Es wird ja wieder viel über die Polizei ™ gesprochen. Einige, unter meinen Facebookfreunden wenige, nutzen die Polizei und somit die Polizisten als Projektionsfläche für alles, was sie am Staat hassen. Das kann man machen. Es widerspricht nur der Empirie, und sicherlich auch, weil es der Empirie entspricht, dem Erleben der Mehrheit der Bürger.
Der Polizist, der den Autounfall aufnimmt, der Polizist, der hilft, wenn man Opfer eines Raubes, Diebstahls, Einbruchs geworden ist, auch sie alle sind Polizisten. Sie sind meist beliebt. Bei Demonstrationen sichern Polizisten demokratische Rechte, sowohl die der Demonstrierenden wie der Gegendemonstranten, als auch der Presse. Ja, manchmal versagen sie dabei, und ja, es ist richtig, darüber zu berichten.
Niemand hat mehr Interesse als die Polizei selbst, diejenigen Polizisten, die den Rechtsstaat nicht ehren und verteidigen, zu demaskieren, aber auch insgesamt Polizisten, die gegen Gesetze verstoßen, ihrer Strafe zuzuführen.
Seit einigen Jahren unterrichte ich junge Polizisten an der FHöV und habe nun nach Bachelor-Arbeiten dort auch die Kolloquien abgenommen. Was mir klar wurde: Polizisten sind vor allem immer Gefahr ausgesetzt, sie reflektieren diese Gefahr, sie versuchen sich zu schützen, sie versuchen ihre Psyche zu schützen. Dem einen gelingt das mal besser, dem anderen mal schlechter. Die Selbstmordrate unter Polizisten ist deutlich erhöht und immer wieder sind Polizisten Opfer von gezielter und zufälliger Gewalt, von Unfällen und widrigen Umständen, während ihrer Einsätze. Es ist gut, dass Menschen sich trotzdem entschließen, diesen Beruf zu ergreifen, und es ist gut, wenn wir ihnen ermöglichen, diesen Beruf bestmöglich auszuüben.
Dazu gehört, dass wir sie bestmöglich ausbilden, sie bestmöglich ausrüsten, ihnen bestmöglich klar machen, dass sie Menschen und Staatsdiener sind, und dass es manchmal dass Bestmögliche ist, Fehler innerhalb der eigenen Truppe zu benennen, zu analysieren und auszubessern.
Weil nur so die Polizei das bleibt, was sie ist: ein Organ, dass dem Rechtsstaat und seiner Aufrechterhaltung dient. Eine Polizei als Selbstzweck kann es in einem demokratischen Rechtsstaat nicht geben. Manchmal gibt es Funktionäre einer kleineren Polizeigewerkschaft, die das aus den Augen verlieren.
Ich wünsche den frischgebackenen Polizistinnen und Polizisten der FHöV NRW alles Gute.
Sie haben gut im Studium abgeliefert. Sie werden auch im Beruf abliefern. Manchmal werden Sie nicht weiter wissen, manchmal Fehler machen. Das ist normal. Das tun wir alle. Wenn Sie aufhören, Fehler zu machen, und aufhören, über Vorgänge zu reflektieren, dann sollten Sie den Beruf wechseln.
Aber ich gehe nicht davon aus, dass Ihnen das passieren wird!
(Das Obige habe ich zunächst als privaten Kommentar gepostet. In der Ruhrbarone-Redaktion war man der Meinung, dass es gut hier in den Blog passen würde. Ich war unsicher. Nun steht es hier.)
Diejenigen, die die Definition des funktionierenden Organs des Rechtsstaats leider nicht teilen: "…wir brauchen Menschen, die mal in den Stadtpark gehen und einen umklatschen" http://www.spiegel.de/politik/deutschland/chemnitz-nach-den-ausschreitungen-alle-boesen-sollen-wieder-gehen-a-1225166.html :(((
Da ich familiär mit (Ex-)Polizeibeamten "belastet" bin, wünsche ich ebenso allen Newcomern im Job, dass sie ihren Mut und vor allem ihre stabile Psyche lange, lange beibehalten mögen.
Ein guter Text, der eigentlich eine Selbstverständlichkeit ausdrückt.
Ich würde mir wünschen, dass auch Richter, wenn sie mal wieder bei Mehrfachtätern/Gefährdern über deren Zukunft entscheiden, auch mal daran denken, welche Konsequenzen es hat, wenn immer wieder dieselben Personen bei denselben Taten angetroffen werden.
Dies ist für das Sicherheitsgefühl, die Akzeptanz der Justiz und sicherlich auch für die Motivation der Polizisten eine Katastrophe:
Beispiel:
https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4971/3610735
"Ein Ladendieb (54 Jahre / ohne festen Wohnsitz in Deutschland) hatte gleich mehrfach Eigentumsdelikte begangen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Teilweise wurde er zweimal am Tag wegen Ladendiebstahls aufgegriffen, bislang wurde er trotz nachweislicher 88 Delikte immer wieder frei gelassen.
Der EK Nordstadt gelang es, gegen den 54-Jährigen einen Haftbefehl zu beantragen. Die 88 Delikte und der nicht vorhandene Wohnsitz langten nun, um Wiederholungs- und Fluchtgefahr zu begründen."
Entschuldige bitte, lieber Sebastian, aber ich halte es für einen Ausdruck völlig unkritischer Übernahme polizeilicher Publicity, wenn Du schreibst: "Niemand hat mehr Interesse als die Polizei selbst, diejenigen Polizisten, die den Rechtsstaat nicht ehren und verteidigen, zu demaskieren, aber auch insgesamt Polizisten, die gegen Gesetze verstoßen, ihrer Strafe zuzuführen." Wenn das so wäre, würde sich die Polizei nicht derart emphatisch gegen die bundesweite Einführung einer Kennzeichnungspflicht sträuben, wie sie es derzeit tut. Außerdem werden Polizeiwissenschaftler, Amnesty International und viele mehr nicht müde zu betonen, wie auffällig es sei, dass die Zahl der Strafverfahren gegen Polizeibeamte, die zu einer Verurteilung führen, gen Null tendiert. Über Korpsgeist und die gängige Praxis, Anzeigen unmittelbar mit einer Gegenanzeige wegen angeblichen Widerstands zu kontern, ist immer wieder berichtet worden; das muss man wohl hier nicht weiter ausführen. Im Deutschlandfunk gab es erst kürzlich ein Feature zu dem Thema (https://www.deutschlandfunk.de/polizeigewalt-in-deutschland-taeter-in-uniform.1247.de.html?dram:article_id=420459). Über zwanzig Jahre Demo-Erfahrung haben bei mir außerdem den Eindruck hinterlassen, dass es in der Polizei einen weitverbreiteten Hass auf alles Linke gibt, den Polizist_innen in der Anonymität der Hundertschaften nur zu gerne ausagieren. Zugegeben, diejenigen, die ihre Macht missbrauchen, sind oft nicht die Mehrheit, aber die Mehrheit drumherum schützt solche Täter und ist deshalb keinen Deut besser. Derzeit bekommen solche Leute weitere Freifahrtscheine für Willkür ausgehändigt, indem ein Bundesland nach dem anderen verschärfte Polizeigesetze verabschiedet. Zugleich gibt es nicht den geringsten Willen, Kontrollmechanismen einzuführen, mit denen wenigstens die eklatantesten Fälle von Machtmissbrauch aufgedeckt werden könnten, und solche werden im Zuge der neuen Polizeigesetze vermutlich eher zu- als abnehmen.
Sie "sichern" also "demokratische Rechte, sowohl die der Demonstrierenden wie der Gegendemonstranten, als auch der Presse"? Etwa so wie in Entenwerder, wo sich die Polizei im Kontext des G20 über eines Gerichtsbeschlusses hinwegsetzte, um ein Protestcamp gewaltsam zu räumen? Auch so etwas ist alles andere als ein Einzefall.
Mal schauen wie viel von demokratische Rechte noch übrig sein wird, wenn demnächst dank neuem niedersächsischen Polizeigesetz schon Menschen, die noch überhaupt keine Straftat begangen haben, präventiv in den Knast wandern dürfen – bis zu 74 Tage lang ohne Anspruch auf Rechtsvertretung, allein aufgrund Prognosen der Polizei. Müssten bei jemandem, der ständig den Wert der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hochhält, da nicht alle Alarmglocken angehen? Warum versteckt sich jemand, der sonst so viel Courage einfordert, hier hinter Floskeln, die nicht das Papier wert sind, auf dem sie die Polizeipressestellen lancieren?
@ #3
Da sind viele berechtigte Kritikpunkte an Polizeieinsätzen bei dir. Dem widerspreche ich nicht.
Aber ich erlaube mir den Hinweis, dass Polizeigesetze _nicht_ von der Polizei sondern von der Politik gemacht werden. Ich weiß, dass du das weisst. Klar. Aber auch bei dir klingt es so, als wäre das auf dem Mist der Polizei gewachsen – ist es aber nicht. Die Politik definiert den Handlungsrahmen – dafür ist nicht der Polizei der Schwarze Peter zuzuschieben.
@ Sebastian: Aber die Politik verabschiedet die Verschärfungen doch u.a. wegen kontinuierlicher Lobbyarbeit mit dem Tenor, Gewalt gegen Polizeibeamte nehme ja ach so drastisch zu, wobei es keine Erhebungen gibt, die das bestätigen, sondern nur das Bauchgefühl der Polizei.
P.S. Bei aller Kritik an dem vorliegenden Artikel ist mir wichtig Dich wissen zu lassen, dass ich das meiste, was ich sonst so von Dir lese wie auch vieles andere der Barone insgesamt superklasse finde, vor allem, man kann es gar nicht oft genug betonen, dass hier konsequent nicht gegen Israel gehetzt wird!
Vielen Dank für das Lob! 🙂
Zu der Gewalt gegen Polizisten hoffe ich morgen nochmal Zeit zum Googlen zu finden – ich meine, da gab es Studien/ Empirie.
Ansonsten müssen wir wohl vorerst damit auskommen, nicht einer Meinung zu sein 😉
@3
Ja, die Polizeigesetze sind ein Schritt in die falsche Richtung.
Ich habe eine erhebliche Allergie gegen eine sinnlose Totalüberwachung, die Sicherheit vorgaukalt, statt die wenigen wirklichen Gefährder/Intensivtäter intensiv zu beobachten (natürlich nach Gerichtsbeschluss).
Trotzdem: Wenn ich den Text #3 lese, wundert es mich wirklich, dass Gerichte Gefährder nicht unmittelbar aus Deutschland ausweisen, um sie vor dem Staat zu schützen.
Die Perspektive der Polizisten, die einfach Menschen, die das nicht selbst können, beschützen wollen,fehlt. Viel zu oft. Danke also für diesen guten Artikel.
Ich konnte grade beobachten, wie Polizisten mit richtig viel Engagement und Arbeit die Beziehungen zwischen Anwohnern und einer Flüchtlingsunterkunft, die von Spitzbuben unterwandert worden war, wieder verbessert haben. In meiner Bekanntschaft gibt es keine Sheriffs, die "alles Linke hassen". Mit diesen Polizistinnen ist auf jeden Fall mehr Rechtsstaat als ohne sie.
Also all den jungen Berufsanfängern alles Gute und Bewahrung in diesen stürmischer werdenden Zeiten. Und besonnenere Politiker, die ihnen ihre Einsatzvorgaben machen.
… und nun singen alle das Hohe Lied auf die Polizei:
"Jupheidi und Jupheida
Hausdurchsuchung, Razzia
Jupheidi und Jupheida
Sie sind wieder da"
Der Staatsglaube und der Glaube das die Polizei irgendein Interesse an rechtstaatlichen Handeln in ihren Reihen habe ist schon sehr süß.
Die Grundannahme des Artikels, dass die Polizei "ein Organ, dass dem Rechtsstaat und seiner Aufrechterhaltung dient", ist, ist sicher zu bejahen. Ja, jeder kennt Situationen, in der er dankbar für die Arbeit der Polizei ist. Deswegen verdienen PolizistInnen sicher grundsätzlich die Unterstützung der Bevölkerung.
Dennoch scheint mir dieser Satz bestenfalls naiv:
"Niemand hat mehr Interesse als die Polizei selbst, diejenigen Polizisten, die den Rechtsstaat nicht ehren und verteidigen, zu demaskieren, aber auch insgesamt Polizisten, die gegen Gesetze verstoßen, ihrer Strafe zuzuführen."
In der Theorie ist das so. Und ja, reflektierte, selbstkritische Polizisten, die ihre Aufgabe recht verstehen und nicht ihre Position als Selbstzweck sehen, sondern als Arbeit für Sicherheit in einem demokratischen Rechtsstaat, die es manchmal eben auch erfordert, gegen Missstände in den eigenen Reihen vorzugehen – sehen das sicher auch so.
Aber es gibt nun mal sehr viele Polizisten, die nicht so reflektiert sind, oder die von einem falsch verstandenen Law&Order-Verständnis her eher für Sicherheit als für Freiheit sind, oder die sich durch Konfrontationen mit Einzelpersonen in der Arbeit zu einer negativen Haltung gegenüber der ganzen Gruppe verleiten lassen, oder die eine falsche gruppeninterne Solidarität (Corpsgeist) entwickeln, usw. – es gibt sicher viele psychologisch verständliche Ursachen, die dazu führen, dass Polizisten eben nicht diesem Ideal folgen.
Ganz abgesehen davon, dass es – wie in der Gesamtbevölkerung auch – natürlich auch in der Polizei Rassisten und Rechtsradikale gibt. Das alles führt dazu, dass statt der schönen Theorie in der Praxis alzu oft eben doch das genaue Gegenteil zu sehen ist. Und die Anstrengungen dazu, das zu vermeiden, müssten mE deutlich verstärkt werden – statt das Politiker wie er sächsische MP sich völlig kritiklos hinter die Polizei stellen.