Oberbürgermeisterin Karin Welge hat die Kündigung des Mietvertrages der KAUE nach öffentlichem Druck wieder zurückgenommen. Etwas nebulös heißt es in einer offiziellen Stellungnahme: „Es geht uns dabei nicht um die Rücknahme einer Kündigung, sondern um die Möglichkeit, mit einem neuen Vertrag die Rahmenbedingungen für eine ausgewogene Kulturszene neu zu gestalten“. Was wie der Beginn des kulturellen Sparkurses begann, wird jetzt zu einem kommunalen Possenspiel. Ein kurzer Text über Sparkommissare, Soziokultur, Stadtumbau und die Frage, wer die Politik in der Stadt bestimmt.
Schon lange hat kein Ereignis in Gelsenkirchen so viel Staub aufgewirbelt. Die Stadtwerke haben den Mietvertrag für die Kulturspielstätte KAUE gekündigt. Im Juni sollte bereits Schluss sein. Die Kündigung des Vertrages liegt mehrere Monate zurück. Die Stadtgesellschaft wurde darüber nicht informiert und erst eine Nachfrage der Redaktion des Stadtmagazins isso hat den Vorgang öffentlich gemacht. Seitdem ist der Ärger der Bürger groß und auch viele Künstler haben sich zu Wort gemeldet. Warum hat die Stadt hat den Vorgang so lange verschwiegen? Transparenz sieht auf jeden Fall anders aus. Vermieter der KAUE ist die VEWO-Wohnungsverwaltung und für das Kulturprogramm ist die kommunale Gesellschaft Emschertainment zuständig. Begonnen hat der Veranstaltungsort als soziales Zentrum und seit 1992 fanden hier viele unterschiedliche Veranstaltungen statt.
Überrascht wurden nicht nur die Bürger – auch Kulturpolitiker von CDU und der SPD waren nicht informiert. Erst nach den Protesten haben Oberbürgermeisterin Karin Welge und der Geschäftsführer der Stadtwerke Harald Förster weitere Gespräche angekündigt. Die Vorgänge zeigen, dass die Stadtverwaltung und die politische Führung in Gelsenkirchen große Probleme haben. Für Verwirrung hat auch ein Posting inklusive Konzertfoto auf der facebook-Seite von Emschertainment gesorgt: „Wir hoffen, dass wir bald mit Euch Konzerte und Shows wieder genießen können“. Veröffentlicht wurde es Ende April und die Vermutung liegt nahe, dass die Mitarbeiter des Veranstalters nichts von der Kündigung wussten.
Transparenz und Beteiligung
Mit der Transparenz läuft es in der Stadt schon lange nicht besonders gut. Das jüngste Beispiel ist die Ablehnung der offiziell als Rats-TV bezeichneten Übertragungen der Sitzungen des Stadtrats ins Internet. Ergänzt wird das durch die sparsame Kommunikation der Pressestelle der Stadt Gelsenkirchen. Journalisten bekommen nicht alle Fragen beantwortet oder müssen mehrere Wochen warten. Oberbürgermeisterin Karin Welge ist seit November letzten Jahres im Amt, aber ist in der Öffentlichkeit bisher kaum aufgetaucht. Nach einem offenen Brief eines enttäuschten Bürgers wurde vor Ostern zumindest ein Interview mit ihr auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht.
Die Verwaltung hat in den Jahrzehnten der SPD-Regierung ein Eigenleben entwickelt, dass von der Politik kaum kontrolliert wird. Nur so lässt sich erklären, dass die Kulturpolitiker der großen Koalition von dem Aus der KAUE erst durch die Meldung eines unabhängigen Stadtmagazins erfahren haben. Dabei gibt sich der sozialdemokratische Nachwuchs aktuell große Mühe, die Kulturszene in der Stadt mit Geld und Projekten zu unterstützen.
Die katastrophale Wahlbeteiligung im letzten Jahr scheint nach ersten Krokodilstränen, wieder vergessen zu sein. Hier gingen nur rund 40 Prozent der Bürger zur Wahlurne.
Der Sanierer und Sparkommissar
Das Gelsenkirchen kein Geld hat und sparen muss, ist keine wirkliche Neuigkeit. Vielleicht ist die Situation aber schlimmer, als den Bürgern bekannt ist. Im März hat Ulrich Köllmann die Geschäftsführung der Gelsenkirchener Stadtwerke und der ELE mehrere Monate vor Vertragsende überraschend aufgegeben. Sein Nachfolger ist Harald Förster. Der ist Geschäftsführer der Stadttochter GGW (Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft) und Chef der städtischen Immobiliensparte, was er auch bleiben wird. Die Stadtwerke haben seit Jahren finanzielle Probleme. Die Bäder, die Zoom-Erlebniswelt und auch Emschertainment arbeiten mit einem hohen Defizit. Damit wird der doppelte Geschäftsführer zu einem mächtigen Mann in der Stadt. Er verwaltet sämtliche Immobilien und ist für die Bereiche Freizeit und Kultur zuständig. Eine bedenkliche Konzentration.
Im Geschäftsjahr 2018 erzielte Emschertainment „einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 1,7 Millionen Euro“ heißt es in dem aktuellen Beteiligungsbericht der Stadtverwaltung. Der Verlust wird jedes Jahr von den Stadtwerken, also den Steuerzahlern übernommen. Die Stellenbeschreibung für Harald Förster ist also klar formuliert. Er soll sparen und Kosten senken, wo es nur geht. Die dramatische Situation der Stadt wird durch eine Meldung des Statistischen Landesamts vom März deutlich. Städte und Gemeinden in NRW haben im vergangenen Jahr 19,8 Prozent weniger Gewerbesteuern eingenommen als 2019. In Gelsenkirchen lag der Rückgang bei überdurchschnittlichen 71 Prozent.
Too big to fail
Begründet wurde die Kündigung des Mietvertrages der KAUE damit, dass schon bald ein neuer Spielort in Ückendorf für Emschertainment hinzukommt. „Angesichts der anstehenden Eröffnung von Heilig-Kreuz kann keinesfalls von einer Verringerung des kulturellen Angebotes die Rede sein, die Stadtwerke können nur keine weitere Ausweitung des Veranstaltungsbereiches finanzieren“, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Harald Förster. Die Miete für die KAUE liegen bei etwa 75 000 Euro im Jahr und sind hier das kleinste Problem. Es sollen keine weiteren Personalkosten entstehen.
Hier werden zwei völlig verschiedene Veranstaltungsorte miteinander verglichen. In die Kaue passen bis zu 450 Zuschauer und Rockmusik kommt hier gut rüber. Die Zuschauer stehen direkt vor der Bühne und eine intensive Atmosphäre ist garantiert. Heilig-Kreuz war als Kirche ein stiller Ort und das wird er bleiben. Die Akustik in der hohen Halle ist nicht auf Rock oder Punk ausgelegt. Hier wird es bei der bekannten Comedy, Gitarrenklängen und klassischer Musik bleiben. Es können bis zu 700 Zuschauer hier Platz nehmen, aber ob das Emschertainment zu einem besseren Geschäftsergebnis verhilft, bleibt abzuwarten.
Der Ausbau der denkmalgeschützten Kirche wird offiziell mit stolzen 12 Millionen Euro angegeben. Andere Quellen gehen von 15 oder gar 17 Millionen Euro aus. Hinzu kommen weitere Kosten für die Schaffung von Parkplätzen und dem Bau eines Parkhauses. Das Projekt ist der zentrale Baustein bei der Umgestaltung der Bochumer Straße und das darf nicht schiefgehen. Viele Bürger kritisieren aktuell, dass alle Augen auf die ehemalige Prachtstraße in Ückendorf gerichtet sind und andere Stadtteile keine Rolle mehr spielen. Mit einer solchen Investition wäre auch aus der denkmalgeschützen Halle von Thyssen Draht in Schalke Nord ein vorzeigbares Objekt geworden, mit deutlich mehr Platz für Zuschauer und einem breiteren Angebot an Veranstaltungen.
Die Lösung
„Wir sind für Ideen offen und sprechen mit allen Beteiligten, die an einer Lösung interessiert sind“, sagt Ute Trapp, Geschäftsführerin der VEWO-Wohnungsverwaltung. „Dabei können wir uns eine Zukunft als soziales Zentrum und das Angebot von Co-Working-Arbeitsplätzen vorstellen. Es sollte auf jeden Fall ein tragfähiges Konzept für die Zukunft geben“. Ein soziales Zentrum wäre für die Stadt und die Menschen ein Gewinn. Warum es so etwas bisher nicht gibt, muss die Politik beantworten. In einer Stadt mit großen sozialen und wirtschaftlichen Problemen, sind Angebote jenseits kommerzieller Interessen eine gute Sache und besonders wichtig. Die KAUE war bei ihrer Gründung eine Einrichtung dieser besonderen Art. Viele Menschen in der Stadt werden sich auch noch an die Pappschachtel in Buer erinnern. Nach dem Brand 1982 wurde von den politischen Verantwortlichen immer wieder eine neue Nachfolgelösung versprochen. Das Ergebnis ist bekannt.
Karin Welge und Hartmut Förster haben ebenfalls angekündigt, Gespräche mit allen Beteiligten zu führen, um nach einer Lösung zu suchen. Das klingt nach den üblichen Treffen im Hinterzimmer und hat mit Transparenz nichts zu tun. Helfen kann hier nur eine offene Diskussion, die neben „allen Beteiligten“ auch die Bürger dieser Stadt und die Kritiker der bisherigen Politik einbezieht. „Die Zeit ist reif“ und „nur so weiter geht es nicht“ singt Heinz Rudolf Kunze in seinem aktuellen Coronasong. Einen besseren Soundtrack – zumindest vom Text – gibt es aktuell wohl nicht. Es gibt noch Hoffnung und jetzt ist es an der Zeit, alte Versprechen einzulösen.
Ich möchte auf meinen Kommentar unter dem hier erwähnten Beitrag des Stadtmagazins isso. verweisen. http://isso-online.de/oeffentlichkeit-unerwuenscht/
Ein guter Artikel!
Eine kleine Ergänzung:
Wie wir ja nun spätestens seit gestern wissen, waren die Schließungsabsichten bzw. die Kündigung des Mietvertrages für die KAUE spätestens seit März bekannt – jedenfalls den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Stadtwerke. In diesem Gremium sitzen Vertreter von CDU, SPD und GRÜNEN. Die Empörung der Fraktionen und Parteien über die "überraschende" Kündigungsabsicht war also entweder eine üble Schmierenkomödie, weil man ja bereits über zwei Monate von der Kündigung des Vertrages wusste, oder Ausweis absoluter Verschnarchtheit und politischen Versagens eines Gremiums, das zwar Aufsichtsrat heißt, aber keine Aufsicht ausübt (eine gewisse Parallele zu Aufsichtsräten des FC S04, die zugeschaut haben, wie sich über 200 Millionen Schulden angehäuft haben, ist nicht zu übersehen!).
Das eigentliche Problem um die KAUE sitzt allerdings woanders: Es ist die finanzielle Schieflage der Stadtwerke insgesamt, deren Untergesellschaften (etwa Zoom, Sportparadies usw) bis auf zwei Ausnahmen hochradig defizitär sind. Die Kaue ist nur das Schlachtopfer, weil man dort den Mietvertrag kündigen kann.