Die Rücktrittsforderungen an Sören Benn sind lachhaft, zurücktreten muss er trotzdem

Sören Benn Foto: Cyzen Lizenz: CC BY-SA 4.0


Sören Benn ist als Bürgermeister von Berlin-Pankow wiedergewählt. Das wäre eigentlich keine Schlagzeile wert, wäre er nicht mit Stimmen der AfD gewählt worden. Die Stimmverteilung, das wurde schnell klar, lässt keinen anderen Schluss zu. Mittlerweile berichten mit dem FOCUS und dem SPIEGEL auch nationale Zeitschriften und Medienhäuser. Die Wahl erinnert nicht nur an die Causa Kemmerich, sie ist eine direkte Kopie.

Dass Sören Benn gerade die Annahme der Wahl vorgeworfen wird, ist natürlich total lachhaft. Man darf der AfD nicht das Quorum geben, mit Defektieren die Demokratie zu bestimmen. Das war nach der Wahl Kemmerichs die richtige Position, sie ist noch heute richtig. Die Linke aber hat sich damals derartig an Kemmerich festgefressen und stets betont, sie würde sowas niemals tun. Von einem Zivilisationsbruch war die Rede, Kanzlerin Merkel sprach im Nachgang davon, die Wahl sei rückgängig zu machen.

Jetzt aber macht die Linke genau das Gleiche. Und stellt sich am Ende noch so dreist hin, die Wahl sei ja geheim gewesen, daher könne man nicht wissen, wer Benn gewählt habe. Der geneigte Zuhörer hat sicherlich vergessen, dass in Thüringen mit Rauchzeichen gewählt wird. Aber auch einseitige Wahrheiten in der politischen Kommunikation ist man ja wohnt.

Und genau deshalb gehört die Linke dafür auch gejagt und beworfen, um ihr und allen, die damals in unfassbarer moralischer Scheinheiligkeit das Verhalten der FDP kritisiert haben, den Spiegel vorzuhalten.

So geht es nicht. Regeln gelten für alle. Und wenn man der AfD die Deutungshoheit entziehen möchte, dann muss man das tun, indem man Menschen am Handeln misst und nicht daran, wer mit seiner Stimme vorab versucht hat, einem Kandidaten zu schaden. Nur dann kann der AfD der Handlungsspielraum entzogen werden.

Sonst schadet man der Demokratie und dient radikalen Rändern. Und sonst nichts.

Und jetzt muss Sören Benn zurücktreten.

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yohak
yohak
2 Jahre zuvor

Natürlich, Regeln müssen für alle gelten. Aber folgt daraus wirklich, daß Sören Benn zurücktreten sollte. Wäre es nicht besser, er (und seine Partei) würden sich bei Kemmerich entschuldigen und Benn bliebe im Amt? Das wäre ein echter Schritt weg von Hysterie und hin zu pragmatischer Vernunft.

Tolduso
Tolduso
2 Jahre zuvor

"Regeln gelten für alle"
Nicht alle Regeln, offensichtlich. Aber egal- welche Regel war das denn?

Aber schon skandalös was sich die AfD da erdreistet, kein Vertun:
"Wir haben für Benn gestimmt – im Sinne der persönlichen Qualifikation", sagte der AfD-Fraktionschef der Pankower Bezirksverordnetenversammlung"

Nun ja, vielleicht wurde ja gegen die Regel verstossen, auf keinen Fall jemand mit persönlicher Qualifikation in ein öffentliches Amt zu wählen.

Emscher-Lippizianer
Emscher-Lippizianer
2 Jahre zuvor

Honeckers Rache würde dazu sagen: "Das muß rückgängig gemacht werden."

Ausgerechnet in Stasigrad, wo die Jünger der RAF und der Stasi mit so ein paar SPDisten auf politischer, wirtschaftlicher, verwaltungstechnischer und moralischer Ebene Ruinen schaffen ohne Waffen, regt man sich auf? Wenn ich sehe, welche amoralischen Gestalten hier Moralisieren, könnte selbst ich demnächst noch die Doofmänner*innen der AFD wählen.

UIrich
UIrich
2 Jahre zuvor

Sören Benn ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit den Stimmen der fünf AfD-Bezirksverordneten gewählt worden, sondern mit denen von sechs CDU-Bezirksverordneten. Zwei weitere haben sich der Stimme enthalten. Linke und SPD bilden in Pankow eine Zählgemeinschaft. Darüber hinaus gibt es aber eine Vereinbarung zwischen SPD und CDU, die nur mit Benn als Bürgermeister Sinn ergibt.

Bereits in der letzten Legislaturperiode gab es in der BVV parteiübergreifend ganz massive Kritik am von den Grünen gestellten Baustadtrat Vollrad Kuhn. Bestenfalls war der Mann vollkommen überfordert – oder schlimmeres. Und auch die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Wahl im September wird allgemein als völlig ungeeignet für das Bürgermeisteramt.

Zudem gibt es zahlreiche Ungereimtheiten um das Kino Colosseum in Prenzlauer Berg. Dieses gehörte Atze Brauner. Nach dessen Tod haben die Erben Insolvenz angemeldet, sie strebten den Umbau in einen Bürokomplex an. Ursprünglich gab es in der Pankower BVV eine Übereinkunft, dieses Kino zu erhalten. Plötzlich aber scherten die Grünen aus, ein eng mit der Partei verbandelter Planer hatte andere Pläne. Und die Spitzenkandidatin präsentierte dann einen Hamburger Investor, den sie angeblich persönlich für den Gebäudekomplex geworben hatte.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
2 Jahre zuvor

Selbst wenn er mit Stimmen der AfD gewählt wurde, das ist Demokratie und wer das nicht respektiert ist keine Demokrat.
Wenn die Rechthaber in den moralisch selbstermächtigten Parteien eine realistischere Politik machen würden, gäbe es auch keine AfD.
Deshalb sind auch Journalisten gut beraten, die Politik der Etablierten kritischer auf die Finger zu sehen und nicht noch mehr promotete Minderheiten wie "Fridays for Future" oder Greta hinterherzulaufen.
Die meisten Journalisten sind heute selbst an der Spitze offensichtlich viel zu unbegabt und mittelmäßig, um nicht auf "wag the dog" Geschichten aufzuspringen, wobei nicht der wahre Kern vieler solcher Geschichten geleugnet werden soll, wohl aber deren richtige Einordnung.

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