Die Sache mit den Ozempic-Babys

Baby Foto(Symbolbild): Vanessa Kay Lizenz: CC BY 3.0

Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft machte in einer aktuellen Stellungnahme und begleitenden Pressemitteilung darauf aufmerksam, dass unter einer Therapie mit Inkretin-Mimetika, dazu gehören Arzneimittel wie Ozempic, Byetta, Trulicity, Victoza und Mounjaro, vermehrt ungewollte Schwangerschaften auftreten. Man plädiert dafür, Frauen unter Therapie mit solchen Wirkstoffen über den Einfluss auf die Fruchtbarkeit aufzuklären.

Die Geschichte dahinter ist eigentlich ganz simpel. Inkretin-Mimetika sind Antidiabetika, die neben einer Normalisierung des Blutzuckerspiegels auch eine Gewichtsreduktion bewirken. Die Präparate Wegovy und Mounjaro sind sogar für eine Behandlung der Adipositas ohne Diabetes zugelassen.

Die erhöhte Fruchtbarkeit ist also keine Nebenwirkung dieser Wirkstoffe. Dass es unter derartigen Wirkstoffen mehr ungewollte Schwangerschaften gibt, liegt an der Gewichtsreduktion, die man mit Hilfe dieser Arzneimittel erreichten kann. Schon 5 bis 10 kg Gewichtsverlust reichen aus, um den Eisprung zu normalisieren. Dazu sollte man wissen, dass erhebliches Übergewicht die Fruchtbarkeit deutlich senkt. Ab einem Body Mass Index (BMI) von über 25 steigt das Risiko für eine Unfruchtbarkeit durch Ausbleiben des Eisprungs. Bei einem BMI von 40 ist die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft um 43% niedriger als bei normalgewichtigen Frauen.

Es ist schon bezeichnend, dass es so viele Frauen im gebärfähigem Alter mit Typ 2 Diabetes und dem dazu gehörenden starken Übergewicht gibt, dass bereits Daten zu einer erhöhten Anzahl von ungeplanten Schwangerschaften vorliegen. Dass Übergewicht die Fruchtbarkeit einschränkt, ist für diese Frauen gut zu wissen. Reguliert sich das Gewicht, nimmt die Fruchtbarkeit auch wieder zu. Überraschend sind diese Erkenntnisse nicht. Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang, dass man im Falle einer Schwangerschaft, das Arzneimittel wieder absetzt. Denn es gibt Hinweise auf mögliche Risiken wie Wachstumsstörungen und eine unzureichende Nährstoffversorgung des Fetus (Tierstudien). Auch wenn bisher keine direkten Fehlbildungen bei den Säuglingen nach einer Anwendung dieser Medikamente in der Schwangerschaft nachgewiesen werden konnten, ist dringend von einer Anwendung bei Schwangeren abzuraten. Die Gynäkologin Professor Dr. Ute Schäfer-Graf Oberärztin am Berliner Diabeteszentrum für Schwangere des St. Joseph Krankenhauses rät sogar die Arzneimittel mindestens zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abzusetzen. Problematisch ist hierbei jedoch eine nach dem Absetzen des Arzneimittels überschießende Reaktion, so dass die Ernährung während der Schwangerschaft besonders ausgewogen sein muss, um einen zu starken Gewichtsanstieg zu vermeiden. Ein zu hohes Gewicht bei Schwangeren ist mit vielen Risiken verbunden ist. Bei Übergewicht treten Schwangerschaftsdiabetes (falls nicht bereits ein Diabetes Typ 2 bestand) bzw. schlechtere diabetische Stoffwechsellage, Präeklampsie (mit Blutdrucksteigerung, vermehrter Eiweißausscheidung im Urin und Krampfneigung) sowie eine erhöhte Kaiserschnittrate wegen verschiedener Geburtskomplikationen deutlich häufiger auf. Dennoch sind Inkretin-Mimetika wegen der erwähnten Gefahren für das Ungeborene keinesfalls zur Gewichtsreduktion während der Schwangerschaft geeignet, auch wenn schon Einzelberichte über eine solche Anwendung vorliegen. Die Frauen sollten also bei Verdacht frühzeitig einen Schwangerschaftstest machen, um das Mittel bei Bestehen einer Schwangerschaft in Rücksprache mit dem Arzt schnellstmöglich abzusetzen.

Wichtig für alle Frauen im gebärfähigen Alter, die Inkretin-Mimetika anwenden, ist eine sichere Verhütung. Da bei diesen Wirkstoffen Nebenwirkungen wie Erbrechen, Durchfall oder verzögerte Magenentleerung häufig sind, ist die Pille hier nicht das Mittel der Wahl. Alternative, aber sichere Verhütungsmethoden sind während der Therapie angezeigt. Das könnten Drei-Monats-Spritze, Hormonpflaster oder –ringe sowie nichthormonelle Verhütungsmethoden sein.

Aber warum wirken diese Inkretin-Mimetika so gut? Warum können Hersteller indirekt Werbung mit den Ozempic-Babys machen? Warum sind diese Wirkstoffe so begehrt, dass wir in der Apotheke ständig mit Lieferengpässen zu kämpfen haben?

Diabetes ist eine Krankheit, die sich mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel, also zu viel Glukose im Blut manifestiert. Dadurch kommt es zu verschiedenen Schäden an den Blutgefäßen, den Nerven mit den gefürchteten Spätfolgen im Herzkreislaufsystem, Nervensystem, Nieren, Augen usw. Den erhöhten Blutzuckerspiegel kann man durch verschiedene Arzneimittel senken. Sie wirken über den Stoffwechsel, die Ausscheidung, die Glukose-Aufnahme aus dem Darm oder durch eine verstärkte Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse. Insulin selbst, dass beim Diabetiker entweder fehlt oder zu wenig wirkt (Insulinresistenz), kann als Ersatz verabreicht werden. Nur ist hier eher eine Gewichtserhöhung zu befürchten. Denn ist Insulin im Blut vorhanden, aber zu wenig Glukose da, bekommt man Hunger. Und hier liegt der entscheidende Vorteil der Inkretin-Mimetika. Diese Wirkstoffe sorgen dafür, dass Insulin nur dann ausgeschüttet wird, wenn auch Glukose im Darm aufgenommen wird. Die Insulinausschüttung ist also bedarfsgerecht. Zudem reduzieren Inkretin-Mimetika den Appetit und auch dadurch die Nahrungsaufnahme.

Die erhöhte Fruchtbarkeit durch Inkretin-Mimetika betrifft übrigens auch Männer. Die Fettleibigkeit des Mannes ist für 20 % der Fälle von männlicher Unfruchtbarkeit bzw. verminderte Fruchtbarkeit verantwortlich. Also erhöht sich die Chance für Nachwuchs auch bei kinderlosen Paaren, wo der Mann übergewichtig ist und deutlich abnimmt.

Das ist an sich alles sehr erfreulich, aber sicher kein Grund um mit Ozempic-Babys Werbung zu betreiben. Die Hersteller sind ja nach wie vor nicht in der Lage, den Bedarf zu decken, was zu ausgeprägten Lieferengpässen führt. Zudem besteht für übergewichtige Frauen das Problem, der nicht empfohlenen Anwendung in der Schwangerschaft selbst. Und auch wenn der Semaglutid-Hersteller Novo Nordisk (Ozempic und Wegovy) von der US-Arzneimittelbehörde FDA aufgefordert worden ist, ein Register über Schwangerschaften unter Ozempic einzuführen und eine Studie mit Schwangeren durchzuführen, fehlen Daten. Es bleibt abzuwarten, ob man die Wirkstoffe evtl. doch irgendwann in der Schwangerschaft empfiehlt. Zur Zeit ist noch Vorsicht geboten und entsprechend der Stellungnahme der Deutschen Diabetes-Gesellschaft auch eine Aufklärung der Patientinnen dringend angezeigt.

 

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