„Die Olympiade 2036 ist kein wirklich guter Anlass, für das Ruhrgebiet zu werben“

Entzündung der Flamme in Olympia Foto: Waerfelu Lizenz: CC BY 3.0


Unser Gastautor Klaus R. Kunzmann zweifelt an dem Sinn einer Olympiabewerbung des Ruhrgebiets.

Dieser Tage haben zwei Meldungen zur Zukunft des Ruhrgebietes überregionale Aufmerksamkeit in den Medien gefunden. In einem Interview mit der FAZ vom 20. Mai 2024,  wünschen sich Rolf Buch und Andreas Maurer, die Vorstandsvorsitzenden von Vonovia  und Moderatoren des von RAF Terroristen ermordeten Alfred Herrhausen vor 25 Jahren ins Leben  gerufenen Initiativkreises Ruhrgebiet, eine Olympiade. Gleichzeitig melden die Frankfurter Allgemeine und die Süddeutsche Zeitung, die sonst selten Positives aus der Region berichten können, dass Borussia Dortmund das Rüstungsunternehmen Rheinmetall für drei Jahre als zusätzlichen Sponsor gewinnen konnte. Es sind zwei Meldungen. die zeigen, dass sich Meinungsführer im Ruhrgebiet wieder einmal darum bemühen, über den engen regionalen Horizont hinaus, Aufmerksamkeit auf die Region zu lenken, die ansonsten wenig Anlass für überregional bedeutsame Meldungen ist. Berichte, dass BYD eine Fabrik in Herne und  Intel eine weitere Chipfabrik in Gelsenkirchen errichten wird oder dass der Dortmunder Norden mithilfe türkischer Start-ups zu einem attraktiven  Arbeitsmarkt für Unternehmen geworden ist, die mit der nachholenden digitalen Transformation des Ruhrgebiets  viel Geld verdienen. Dies wären bessere Nachrichten für die Zukunft des Ruhrgebiets gewesen,, aber solche Nachrichten würden schnell als fake News entlarvt werden.

Neben den vielen Initiativen  die die Unternehmen des Initiativkreis Ruhrgebiet der Region initiiert und gesponsert haben, hat vor allem das Klavierfestival Ruhrgebiet dazu beigetragen, dass die Mitarbeiter:Innen  der Unternehmen aber auch kulturbeflissene Bürger des Ruhrgebiets, international renommierte Pianisten und zukünftig erfolgreiche         PianistInnen ohne großen finanziellen Aufwand lauschen können und dass in Kulturoasen umgewandelte Industriebauten dafür genutzt werden.

Rheinmetall das Düsseldorfer Rüstungsunternehmen, das im DAX gelistet ist und knapp 30.000 Mitarbeiter beschäftigt und seit dem Einmarsch der Russen in der Ukraine neue öffentliche Aufmerksamkeit im lange eher pazifistischen Deutschland gefunden hat, wird neben anderen Champions Partnern auf den Banden des Westfalenstadions  Präsenz zeigen.

Dass die Manager von Borussia Dortmund das zeitgeistige Ende des Pazifismus in Deutschland und die kommende Fußball Europameisterschaft nutzen, um mit einer Rüstungsfirma aus Düsseldorf einen Sponsorenvertrag zu schließen, dient sicher dem Verein und den Spielern. Nicht unerwartet gab es dazu kritische Kommentare in den überregionalen Medien. Selbst nicht alle Fans des Vereins fanden dies eine gute Entscheidung.  Das Ruhrgebiet, dessen unrühmliche Vergangenheit als Rüstungsschmiede der Nationalsozialisten in allen Geschichtsbüchern steht, wird von der Bandenwerbung eines Rüstungskonzerns jedenfalls nicht profitieren. Ob die Aktien Rheinmetall weiter steigen hängt dann eher von Putin als von den Erfolgen von Borussia Dortmund.

Auch die Olympiade 2036 ist kein wirklich guter Anlass, für das Ruhrgebiet zu werben- Die Art und Weise wie heute Olympiaden als weltweites Medienereignis und weniger als Sportereignis an imagesüchtige Metropolen vergeben,  wie sie sicher organisiert, finanziert und vermarktet werden, hat schon die Bürger von Hamburg und München veranlasst, sich gegen einen Olympiade in ihren Städten auszusprechen. Und ob sich die Berliner:Innen für eine Olympiade 2036 stark machen, ist sicher fraglich. 100 Jahre nach der von den Nationalsozialisten und mit Hilfe von Leni Riefenstahl perfekt organisierten Olympiade in Berlin werden die internationalen Medien mehr über die Machtdemonstration der Nationalsozialisten und die Rolle des Ruhrgebietes als Rüstungsschmiede im Dritten Reich berichten, als über die Geschichte der Industrieregion Ruhrgebiet, die Hinterlassenschaften der IBA Emscher Park oder die mit der Lupe zu suchenden digitalen Innovationsorte der Region. Die Landesregierung in Düsseldorf und die Bundesregierung in Berlin werden kaum großes Interesse haben eine Olympiade im Ruhrgebiet finanziell zu unterstützen.

Seit den Spielen Olympiade in München und Barcelona hat sich viele geändert.

Olympische Spiele in London wurden und werden bald in Paris von Städten gerne genutzt, mit nationalen Steuermitteln brachliegende oder heruntergekommene Stadtteile zu modernisieren. London hat es genutzt um das lange vernachlässigte innenstadtnahe Lee Valley im Stadtteil Stratford zu neuem Leben zu erwecken, und die Regierung in Frankreich Paris will mit den Olympiade in St. Denis in den von lokalen Kriegen immer wieder getroffenen Vororten der Metropole ein Zeichen setzen, dass sie sich auch um die sozialen Missstände in den Vororten kümmert. Sie wird die Quartiere für die Olympioniken nach den Spielen an Haushalte vermieten, sich eine Wohnung in Paris nicht mehr leisten können,

Doch auch das olympische Quartier wird die sozialen Probleme in den Vorstädten von Paris nicht lösen. Was könnte das Ruhrgebiet mit Hilfe einer Olympiade wirklich unternehmen, um seine Infrastruktur zu modernisieren. Wie viele Stadtquartiere in Dortmund oder Gelsenkirchen, in Essen oder Duisburg könnten mit Hilfe der Olympiade zu olympischen Dörfern geadelt werden?

Die Vorbereitungen für eine Olympiade im Ruhrgebiet würden die politischen und wirtschaftlichen Meinungsführer im Ruhrgebiet für eine Dekade lang wieder einmal von der weiteren Transformation ablenken vielleicht auch neue Wohnungsprobleme mit sich bringen, von denen die Städte der Region im Gegensatz zu Berlin, Frankfurt und München n weitgehend verschont waren weil die Nachfrage  nicht so groß war. Wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten würde die Region, die sich gerne als attraktiver Metropolregion vermarktet, obwohl dies weder von internationalen Investoren noch von Touristen zur Kenntnis genommen wird, das Großereignis als Beweis dafür betrachten, dass die Region nun sogar eine olympische Metropolregion geworden ist.

Doch das Ruhrgebiet wird weiter darauf warten müssen, dass ihre Meinungsträger beim Initiativkreis Ruhrgebiet, beim RVR und in den Bürgermeisterstuben verstehen warum die Region nicht mehr auf den Bildschirmen internationaler Investoren liegt. Dies werden weder eine Olympiade noch die Bandenwerbung von Rheinmetall im Dortmunder Stadion ändern. Aber junge Start-ups im Ruhrgebiet werden die vergleichsweise hohe, staatlich großzügig geförderte Lebensqualität genießen bevor sie dann bei Erfolg doch ins Ausland abwandern.

Vielleicht sollte sich das Ruhrgebiet damit zufriedengeben, dass seine Bewohner diese Lebensqualität zu schätzen wissen.

Klaus R. Kunzmann ist emeritierter Professor der TU Dortmund und war seit seiner Gründung bis  1993 Leiter des dortigen Instituts für Raumplanung.

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