Corona hat auch das Geschäft der Scharlatane verändert. Konferenzen via Zoom und angebliche Heilmittel über den Online-Shop sind zurzeit Alltag. Und auch diejenigen, welche die Existenz des Virus wie aller Viren leugnen, haben Weg gefunden mit ihm Geld zu verdienen. Bernd Harder ist Chefredakteur der Zeitschrift Sekptiker und langjähriges ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP)
Seit einem halben Jahr ist Corona das alles bestimmende Thema. Wie hat die Szene der Pseudomediziner und Quacksalber auf die Pandemie reagiert?
Bernd Harder: Zwei Homöopathenverbände waren zu Beginn von der Pandemie sehr beeindruckt und haben ihren Mitgliedern empfohlen, sich an die Vorgaben des Robert-Koch-Institutes zu halten. Aber es dauerte nicht lange, bis diese Empfehlungen wieder relativiert wurden. Heute achtet man darauf, sich nicht rechtlich angreifbar zu machen, aber zwischen den Zeilen lautet die Empfehlung an die Mitglieder: Macht was ihr wollt.
Verwundert sie das?
Harder: Nein, überhaupt nicht. Die Organisation Homöopathen ohne Grenzen ist in Afrika unterwegs und will mit homöopathischen Methoden Ebola heilen. Wer glaubt, er könnte den extrem tödlichen Ebola-Virus bekämpfen, bei dem zwischen 50 und 90 Prozent der Infizierten sterben, hat vor dem deutlich harmloseren Coronavirus erst recht keinen Respekt.
Die Szene der Pseudomediziner ist groß und bunt. Neben den Homöopathen gibt es noch alle möglichen Schamanen und Heiler.
Harder: Auch die anderen Quacksalber haben sich schnell auf Corona eingestellt und gingen mit der Zeit. Vom 23. März bis zum 8. April gab es einen Kongress. Natürlich via Zoom. Da traten dann spirituelle Lehrer, Kräuterfrauen, Bewusstseinsforscher, Verschwörungstheoretiker, Möchtegernjournalisten und Heilpraktiker auf. Es war ein Stelldichein des Wahnsinns. Themen waren „eine neue Sicht auf das Coronavirus“, die Bedeutung der Prophezeiung der Mayas für unsere heutige Zeit und die Leugnung der Existenz von Viren. Das betraf dann natürlich auch Corona. Sogar eine Feuerzeremonie gab es, die eine Verbindung zum Baum des Lebens schaffen sollte.
Beeindrucken ließ sich von diesen Leuten niemand von Corona. Die Szene macht so weiter wie immer. An ihrer Selbstüberschätzung hat sich nichts geändert. Man ist nach wie vor davon überzeugt, über ein geheimes Wissen zu verfügen, das sich Ärzten nicht offenbart und hält sich für unterschätzt und unterdrückt.
Was bieten die Quacksalber, um an das Geld der Gläubigen zu kommen?
Harder: Obwohl jeder schon seine eigene Methode hat, gleichen sie sich in einem Punkt: Sie versuchen, die Zweifel und Unsicherheiten der Kunden auszunutzen. Was im Moment hoch im Kurs steht, sind Mittel zur Stärkung des Immunsystems. Nur kann man das Immunsystem gar nicht stärken, schon die Idee ist grundfalsch. Unser Immunsystem ist ausgewogen – es darf auf Bedrohungen weder über noch unterregeagieren. Bei Covid19 tragen ja Überreaktionen des Immunsystems zu einem schweren Krankheitsverlauf bei.
Viele verkaufen jetzt Vitamine und exotische Pflanzen. Da sind auch die Gewinnspannen sehr hoch, das lohnt sich.
Und wie sind die Reaktionen der Kunden?
Harder: Das ist schwer einzuschätzen und sie haben sich auch während der Pandemie verändert. Im April habe ich in einem Interview gesagt, ich würde schätzen, dass selbst von den zehn Prozent der Bevölkerung die Impfskeptiker sind, sich viele gegen Corona impfen lassen würden, denn es sei ja klar, dass es nur mit einer Impfung eine Rückkehr zum normalen Leben geben könne. Ich war also bei den Impfskeptikern optimistisch, natürlich nicht bei den Impfgegnern. Bei denen ist Hopfen und Malz verloren, die glauben oft nicht einmal an Viren und hängen paranoiden Verschwörungstheorien an.
Und heute?
Harder: Heute bin ich nicht mehr so optimistisch. Nach den Ergebnissen der neuesten Cosmo-Studie der Universität Erfurt von Ende Juni würden sich nur noch 64 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik impfen lassen, wenn es einen Impfstoff gegen Corona gäbe. Im April waren das noch 79 Prozent. Wir sehen hier das Ergebnis des Präventionsparadoxons. Durch die Schließung der Schulen und Geschäfte, durch das Verbot von Veranstaltungen aller Art und dem massiven Ausbau der Krankenhauskapazitäten ist es in Deutschland bislang nicht zu der großen, befürchteten Corona-Katastrophe gekommen. Szenen wie in Norditalien, wo Militär-LKW Tote abtransportieren mussten, gab es nicht. Viele glauben nun, die Gefahr sei vorbei oder Corona doch nicht gefährlicher als eine normale Grippe. Im April war die Angst vor Corona größer, obwohl die Lage heute weltweit deutlich schlimmer ist als damals. Aber die Nachrichten aus Brasilien, den USA oder Großbritannien dringen nicht mehr durch. Für die Quacksalber ist der relativ milde Verlauf der Pandemie in Deutschland, auch hier gab es ja bereits fast 10.000 Todesfälle, der Beleg dafür, dass sie immer schon recht hatten, es Corona gar nicht gibt oder die Pandemie nicht schlimmer als eine normale Grippe ist. Ich fürchte, dass wenn sich die Lage bei uns nicht verschlimmert, was ja nicht auszuschließen, aber absolut nicht wünschenswert ist, sich daran nichts mehr ändern wird.
Es gibt keine Viren, ein paar Vitamintabletten helfen gegen eine Pandemie und Ebola lässt sich mit Zuckerkügelchen heilen. Zum Teil wird das ja von Menschen behauptet, die Medizin studiert haben und nicht nur von irgendwelchen Irren, die nackt bei Vollmond um Bäume tanzen. Glauben die das wirklich oder haben sie nur einen eleganten Weg gefunden, anderen das Geld aus der Tasche zu ziehen um morgens nicht früh aufstehen und arbeiten zu müssen?
Harder: Das ist in der Szene sehr unterschiedlich. Es gibt Ärzte, die immer mit ihrem Fach gehadert haben und wirklich an Globuli und allen möglichen Hokuspokus glauben. Das sind Überzeugungstäter. Die ziehen, wie gesagt, auch durch Afrika und kämpfen mit Zucker gegen Ebola. Dann gibt es die Geschäftemacher. Die reden Corona klein, warnen vor der angeblich so böse Pharmamafia und raten von konventionellen Behandlungen ab. Von denen haben etliche auf ihrer Homepage einen Shop und bieten Vitamine und Stärkungsmittel an. Die sind nicht nur Ärzte, sondern auch Kaufleute. Und dann sind da die Narzissten: Die sehen jeden Tag Christian Drosten im Fernsehen und in der Zeitung und sind von Neid zerfressen. Der hat die ganze Aufmerksamkeit und sie nicht. Wie kommt man an Aufmerksamkeit? In dem man das Gegenteil von Drosten erzählt. Damit hat man dann gute Chancen, zumindest mal in den Lokalteil zu kommen.
Und dann gibt es noch die Neue Germanische Medizin…
Harder: In der Neuen Germanischen Medizin wird die Existenz von Viren bestritten, da bleibt man sich also treu. Auch in der alten germanischen Medizin vor 2000 Jahren waren Viren ja noch unbekannt. Auf das Geschäft mit Viruserkrankungen möchte man natürlich trotzdem nicht verzichten und deutet sie um: Die Krankheitsbilder würden durch innere Konflikte verursacht. Und da ist man natürlich gegen Geld gerne bereit zu helfen. Die heilen dann, wie bei ihrer Krebstherapie, bis die Menschen verrecken.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Jungle World