Es muss nicht verwundern, dass die Großstädte des Ruhrgebiets im Kultur-Ranking weit abgeschlagen sind. Das “Hamburger Weltwirtschaftsinstitut” hat ein solches Ranking erstellt und betont, dass die Kultur der Städte auch wirtschaftliche Entscheidungen beeiflussen kann. Das erstellte Paper (PDF) dient also letztlich als mögliches Marketinginstrument, doch kaum für das Ruhrgebiet. Im Gegenteil! Der Rat an die Wirtschaft könnte lauten: Meiden Sie das Ruhrgebiet!
Aus wissenschaftlicher Sicht kann die Studie leicht angezweifelt werden. Ein Vergleich von Städten im regionalen Strukturwandel mit solchen, die in prosperierenden Landesteilen wie Baden-Würtemberg oder Bayern liegen, berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Voraussetzungen. Nicht das Engagement, sondern das Resultat zählt, das auch von anderen Faktoren abhängig ist: von der wirtschaftlichen Entwicklung und der Kaufkraft der Bürger. Gleichfalls kann irritieren, dass auch Länder wie Hamburg und Berlin, die über zusätzliche Ressoucen verfügen, in direkter Weise einbezogen werden. Berlin hat durch seinen Haupstadtbonus und den damit zusammenhängenden Bundesmitteln weitere Investitionsmöglichkeiten. Wirtschaftlich geht es Berlin hingegen nicht besser als den Städten im Ruhrgebiet. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist laut Statistischem Bundesamt nicht größer.
Diese Zweifel sind im Marketing allerdings nebensächlich. Ein Ranking soll die Frage nach Attraktivität beantworten, nicht eine nach Engagement. Das Anliegen der Studie ist freilich politisch motiviert: “Der Vergleich zwischen den 30 größten deutschen Städten soll dazu beitragen, Potenziale einzelner Städte sichtbar zu machen und eventuelle Handlungserfordernisse im Kulturbereich aufzuzeigen.” (S. 3) Wie dies unter Einbezug der verschiedenen Vorraussetzungen jedoch gelingen könnte, wird verschwiegen. Es handelt sich lediglich um eine mehr oder weniger gut gemeinte Floskel.
Es gibt mit Bezug auf das Ruhrgebiet allerdings auch Positives hervorzuheben: In Bochum das Musical als auch das Festival “Bochum Total”, in Essen die Kulturproduktion, zu der auch die Bildungsarbeit der Folkwang zählt, in Essen und Duisburg die Folkwang, in Duisburg die Bibliotheken. Besonders schlecht schnitt speziell die Oper in Duisburg ab! Ihre Relevanz ist besonders gering, gleichwohl verschlingt dieses Engagement gut die Hälfte des städtischen Kulturetats.
ziemlich unglaubwürdiges Ranking, das an meiner Erfahrungswelt vorbeigeht,
Evtl sähe es anders aus, wenn man das Ruhrgebiet als Einheit bewerten würde statt jede Stadt für sich?
wobei dieses Ranking ansich sehr stark die finanzielle Lage der Städte zu messen scheint anstatt die kulturelle. Das macht die Ergebnisse verständlicher.
Wenn Ballungsräume im Weltmaßstab verglichen werden, würde ich den Raum Dortmund bis Ddorf evtl sogar bis Köln als Maßstab nehmen.
Wie viele Theater, Stadien, Konzerthallen, etc. gibt es in dieser Region, die in 1h erreichbar ist?
Wer Personalmarketing mit der Stadt seines Unternehmens macht, hat im Ruhrgebiet verloren, aber die Region hat kulturell sehr viel zu bieten.
Wer jetzt weltweit ein vergleichbares Angebot kennt, bitte melden.
Meistens ist im 1 Stunden-Anreise Umkreis doch nur Stau und danach Wüste/Einöde/Wald.
Die Einzeldaten sind teilweise aber sehr interessant (wenn sie denn statistisch korrekt sind). So liegen Bochum und Essen bei den Prokopfbesuchen von öffentlichen Theatern und Opern gut im Mittelfeld (wenn auch die Daten aus der Spielzeit 11/12 stammen und damit nur sehr bedingt relevant sind. Insbesondere für Essen und Dortmund, wo zu dieser Zeit neue Intendanten an den Opernhäusern begonnen haben), bei der Musikausbildung sind die beiden Städte ziemlich weit vorne. Interessant auch, dass Essen bei den Museumsbesuchen deutlich vor z.B. Frankfurt oder Düsseldorf liegt. Die Frage ist also vor allem, warum es den Ruhrgebietsstädten nicht gelingt, aus ihren offensichtlich vorhandenen Qualitäten (Marketing)Kapital zu schlagen.
@ #2 Es handelt sich zwar um ein Weltwirtschaftsinstitut, betrachtet wurden jedoch (nur) deutsche Großstädte (Paper ist im Text verlinkt).
@ #3: Ja, manche Einzelergebnisse lassen sich durchaus betrachten …
Gut erkannt … wenn man dem Ruhrgebiet ein Arbeitszeugnis ausstellte, stünde darin: Es hat sich stets bemüht 😉
Der „Shabby Chick“ der Region ist wohl kaum ein Argument für die Ansiedlung eines Wirtschaftsunternehmens. Da sind die Gewerbesteuerhebesätze wichtiger.
Aber selbst, wenn diese wieder fielen, haben bereits ansässige Unternehmen Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, weil niemand, der die Wahl hat, gerne in das Ruhrgebiet ziehen möchte. Da helfen auch keine kulturellen „Oasen“ in einer urbanen Wüste mit viel Grün und Landschaft.
Es ist und bleibt ein Circulus vitiosus, der über die Zeit zu einer Abwärtsspirale (Abwertungsspirale) geworden ist, deren Talsohle noch nicht erreicht ist.
Was das Ruhrbiet braucht, ist bestimmt nicht noch mehr defizitäre Kultur, sondern wirtschaftliche Konsolidierung.
This is similar to Detroit …
Dieses Kultur-Ranking gibt es schon seit einigen Jahren und seit Beginn finden sich die Ruhrgebietsstädte, von einigen Ausbrüchen einmal abgesehen, relativ weit hinten. Genauso lange, wie es dieses Ranking gibt, reden die Politiker im Ruhrgebiet davon, dass man die Städte der Ruhrregion nicht mit anderen Städten in Deutschland vergleichen kann. Bedauerlicherweise springt mittlerweile auch die Presse auf diesen Zug auf. In Gelsenkirchen führte das Ranking bei der WAZ Lokalredaktion 2012 zu der „irren“ Feststellung, dass es Gelsenkirchen, trotz seines schlechten Abschneidens beim HWWI immerhin unter die 30 größten
Kulturstädte der Republik geschafft hat (Zitat Anne Bolsmann: „Die gute Nachricht zuerst: Gelsenkirchen zählt laut einer aktuellen Studie des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI), die im Auftrag der Berenberg Bank erstellt wurde, zu den 30 größten Kulturstädten Deutschlands. Nachbarstädte wie Herne oder Herten tauchen in diesem Kulturstädteranking hingegen gar nicht auf.“
Kultur ist ein kostbares Gut. Was mich irritiert ist die Art und Weise, wie diesbezüglich im Ruhrgebiet mit den wenigen Geldern, die dafür zur Verfügung gestellt werden, rumgeaast wird. Über den Sinn und Insinn von Gorny und Fesels ECCE im Dortmunder U diskutieren wir hier in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zu Genüge. Ein weiteres Beispiel für das Verbrennen von Geld ist für mich das Musikzentrum in Bochum, ebenfalls ein Thema, was hier immer mal wieder thematisiert wird, auch wenns da meist ums Angeln und den Barsch geht. In Sachen Musikzentrum habe ich in den Kommentaren immer wieder gerne auf das MIR in Gelsenkirchen verwiesen. Das, was das oben kritisierte Kulturranking disbezüglich leistet, ist die Feststellung, dass die Nachfrage in Gelsenkirchen nach wesentlich geringer ist, als das durch das MIR zur Verfügung gestellte Platzangebot. Genau vor diesem Hintergrund habe ich dann meine Argumentation gegen das Musikzentrum in Bochum aufgebaut, denn von der Bochumer City bis zum Gelsenkirchener MIR sind es gut 10 km. Würden die Bochumer Philharmoniker, ähnlich wie die Philharmonie Westfalen, bereit sein, in Gelsenkirchen zu spielen, würde das dazu führen, dass Gelsenkirchen in diesem Ranking etwas besser darstehen würde. Denn eine steigende Nachfrage im MIR hätte automatisch einen besseren „Index Kulturrezeption zur Folge“, der nämlich gibt Auskunft darüber, wie das Kulturangebot von den Bürgern nachgefragt wird.
Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass die Ruhrbarone mit ihrer Feststellung, dass in dem Ranking Äpfel mit Birnen vergliechen werden, ähnlich dämlich vorgehen, wie die WAZ Lokalredaktion Gelsenkirchen. Aber ich bemängele die einseitige Leseweise dieses Rankings.
Herauslesen kann man, wie dargestellt, dass es im Gelsenkirchener MIR wesentlich mehr Plätze gibt, als von den Besuchern nachgefragt werden und daraus wiederum lässt sich die Frage entwickeln, wieso man in Bochum für unzählige Millionen ein neues Musikzentrum bauen muss, statt erst einmal zu versuchen, dass MIR voll zu bekommen.
hier gehts zu dem von mir erwähnten WAZ Artikel aus 2012:
https://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen/kulturstaedteranking-unter-der-lupe-id6945260.html
@ #6 Ein wirtschaftlicher Aufschwung wäre unumgänglich – noch fehlen jedoch Konzepte. Und es ließen sich durch geschickte Maßnahmen kulturelle Schwerpunkte entwickeln, die sich innerhalb der Region ergänzen und zu einer Profilbildung beitragen können …
@ #7 Ich habe mit einigen Beispielen selber auf die Daten zugegriffen. Es lässt sich manches erkennen, ohne Zweifel, solange man nicht Berlin mit Gelsenkirchen oder Duisburg vergleicht. Der Hinweis auf das Musikzentrum (Bochum) und MIR (Gelsenkirchen) deutet etwas an, das auch mir ‚vorschwebt‘. Regional eine Profilbildung anzustreben! Duisburg könnte sich z.B. auf das erfolgreiche Ballett (samt Philharmoniker) konzentrieren …
Reinhard, davon träumen wir hier schon ganz lange, aber es will keiner diese Profilbildung und die damit verbundene Arbeitsteilung. Stattdessen geht es um Abgrenzung zu anderen Ruhrgebietsstädten. Das alte Spiel halt.
Wir sollten keinesfalls aufhören zu träumen, Herr Voss, und gleichzeitig auch nicht aufhören Fehlentwicklungen wie ECCE zu brandmarken. Der Kulturbereich ist vermutlich neben dem ÖPNV jener Bereich, der am dringendsten eine ruhrgebietsweite Planung und Vereinheitlichung braucht. Karlheinz Petzinka schlug während der RUHR.2010 vor, alle Museen im Ruhrgebiet zu schließen und die Sammlungen in einem einzigen Museum zusammenzulegen. So entstünde ein Museum von tatsächlichem Weltrang. Geblieben ist davon die Idee des Verbundes der Ruhrkunstmuseen. Würde dieser Verbund konsequent weitergedacht und entwickelt – mit thematischer und terminlicher Vereinheitlichung von Ausstellungen usw. – läge darin ein enormes Potenzial. Gleiches gilt für die große Dichte an Opernhäusern. Eine übergreifende Planung müsste hier zu einer Spezialisierung der Häuser führen. Im MIR z.B. das Repertoire des 20. und 21. Jahrhunderts, in Essen das klassische Repertoire und in Dortmund Operette, komische Oper und Musical. So eine Spezialisierung bedingt allerdings, dass sie von allen Städten getragen wird, da klar ist, dass einzelne Genres (zunächst) unterschiedlich gut ausgelastet sind. Mit einer solchen Konstruktion würde das Ruhrgebiet seine als einzigartig bezeichnete Struktur tatsächlich auch nutzen. Ein Opernhaus, das alleine eine Stadt versorgen muss, muss eben im Spielplan die Komplettversorgung leisten. Im Ruhrgebiet könnte diese Rundumversorgung auf vier Häuser verteilt werden und die Spezialisierung würde letztlich zu einem europaweiten Interesse führen. Und da sind wir dann auch wieder beim ÖPNV, denn solche Konzepte gehen nur auf, wenn das Ruhrgebiet auch bei de Verkehrsinfrastruktur (und das muss heute vor allem der öffentliche Personennahverkehr sein) metropolitan denkt.
„So eine Spezialisierung bedingt allerdings, dass sie von allen Städten getragen wird,…“
Dieses Allerdings ist genau das Problem. Ansonsten meine volle Zustimmung.
@ #10-12 Am fernen Horizont gibt es etwas Licht, auch wenn wir – und die derzeitige Politik -, den Sonnenaufgang nicht mehr erleben sollten. Das zukünftige, von Bürgern zu wählende Parlament könnte eine Chance eröffnen. Wer weiß, viellleicht auch nur eine Fatamorgana. Aber bis sich dies entscheidet, ist eine neue Generation herangewachsen. Die neuen Ideen, für die wir hier eintreten, sollten in der Zwischenzeit nicht in Vergessenheit geraten! Es könnte sein – ich bin keine Psychologe -, dass ein Wertewandel im Ruhrgebiet erforderlich ist, um eine ergänzende Kooperation zu ermöglichen. Werte verändern sich jedoch nur relativ langsam, sind immer an Personen gebunden.
[…] Die Ruhrgebietsstädte im Kultur-Ranking (Ruhrbarone) – […]
@TuxDerPinguin, die geeintes Ruhrgebiet mit einen von den Bürgern zu wählende Parlament muss kommen. Einen Bürgermeister für alle 52 Städte brauchen wir. Recht haste.
Die Städte müssen entmachtet werden. Nur so kommen wir im Pott in dem Ranking hoch.
@Reinhard Matern, am fernen Horizont gibt es kein Licht, solange einige Duisburger immer noch auf „Niederrhein“ machen. Schuld daran ist auch das WDR-Fensterprogramm.
@ #15 Der im Ruhrgebiet jeweils vertretene Lokalpatriotismus reicht vom Niederrhein bis nach Westfalen. Die bisweilen geäußerte Abscheu vor dem Ruhrgebiet ist jedoch durch den ZUSTAND bedingt, in dem sich Region befindet, politisch, wirtschaftlich, kulturell. Würde man politisch koordiniert vorgehen können, könnte sich dies ändern. An einem Erfolg würden wohl letztlich alle teilhaben wollen!
[…] Der Beitrag entstand für Ruhrbarone. […]
[…] der Region die Jazzszene mit ihren Musikern, Clubs und die Folkwang Universität! Die letzte Kulturstudie hatte zwar Mängel, die im Vergleich mit anderen Standorten und deren Finanzausstattungen […]
Zu #13
» Aber bis sich dies entscheidet, ist eine neue Generation herangewachsen. Die neuen Ideen, für die wir hier eintreten, sollten in der Zwischenzeit nicht in Vergessenheit geraten!
Reinhard Matern, es wächst keine neue Generation bei uns heran. Die Gruppe der Einwohner von 20 bis 40 Jahren verlässt zu Hauf Duisburg und wird durch Auswärtige ersetzt.
Die Generation, die bei uns heranwächst, zieht fort.
http://www.wegweiser-kommune.de/
Duisburg, kreisfreie Stadt, Wanderungsprofile, Wanderungsprofil 2009 – 2012 – Frauen & Männer
Kultur Ruhrgebiet. Flash-Mob wirbt für „Schuldenschnitt für Duisburg!“
http://www.piratenpartei-duisburg.de/millionenkredit-an-die-dvv-noch-nicht-genehmigt/#comment-1387