Die Stadt Wien verteilt Gastro-Gutscheine

Ein gut gefülltes subrosa im Dortmunder Hafen – so schnell werden wir das nicht wieder erleben | Foto: Peter Hesse

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat vor einem Gastro-Sterben durch die Corona-Auswirkungen gewarnt. In ganz Nordrhein-Westfalen hat zwischen 2007 und 2017 jede neunte Gaststätte, Kneipe oder Eisdiele geschlossen. Aktuell sind viele Wirte ratlos, wie es nach der Corona-Pandemie weitergehen soll. Die Stadt Wien hat nun ein Gutschein-Programm für Kneipen und Restaurants entwickelt.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sprach sich dafür aus, dass die Stadt Wien der angeschlagenen Gastronomie mit einer Gutscheinaktion unter die Arme greift. Die zweimonatige Sperre habe den Betrieben stark zugesetzt, daher möchte man gemeinsam mit der Wiener Wirtschaftskammer die Einwohner ab Mitte Juni mit bis zu 50 Euro pro Haushalt in die Lokale locken. In Abstimmung mit der Wirtschaftskammer Wien steht die Aktion ab Mitte Juni bis Ende September jedem Wiener Haushalt zur Verfügung. Personen, die alleine leben, erhalten 25 Euro, Mehr-Personen-Haushalte sogar 50 Euro für einen Restaurantbesuch. Eine tolle Idee, die auch im Ruhrgebiet Nachahmung finden sollte.

Im Dortmunder Kreuzviertel haben die Betreiber vom Lokales angekündigt nicht wieder aufmachen zu wollen, die Zukunft von Läden wie Kumpel Erich ist unklar – Luups, Wohnzimmer, Mit Schmackes oder Herr Liebig überlegen sich tagtäglich neue Aktionen, wie man sich mit To-Go-Programmen am Leben halten kann. Im Dortmunder Hafen hat das subrosa an der Gartenterrasse einen Bierbuden-Schalter eröffnet. Das Engagement ist ehrenwert, aber ohne Hilfe werden viele Kneipen und Gaststätten nicht überleben. Im Umfeld des Bochumer Bermudadreiecks geistert eine Zahl herum, dass etwa drei von vier Gastro-Betrieben im Herbst diesen Jahres vermutlich ihre Türen schließen müssen.

„Die derzeitige Krise verlangt von uns ein Höchstmaß von geistiger Flexibilität. Das sind große Herausforderungen, die wir gerade bewältigen müssen“, sagt Philip Winterkamp von der Muto Heimatgastronomie, die in Dortmund Läden wie das Balke, Zum Schlips, Schürmanns Hafenkantine, den Freischütz in Schwerte oder den Biergarten Spaten Garten im Westfalenpark betreiben. „Momentan funktionieren wir ziemlich schlecht – es gibt derzeit Tage, die bestehen zu 80 Prozent aus Telefonaten. Eine Refinanzierung über den Normalbetrieb ist bei uns nicht drin – und das wird auch die nächsten Monate nicht funktionieren“, sagt Winterkamp über sein derzeitiges Geschäft. Eine Gutscheinaktion, wie sie in Wien auf den Weg gebracht wird, wäre für die Kneipen und Restaurants des Ruhrgebiets eine sehr willkommene Aktion.

Kneipen sind Sozialräume – hier die Band Dool in der Bochumer Kneipe Intershop | Foto: Peter Hesse

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DEWFan
DEWFan
4 Jahre zuvor

Das Gastrosterben ist für uns im Ruhrgebiet ja bereits ein alter Hut. Die erste Welle, die ich als Boomer mitbekommen habe, war nach der Einführung des total(itär)en Rauchverbots. Die davon betroffenen Betriebe hatten zumeist älteres Publikum, keine Küche, keinen Außenbereich. Und sie lagen i.d.R. in Vororten abseits hipper Kneipenviertel oder Fußgängerzonen, dafür an vielbefahrenen Straßen ohne Aufenthaltsqualität fürs eventuelle Draußensitzen.

Jetzt geht den Leuten auch in Hipsterstädten wie Hamburg und Berlin die Düse. Viele meinen ja, wenn Kneipen, Bars, Restaurants, Clubs und Diskotheken pleite gehen, dann wird schon irgendwann etwas Neues nachfolgen.

In den Hipsterstädten mag das wohl tatsächlich so sein. Vielleicht auch im Bermuda-Dreieck und im Kreuzviertel. Aber schon für die Dortmunder Nordstadt, deren Gastronomie sich weitgehend nur rund um den Hafen befindet, bin ich nicht so optimistisch.

Nach der Schließung eines Lokals gibt es meistens drei Szenarien:

1) Runtergezogene Rollläden, leere Schaukästen, abmontierte Werbeschilder.
2) Shisha-Bar, Wettbüro, Kulturverein.
3) Büro einer Physiotherapie, einer Versicherungsagentur, eines Pflegedienstes.

In Vororten ohne Fußgängerzonen, Plätzen und bekannten Ausflugszielen tritt meistens 1) ein. Und in sozial etwas besser gestellten Viertel auch Szenario 2). Und da wo 3) zutrifft, bleibt einem wenigstens 1) erspart.

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