Hierzulande ärgern sich Sportfans zunehmend über die um sich greifende Langeweile, die die Profi-Sportligen, zumindest an ihren Spitzen erfasst. In vielen Fällen ist die Anzahl der Kandidaten auf die jeweilige Meisterschaft in den vergangenen Jahren extrem überschaubar geworden. In der Fußball-Bundesliga zum Beispiel feierte der FC Bayern München gerade seine zehnte (!!) Meisterschaft in Serie.
Auch in Spanien, Italien und/oder England ist die Anzahl der Titelaspiranten zuletzt arg überschaubar geworden. Die Möglichkeit vom Tabellenende an die Spitze zu kommen, ja vielleicht sogar Meister zu werden, ist in vielen Ligen schon fast gar nicht mehr vorhanden. Ein Top-Team neu zu entwickeln, dauert in fast jedem Fall schier unzählige Jahre.
Dass es auch anders geht, das hat in diesen Tagen die nordamerikanische Eishockeyliga NHL einmal wieder frisch bewiesen.
Am Sonntag wurden die Colorado Avalanche erstmals seit 21 Jahren wieder Stanley Cup-Sieger. Die Mannschaft aus Denver setzte sich im Stanley Cup Finale 2022 gegen den Titelverteidiger, die Tampa Bay Lightning, in der Best-of-7-Serie mit 4:2-Siegen durch. In einer begeisternden Finalserie siegte damit der Favorit, der die 82 Spiele umfassende Hauptrunde auf Rang zwei aller 32 Teams der Liga abgeschlossen hatte.
Lediglich die Florida Panthers hatten in der regulären Spielzeit noch mehr Punkte aufzuweisen als die Avalanche. Doch die Panthers scheiterten vorzeitig in den Playoffs an den Lightning und mussten den Titelverteidigern auf dem Weg in das Eastern Conference Finale den Vortritt lassen.
Aber mit zu vielen Details will ich hier gar nicht aufwarten. Wer mag, der kann ja die ausführliche und tagesaktuelle NHL-Berichterstattung in deutscher Sprache auf NHL.com/de verfolgen, wo ich als Autor auch mit dabei bin.
Worum es mir hier und heute geht, das ist nämlich ein scheinbarer Randaspekt des dortigen Geschehens, der uns hier im Blog der Ruhrbarone in den vergangenen Jahren auch schon häufiger beschäftigt hat. Fakt ist nämlich, dass Colorado, der neue Champion der NHL, vor fünf Jahren, am Ende der Saison 2016/17 um genau zu sein, noch das Tabellenschlusslicht in der gesamten NHL darstellte. Mit ganzen 22 Siegen aus 82 Einsätzen und am Ende 48 Punkten, lagen die Avalanche damals 21 (!!!) Punkte hinter dem Vorletzten, den Vancouver Canucks, die es zumindest auf 69 Zähler gebracht hatten.
Von einer Playoff-Teilnahme, geschweige denn einem weiteren Titelgewinn, konnten die Mannen aus Denver damals nicht einmal ernsthaft träumen. Und jetzt, gerade einmal fünf Jahre später, holte man in der Hauptrunde nicht nur stolze 119 Punkte aus 82 Begegnungen, man ist am Ende der K.o.-Phase Stanley Cup Champion 2022, kann sich am Donnerstag mit einer großen Parade in Colorado öffentlich von hunderttausenden von Fans feiern lassen.
Solche Entwicklungen wünschen sich auch hierzulande die Sport-Fans, zum Beispiel in der heimischen Bundesliga. Wie das geht? Nun, die NHL ist, wie viele Ligen in Übersee, anders aufgebaut. Nicht nur, dass dort Playoffs Tradition haben, es gibt auch ein sogenanntes Draft-System und vielerorts einen sogenannten Salary Cap, also eine Gehaltsobergrenze für die Teams. Alles Dinge, über die wir auch hier im Blog im Laufe der Zeit schon häufiger diskutiert haben.
Das Ergebnis ist eine im Vergleich zu vielen Ligen hier in Europa extrem, durchlässige Liga, deren Meister im Regelfall fast unmöglich vorherzusagen ist. Teams aus dem Tabellenkeller können dort innerhalb kurzer Zeit zurück in die Spitzengruppe.
Während in Europa der Profisport mehr und mehr vorhersagbar wird, ist dies in der NHL, wie in anderen US-Sport-Ligen auch, nicht der Fall. Eine Titelverteidigung, wie die der Lightning zuletzt, die im Jahre 2020 und 2021 den Titel gewannen, und auch jetzt wieder bis in das Finale vordrangen, ist dort die absolute Ausnahme. Wäre das nicht auch schön in unseren europäischen Top-Ligen?
Natürlich ist das System des US-Sports (schon aus arbeitsrechtlichen Gründen) hierzulande nicht so einfach eins zu eins zu übertragen, und viele Fans wollen das ja auch gar nicht. Nur, solange wir darüber nicht ernsthaft nachdenken und zumindest Teile davon (und sei es in leicht modifizierter Form) hierzulande übernehmen, werden wir mit dieser Ödnis im Profisport leben müssen.
Die Schere der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit öffnet sich hier ohne solche Regulierungen zwischen den Team immer mehr. Dass es auch anders geht, hat die NHL in den vergangenen Tagen ja noch einmal vorgeführt….