Die Politik sollte mehr Sanna Marin wagen!

Sanna Marin (Mitte) trägt Verantwortung, feiert aber auch gerne. Quelle: Wikipedia, Foto: FinnishGovernment, Lizenz: CC BY 2.0

Als ich das im Internet kursierende Video von der feiernden finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin erstmals sah, da habe ich mich gefreut. Was für eine coole Politikerin, dachte ich!

Endlich wurde das triste, graue Image der Spitzenpolitiker einmal durchbrochen. Die 36-jährige Marin zeigte sich gut gelaunt, tanzte, sang, hatte offensichtlich viel Spaß, als sie mit ihren Freunden irgendwo privat feierte. Wäre es nicht schön, wenn sich mehr Politiker so lebensfroh zeigen würden?

Ich fragte mich, wem ich das hierzulande überhaupt zutrauen würde. Welcher Verantwortungsträger hat schon den Mut sich so privat und ungezwungen zu zeigen? Mir fielen nicht viele Politiker ein, denen ich das zutrauen würde. Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen vielleicht noch am ehesten. Die ist auch vergleichsweise jung und scheint als Mutter auch privat noch mitten im Leben zu stehen. Typen wie Olaf Scholz und/oder Markus Söder kann ich mir ehrlich gesagt überhaupt nicht ausgelassen feiernd vorstellen. Egal. 😉

Als ich dann mitkriegte, wie viel Kritik Sanna Marin für das Filmchen erhielt, war ich baff. Natürlich ist es ungewöhnlich für eine Regierungschefin solche Bilder zu produzieren. Wie ich erfuhr, wollte Marin das ja auch nicht. Ein Freund soll das Video ohne ihr Wissen/Zustimmung rausgehauen haben.

Eigentlich schade, dass solche Szenen nicht häufiger die Runde machen. Glaubt denn hier jemand, dass andere Politiker nicht ein ähnliches Privatleben haben? Natürlich haben auch unsere Kanzler, Ministerpräsidenten und Minister ein Leben außerhalb der offiziellen Termine.

Ich bin davon überzeugt, dass da stellenweise weit unangemessenere Dinge ablaufen, als eine wild tanzende und singende Ministerpräsidentin. Die in den vergangenen Tagen entstandene Aufregung verstehe ich daher gar nicht.

Mich erinnerte die Geschichte spontan an ein Erlebnis aus dem Jahre 2017 vor meiner eigenen Haustür. Seinerzeit löste der damalige CDU-Landtagskandidat Ulrich Meick, bei einem zunächst wenig beachteten Neujahrsempfang der Partei in Castrop-Rauxel, einen Sturm der Entrüstung aus.

Meick sagte damals  in offenkundigem Übermut zu seinen Partei-Mitstreitern: „Wir können doch mit europäischen Nachbarländern reden, ob die Flüchtlinge bis zu ihrer Abschiebung auf einer unbewohnten Insel bleiben können.“ Dieser üble Spruch blieb intern zunächst weitestgehend unwidersprochen.

Erst als er irgendwann an die Lokalpresse geriet, wurde die unsägliche Aussage entsprechend heftig kritisiert. Viele Zeitgenossen forderten damals Konsequenzen aus dem geschmacklosen Redebeitrag, der dem Image der Partei im Wahlkampf schweren Schaden zuzufügen drohte. Auch hier im Blog hatten wir das damals in einem Beitrag thematisiert.

Ein solch verbal enthemmtes Verhalten in politischen ‚Hinterzimmern‘, was einen echten politischen Schaden anrichten kann, ist in meinen Augen dann auch viel mehr ein Grund für einen echten Skandal als eine ausgelassen feiernde Frau Mitte 30, die einfach mal mit Freunden in privater Umgebung viel Spaß hat.

Ich würde mir daher wünschen, dass die Gesellschaft ein noch größeres Verständnis dafür entwickelt, dass auch Politiker nach der ‚Arbeit‘ einfach nur Menschen sind. Menschen, die, insbesondere wenn sie unter großem Druck stehen, so wie Marin es in diesen politisch schwierigen Zeiten unbestritten tut, auch einmal das Recht auf eine ausgelassene Feier haben.

Und solange alles im legalen Rahmen bleibt und nicht ausartet, so dass sie ihre Arbeit noch ordentlich machen kann, finde ich das auch nicht nur völlig verständlich, sogar sympathisch und ziemlich cool. Das ist aus meiner Sicht auch allemal besser als in einem vermeintlich von Kritikern unbeobachteten Moment verbal komplett aus der Spur zu geraten und in politisches Stammtischniveau am rechten Rand abzugleiten.

Wäre es nicht toll, wenn in der Politik zukünftig deutlich mehr Menschen diese Natürlichkeit und Lockerheit einer Sanna Marin an den Tag legen würden?

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Susanne Scheidle
Susanne Scheidle
2 Jahre zuvor

Exakt das ging mir auch durch den Kopf, als ich von der Aufregung las, die durch dieses Video ausgelöst wurde.
In diesen schweren Zeiten darf eine Regierungschefin nicht ausgelassen feiern?
So ein Schmarrn.
Wochenlang Urlaub machen während daheim die Hütte brennt, das ist was andres. Aber ein ausgelassener Abend? Den brauchen wir doch wohl alle mal, erst recht in schweren Zeiten!
Das erinnert mich stark an das 1-minütige Video einer tanzenden Polizistin jüngst beim CSD, über das sich auch viele Zeitgenossen echauffiert haben, weil das „der Würde der Polizei“ irgendwie schädlich wäre oder so.
Geht’s noch?

PS: EIN deutscher Politiker tanzend fällt mir ein: Erinnert sich noch jemand an den zappelnden Oskar Lafontaine beim „Rave“? Das war allerdings zum Fremdschämen…

Bülent Zünbüldere
Bülent Zünbüldere
2 Jahre zuvor

Na und? Solange Sie sich nicht korrumpieren lässt und das versucht umzusetzen wofür Sie die Menschen gewählt haben ist es mir schnurzpiepsegal wenn Sie Ihren Stress durch Tanzen abbaut.Im Gegenteil es zeigt dass Sie ein ganz normaler Mensch ist.Das sollten sich unsere Politiker von Ihr abschauen anstatt hier den Oberschlaufen super führungsstarken Halbstarken zu spielen.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
2 Jahre zuvor

Was mich masslos ärgert an der Berichterstattung, das immer wenn solche haltlose Kritik aus mächtigen nicht repräsentativen Spießerkreisen kommt, die Kommentarfunktionen in den meisten Blättern abgestellt werden.
Hier geht es nur und ausschließlich darum Misstraue zu sehen und Ruf zu schädigen. Bzw. medienseitig sich mit niederen Beweggründen zu bereichern.
Die wissen ganz genau, das sie im Kommentarbereich zerfetzt würden.
Was über die Ministerpräsidentin Finnlands veröffentlicht wurde kann man getrost als grundlose Verleumdung bezeichnen und sollte eigentlich strafrechtlich verfolgt werden.
Den nichts Anderes sind die weitergehende spekulativen Unterstellungen, die ohne Indiz und Beweis erhoben wurden.
Sie sollten zum Verlust des Presseausweises führen .

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