strecke von Bochum nach Gladbeck Ost gemeint. Sicherlich sollte sie Strecke Gladbeck West nach Haltern an See zweigleisig ausgebaut werden, damit sich Güterverkehr und S-Bahn nicht in die Quere kommen.
Im Normalfall sollte man aber für die Strecke mit umsteigen in Essen mir 45 min benötigen.
Abgesehen davon, für 9,10 Euro kommt man mit dem VRR auch von Unna nach Kaldenkirchen, jedoch nie nach Wesel oder Hamm.