Wenn es um Graffiti-Straftaten geht, bilden Polizei und Lokaljournalisten häufig eine bemerkenswerte Slapstick-Symbiose. Die Polizei steht auf dem Schlauch, gibt das aber nicht zu. Und die Kollegen von der Presse steigen drauf ein. Zeit, sich mal wieder lustig zu machen.
Schon in der Überschrift offenbart sich, dass der Autor keine Ahnung hat, worüber er da eigentlich schreibt. „18-Jähriger hat über 40 Graffitis in Essen gesprüht – 50.000 Euro Schaden“, weiß die Waz zu berichten. Lieber Autor: „Graffitis“ gibt es nicht. Es gibt nur das „Graffito“ (Singular) und die „Graffiti“ (Plural).
Außerdem ist es schon eine grobe Verletzung journalistischer Sorgfaltspflicht, einerseits eine Tatsachenbehauptung aufzustellen („hat Graffiti gesprüht“), andererseits richtigerweise anzumerken: „Der junge Mann bestreitet die Tat“. Nochmal zum Mitschreiben: Solange es zu keiner Verurteilung gekommen ist, gilt die, Achtung, Unschuldsvermutung.
„Durch akribische Ermittlungen fanden die Ermittler heraus, dass es sich bei dem Graffitipseudonym SKF um ein Crew-Symbol handelt.“ Wow, da haben die Herren und Damen Ermittler wohl Detektiv gespielt. Ernsthaft: Wer als Beamter erst „akribisch ermitteln“ muss, um herauszufinden, dass es sich bei einem Schriftzug um ein Crew-Symbol handelt, hat banalste Grundsätzlichkeiten der Szene nicht kapiert. Wer auch nur etwas Ahnung hat, muss nur dreimal durch die Stadt laufen, um dahinter zu steigen. Da geht es einfach um verschiedene Buchstaben-Kombinationen (an dieser Stelle gehe ich nicht näher darauf ein, kostenlose Amtshilfe gibt‘s bei mir nicht).
Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass es in jeder Stadt Graffiti-“Spezialisten“ gibt, die sich den lieben langen Tag mit nichts anderem beschäftigen, fasst man sich an den Kopf. Aber ok, wenn man sonst keine Ermittlungserfolge zustande bringt, greift man nach jedem Strohhalm.
Und was soll der Satz „Die Ermittlungen bezüglich der anderen Mitglieder der SKF-Crew laufen weiter auf Hochtouren“? Ist denn wirklich sonst nichts passiert in Essen? Irgendwelche Kids malen Garagen und Stromverteiler voll, und dann wird so getan, als wäre eine Terrorzelle aufgeflogen?
Zum Schluss noch ein Wort an die Kommentatoren. Bitte, lasst euch doch einmal etwas neues einfallen! Unter wirklich jedem Artikel über Graffiti steht die obligatorische Forderung, den Täter seine Werke mit der eigenen Zahnbürste entfernen zu lassen. Danach folgt zuverlässig die Idee, dem Täter seinerseits die Bude vollzuschmieren (Was dieser in der Regel längst selbst erledigt hat). Eines aber muss ich euch zugestehen: Die üblichen Todesdrohungen und Vernichtungsphantasien habt ihr dieses mal weggelassen. Immerhin.
Sehr geehrter Herr Niewendick,
ich hoffe, dass Sie sich konsequenter Weise auch an die Dudenredaktion wenden, da „Graffiti“ dort offensichtlich auch falsch eingetragen worden ist:
„das Graffiti; Genitiv: des Graffiti[s], Plural: die Graffitis“.
Ansonsten gebe ich Ihnen inhaltlich durchaus Recht. Doch sind mittlerweile (naja, seit bestimmt 20 Jahren) auch bei der Polizei (leider) ein paar Experten beschäftigt, die wissen, dass man bei Hausdurchsuchungen bei mutmaßlichen Sprayern interessante Aufzeichnungen finden kann.
Früher bekamen die erwischten Künstler übrigens oft die Möglichkeit, die bemalten Flächen wieder selbständig mit Farbe und Pinsel zu neutralisieren. Das war zwar für Polizei und Presse nicht so öffentlichkeitswirksam, hat aber die Ressourcen der Staatsanwaltschaft und Gerichte geschont.
Tja, auch der Duden kann sich irren…
Das ist wie bei Spaghetti, Paparazzi, Pizza, Espresso usw.: Die Wörter stammen zwar aus einer anderen Sprache, werden aber als deutsche Wörter verwendet und folgen daher der deutschen Grammatik und nicht der ihrer Ursprungssprache. Und da wird zur Pluralbildung halt gerne ein -s angehängt, auch wenn das Wort „eigentlich“ schon im Plural steht oder „eigentlich“ einen ganz anderen Plural hat.
Lieber LaPulga, lieber Andi, schauen sie sich doch mal eine Dudenausgabe aus der Zeit an bevor die Friseuse Frisörin hies oder als es das Googeln noch nicht in diese heiligste Bibel deutscher Rechtschreibung geschafft hatte und sie werden auch das Graffito wiederenstdecken. Anschließend beantworten sie bitte noch die Frage nach welcher Ausgabe sie meistens schreiben und ob ihnen die ältere nicht genauso besser gefällt wie 90 Prozent ihrer Landsleute (obwohl ich befürchten muss das so viele schon lange nicht mehr des Schreibens mächtig sind, vor allem Fernsehjournalisten und Lehrer nicht).
Aber zum Thema:
Die Lokalredaktion in Essen hat es halt schwer, kaum irgendwo in Deutschland ist die Polizei, geschweige den das Ordnungsamt unfähiger als in Essen. Da muss man sich halt die banalsten und sinnlosesten Ereignisse heraussuchen und noch weiter banalisieren sonst fangen die Leute noch an über die echten Probleme nachzudenken, z. Bsp. das mittlerweile sämtliche Perepheriewachen ins Essen Nachts geschlossen sind und die Bürger Strafanzeigen nur noch im Polizeipräsidium stellen sollen. Das es in Essen gefährlicher ist Straßenbahn zu fahren als den Straßenstrich zu besuchen.
Wer wundert sich da noch ernsthaft über Beamte von Polizei und OA oder Reporter die Gangzeichen nicht lesen können oder keine Ahnung über ihr angebliches Spezialgebiet haben, und genauso ist es auch gewollt.
Der Duden als Verlag in Privatbesitz kann nur versuchen den Sprachgebrauch abzubilden. Normen setzt er nur für die Personen, die dies für sich zulassen. Der Staat setzt Normen für seine eigenen Veröffentlichungen und für den Schulbereich. Am Arbeitsplatz sollte man besser auch nicht negativ auffallen.
Ansonsten ist der Gebrauch von Sprache eine private Angelegenheit.
‚Grafittis‘ verstehe ich, ‚Grafitti‘ auch. Für mich ist beides richtig. Sprache ist zur Verständigung da, nicht zur Rechthaberei.
Iss (sic!) alles gar nicht so einfach. Wie sagt man denn nun?
1. Zwei Pizzas (Nordstadtdeutsch)
2. Zwei Pizzen (Kreuzvierteldeutsch)
3. Zwei Pizze (Toskanaurlauberdeutsch)
4: Einmal zwei Pizza (Imbissdeutsch)
@Dortmunder:
Ganz einfach:
„Eine Diavolo und eine Tonno mit Zwiebel. In groß, ne.“