Die Selbstdemontage des FC Schalke nimmt durch die Trennung von Thomas Reis bedrohliche Ausmaße an

Wohin geht die Reise des FC Schalke 04? Foto: Michael Kamps

Die Nachricht selber überraschte nach den Erlebnissen und Berichten der vergangenen Tage gar nicht mehr so sehr, der Zeitpunkt hingegen schon. Noch vor dem am Freitag angesetzten nächsten Spiel in der 2. Liga beim SC Paderborn hat sich der FC Schalke 04 am Mittwochvormittag von Trainer Thomas Reis getrennt.

Die öffentlichen Äußerungen von Spielern nach der 1:3-Niederlage beim FC St. Pauli am vergangenen Samstag und das Abrutschen auf Tabellenrang 16 versetzten die Verantwortlichen offensichtlich dermaßen in Unruhe, dass sie Reis heute von seinen Aufgaben freistellten. Bei dermaßen deutlich zu erkennenden Rissen zwischen Coach und Spielern, wie sie zuletzt bei den Gelsenkirchenern offen hervortraten, kann man die Entscheidung auch als jemand, der nicht täglich in die Mannschaft hineinhorcht, natürlich  grundsätzlich nachvollziehen. Weniger nachvollziehbar ist auf Schalke in diesen Tagen hingegen etwas ganz anderes.

Selbst für Nicht-Schalke-Fans ist es schmerzhaft mitzuerleben, wie sehr sich der Traditionsklub in den vergangenen Jahren selbst verzwergt hat. In der Saison 2018/19 traten die Gelsenkirchener bekanntlich noch im Achtelfinale der UEFA Champions League gegen Manchester City an und gehörten zu den Großen im europäischen Fußball. Jetzt, nur wenige Jahre später, droht dem Verein tatsächlich der Absturz in die fußballerische Bedeutungslosigkeit.

Weder die aktuelle Mannschaft noch die öffentliche Strahlkraft der Vereinsführung sind noch mit der der letzten Jahre zu vergleichen, was natürlich auch an den finanziellen Problemen liegt, in die sich der ‚Malocher‘-Klub durch eine Mischung aus Pleiten, Pech und Pannen in den vergangenen Jahren selber gebracht hat.

Mit Thomas Reis verlässt nun ausgerechnet eine der letzten verbliebenen Identifikationsfiguren die Schalker. Natürlich waren die Knappen auch mit ihm als Trainer schon längst nicht mehr mit dem Verein zu vergleichen, der unter der Führung von Clemens Tönnies oder gar eines Rudi Assauer in der Arena gekickt haben. Doch Reis hat es trotz aller geerbten Probleme in der ersten Jahreshälfte 2023 über Monate hinweg sehr gut verstanden, so etwas wie Aufbruchsstimmung und viel Optimismus auf Schalke zu erzeugen. Sehr schnell konnten sich viele Fans mit ihrem neuen Coach identifizieren. Jetzt wird Reis ab sofort fehlen.

Die triste Gegenwart in Gelsenkirchen heißt unter anderem Peter Knäbel, der es bisher nicht verstanden hat den schleichenden Niedergang des Kultvereins zu stoppen. Und welchen Trainer der Klub nun auch verpflichten wird, aus dem ganz oberen Regal wird er sicher nicht kommen. Schalke ist finanziell einfach nicht mehr in der Lage einen Top-Mann für die Bank zu verpflichten. Längst vorbei sind die Zeiten als Größen der Branche wie ein Felix Magath, Jupp Heynckes, Ralf Rangnick oder Roberto Di Matteo den weg nach Gelsenkirchen fanden. Selbst ein aufstrebendes Trainertalent wie einst  Domenico Tedesco kann man sich auf Schalke inzwischen kaum noch vorstellen. Und da auch der bei den Fans beliebte Mike Büskens ein erneutes Engagement bei S04 zuletzt wiederholt ausschloss, dürfte der neue Übungsleiter auf Schalke ein deutlich kleineres Kaliber haben.

Das muss nicht grundsätzlich schlecht sein, zeigt aber sehr deutlich den schleichenden Niedergang eines der noch vor wenigen Jahren ganz großen Klubs in diesem Lande. Die Substanz der Schalker sie schrumpft und schrumpft, die Strahlkraft lässt deutlich nach.

Hoffentlich endet Schalke nicht eines Tages wie 1860 München oder der 1. FC Kaiserslautern, die von einstigen Titelaspiranten in kurzer Zeit zu relativen Fußball-Zwergen schrumpften. Auszuschließen ist das schon länger nicht mehr. Seit heute noch einmal deutlich weniger, denn mit der Trennung von Thomas Reis verlieren die Königsblauen ausgerechnet die Führungskraft, die bis heute noch mit am besten zum Klub und seiner einstigen Identität zu passen schien.

 

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vormals SvG
vormals SvG
1 Jahr zuvor

@ Autor: Das erinnert alles an den Niedergang der Alemannia. Wissen Sie, wieviele Trainer, die vorzeitig entlassen wurden, noch bezahlt werden müssen?

vormals SvG
vormals SvG
1 Jahr zuvor

@ Autor: Danke. Da ich das Geschehen eher nebenbei zur Entspannung verfolge (Wer hat das mit der “ Oper des kleinen Mannes“ eigentlich gesagt?), kann ich bei der Geschwindigkeit, in der sich Trainer- und Spielerkarussel drehen, mir das alles nicht mehr merken. Ist halt -für mich- doch eine Nebensache.

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