Seit einiger Zeit wird durch Presse und Politik verkündet, dass die Allgemeingültigkeit eines Pflegetarifes kurz vor seiner Umsetzung stünde, was aber, wie wir seit gestern wissen, nicht der Wahrheit entspricht. Von unserem Gastautor Magnus Memmeler.
Tatsächlich handelt es sich bei der aktuellen Einigung von Verdi und der BVAP um eine Einigung mit Tarifcharakter, um die Regelungen im Arbeitnehmerentsendegesetz (AentG), auf alle Qualifikationen in der Pflege auszuweiten und schrittweise an existierende Tarifwerke, die den Namen verdienen heranzuführen. Wenn Politik, Gewerkschaften und Medien es auf den Punkt bringen würden, müsste es heißen, dass der Mindestlohn für Pflegekräfte neu geregelt werden sollte. Kommunen und zum Beispiel auch die AWO in NRW verfügen über einen Tarifvertrag, der mit Verdi vereinbart wurde, der sich, wie auch einige AVR (Arbeitsvertragliche Regelwerke der Kirchen), deutlich über dem nun von der Caritas vereitelten Minimalkompromiss bewegen.
Tarifverträge regeln Vergütung, Urlaubsanspruch, betriebliche Altersversorgung und vieles mehr, um eine möglichst leitungsgerechte Vergütung und geregelte Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende in der Pflege erreichen zu können. Dies haben Pflegekräfte seit geraumer Zeit mehr als verdient. Schlimm, dass private Pflegedienstanbieter dies bislang vereitelt haben. Noch schlimmer, wenn dies nun durch die Kirche geschieht, um den Dritten Weg und die vielen gGmbH zu schützen, in denen die eigenen Regeln nicht berücksichtigt werden.
Das Arbeitnehmerentsendegesetz, welches nun für die Pflege neu verhandelt werden muss, beschreibt dagegen ausschließlich die absoluten Lohnuntergrenzen, die Arbeitgeber in der Pflege zahlen müssen. Es gibt Berechnungen, nach denen Mitarbeitende in Teilzeit in der Pflege 53 Berufsjahre nachweisen müssten, um eine Rente auf dem Minimalniveau zu erhalten, wenn sie ausschließlich auf dem Niveau des AentG beschäftigt gewesen wären.
Ich finde, dass das angesichts der Leistung, die Pflegekräfte erbringen müssen und dies in dieser Pandemie unter außerordentlich schwierigen Bedingungen weiterhin tun, schlicht eine Schande ist.
Viele Politiker wissen, dass ich mich seit vielen Jahren für die Tarifbindung in Gesundheits- und Sozialberufen einsetze. Seit dem letzten Jahr habe ich die berufliche Heimat bei einem Wohlfahrtsverband gefunden, der sich aktiv dafür einsetzt, allgemeinverbindliche Tarifverträge in den Gesundheits- und Sozialberufen zu etablieren. Und das ist gut so.
Die leistungsgerechte Vergütung und die tariflich geregelte Ausgestaltung von Arbeit ist das eine. Wenn wir Fachkräfte in der Pflege wünschen, müssen wir diese auch ausbilden und bereits in der Ausbildung die Umstände, unter denen ausgebildet wird, ordentlich durch Tarifverträge regeln.
Ich wünsche mir ein Bündnis der willigen Dienstgeber in der Pflege, welches sich klar und verbindlich zur Tarifbindung in der Pflege bekennt, um so für jedermann erkennbar zu machen, wer sich dieser Anerkennung für Mitarbeitende in der Pflege entzieht. Diese schwarzen Schafe der Branche müssen auch als solche für jedermann erkennbar werden.
Wenn manche Interessenvertreter meinen, das Gesundheitswesen und somit auch die Pflege als Markt bezeichnen zu müssen, der ja angeblich alles regelt, kann der Markt, nämlich die breite Bürgerschaft, auch entscheiden, wer die Pflege für deren Angehörige zukünftig erbringen soll.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen von Menschen gepflegt werden wollen, die ihre Arbeitsleistung unter tariflich geregelten Bedingungen erbringen können.
Durch ein Gespräch, welches ich anlässlich des Kirchentages in Dortmund mit Hubertus Heil führen durfte, weiß ich, dass der Bundesarbeitsminister das Ziel eines allgemeinverbindlich geltenden Tarifvertrages für die Pflege lieber heute als morgen umsetzen würde. Leider ist weder der politische, noch der gesellschaftliche Druck bislang groß genug gewesen, um hierfür die erforderlichen Mehrheiten zu erreichen.
Für mich steht fest, dass es Zeit wird, dass Tarifbindung in der Pflege gestärkt wird und die Vergütung von pflegerischen Leistungen durch die Kostenträger automatisch tariflich geregelte Entgelte berücksichtigen muss, ohne diese auch noch regelmäßig nachverhandeln zu müssen. Denn auch das hindert an der Einführung tariflicher Regelungen.
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist seit geraumer Zeit bekannt. Was Pflegekräfte leisten, muss allerspätestens seit dieser Pandemie im Bewusstsein aller Menschen angekommen sein, weshalb es für Politiker aller Couleur bindende Verpflichtung sein sollte, dies in der Gesetzgebung zu berücksichtigen. Tariferhöhungen in der Pflege müssen durch Kostenträger unverzüglich bei den Entgelten, die für pflegerische Leitungen gezahlt werden, berücksichtigt werden, ohne diese gesondert verhandeln zu müssen.
Die Bundespolitik hat bereits vor dieser Pandemie erkannt, dass der Pflegeberuf deutlich attraktiver werden muss. Wieso ist es dann gerade jetzt, wo wir alle sehen, was Pflegekräfte leisten, so schwierig für die Bundespolitik, die Willigen an einen Tisch zu holen, um den notwendigen Druck zu erzeugen, damit Pflege durch tarifliche Bindung so attraktiv wird, wie es die Mitarbeitenden verdienen, die aktuell täglich an vorderster Front kämpfen.
Hubertus Heil (CDU), Karl-Josef Laumann (CDU), Bärbel Bas (SPD), und Dennis Radtke (CDU) positionieren sich regelmäßig, um die Tarifbindung in Gesundheits- und Sozialberufen zu erreichen. Trotz deren Bekanntheitsgrades, ist es diesen Bundes-, Landes- und Europapolitikern, die nur einen Teil der engagierten Politiker repräsentieren, nicht gelungen, dieses dicke Brett zu bohren. Leider auch deshalb, weil Pflegekräfte es nie gelernt haben, sich selbst für Ihre Rechte einzusetzen.
Ich lade Landes-, Bundes- und Europapolitiker, die sich für das Ziel der Tarifbindung in der Pflege einsetzen wollen, herzlich ein, sich mit Mitarbeitenden der ambulanten Pflegedienste oder Tagespflegen darüber auszutauschen, wieso die Sicherheit, die durch tariflich geregelte Arbeitsverträge erreicht wird, so wichtig ist, um den Pflegeberuf nachhaltig zu stärken.
Bis dahin sollten Pflegekräfte, Pflegepatienten und deren Angehörige mit den Füßen abstimmen und Arbeitgeber mit ordentlichen Tarifverträgen auswählen.
Information: Die Vergütung der Altenpflege sollte zum 1. August 2021 für die gesamte Pflegebranche geregelt werden. Die Mindestentgelte für alle Pflegepersonen in der Altenpflege wären demnach in vier Schritten angehoben worden. Vorausgegangen waren intensive Verhandlungen zwischen den Verhandlungsparteien sowie die im Arbeitnehmerentsendegesetz vorgesehenen Anhörungen von Diakonie und Caritas.
Pflegehelferinnen und Pflegehelfer hätten demnach ab dem 1. August 2021 ein Entgelt von mindestens 12,40 Euro pro Stunde erhalten, Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit mindestens einjähriger Ausbildung ab dem 1. August 2021 mindestens 13,10 Euro pro Stunde erhalten und die Mindeststundenentgelte für examinierte Pflegefachpersonen hätten ab 1. August 2021 bei 16,10 Euro gelegen.
Einer der mit Verdi vereinbarten Tarifverträge weicht bereits jetzt deutlich von den genannten Entgelten nach Arbeitnehmerentsendegesetz ab, die Politik und Medien als Erfolg feiern wollten. Eine examinierte Pflegefachkraft erhält in diesem Tarifwerk ein Monatsbruttogehalt von 3.109,44 €, was bei 156 Monatsarbeitsstunden einem Stundenlohn von 19,93 € entspricht und somit um 3,83 €/ Stunde über dem aktuell verhandelten Mindestlohn für Pflegefachkräfte liegt, welcher nun durch die Caritas verhindert wurde.
Dazu habe ich heute den Beitrag eines Redakteurs der SZ gefunden, die ja gemeinhin nicht als besonders kirchenfreundlich gilt:
https://www.katholisch.de/artikel/28897-manche-kritiker-der-caritas-machen-es-sich-zu-einfach
Ein recht interessant zu lesender Beitrag. Dieser verkennt leider, dass der abgeschlossene TV zwischen Verdi und BVAP Über keine Regelung zur betr. Altersversorgung verfügt (was eigentlich selbstverständlich sein sollte) sicht nicht darum kümmert, wie wirklich die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden können. Der abgeschlossene Vertrag verdient den Namen Tarifvertrag absolut nicht. Weiterhin vertritt der BVAP rd. 70.000 Mitarbeitende, Verdi rd. 3% Mitglieder in der Altenpflge. Der ges. Anzahl von Beschäftigten in der Altenpflege liegt bei rd. 1,2 Mio. Zwei nicht Repräsentative im Bereich Altenpflege wollen des ges. Bereich regeln? Warum gibt es eine Pflegekommission, die bisher gut gearbeitet hat? Diese hat eine große gesellschaftliche Akzeptanz bei allen Beteiligten und sollte Mindestarbeitsbedingungen weiterentwickeln. Ich bin mal gespannt, ob die Parteien des TV sich selbst an diesen halten werden. Meine Befürchtung ist leider, dass dieser vor Inkrafttreten bereits wieder gekündigt wird.