Die Zukunft wird in Deutschland nur noch als Vergangenheit gedacht

9-Euro-Ticket, gültig für den Kalendermonat Juni 2022, gezogen aus einem Verkaufsautomaten der Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH (VGF) Foto: Shugal Lizenz: CC0

Das war der Ausblick auf die Verkehrswende: Den Sommer über konnten Millionen Menschen für nur neun Euro im Monat erfahren, wie heruntergewirtschaftet die Bahn ist: Marode Züge, überlastete Personal und Verspätungen zeigten, dass die Bahn unmöglich wesentlich mehr Menschen transportieren kann. Busse und Bahnen operieren schon unter Normalauslastung am Rand des Zusammenbruchs. Sicher, in Zukunft soll alles besser, smarter und vor allem autofrei werden: Doch die autonom fahrenden Kleinwagen, die digital gesteuert die Menschen zu den Bahnhöfen bringen sollen, an denen sie dann mit schnellen Zügen weiterfahren, gibt es noch nicht. Und die Züge natürlich ebenfalls nicht. Auch wie schnell die Digitalisierung eines Landes umgesetzt werden soll, in dem Gesundheitsämter noch auf Faxgeräte setzen und der Datenschutz zu einem Fetisch erhoben wurde, kann niemand sagen.

Es läuft wie bei der Energiewende: Aus Kohle und Kernkraft sollte ausgestiegen werden, bevor es zuverlässige und preiswerte Alternativen gab. Die Ideologie gab die Richtung vor, die Bürger und Unternehmen hatten die Risiken und Kosten zu tragen. Und die waren auch politisch hoch: Russisches Gas sollte die Flatterhaftigkeit und Wind und Sonne ausgleichen. CO2 mit dem CCS-Verfahren abscheiden und speichern war ebenso tabu wie Kernkraft und die Förderung heimischen Gases. Das Land geriet in eine fatale Abhängigkeit von Russland. Auch ohne Krieg hätte das zu Preissteigerungen beim Strom geführt. Die eingeplanten neuen Kraftwerke wollte ohnehin kaum jemand bauen. Und klar, auch die Nummer mit den Erneuerbaren Energie läuft nicht: Ein Windpark in Texas geht nach gut zwei Jahren Planung und Bau ans Netz. In Deutschland sind es sieben.

Mobilität und preiswerte Energie gehörten zu den großen Erfolgen der Industrialisierung. Beides sorgte dafür, dass sich das Leben von Milliarden Menschen veränderte. Die Kälte des Winters verlor ebenso ihren Schrecken wie die Hitze. Die Nacht war nicht mehr düster und Städte wurden zu glitzernden Orten. Die Welt wurde kleiner, Beziehungen konnten über Distanzen aufrechterhalten werden, die lange unüberwindbar waren. Mobilität und preiswerte Energie befreiten die Menschen und beides liebten sie. Sie werden von beidem nicht freiwillig lassen. Der Kapitalismus führte nicht zur Verelendung der Menschen. Der Wohlstand nimmt seit zwei Jahrhunderten zu. Weltweit wird das Leben der Menschen besser.

Dieser Entwicklungspfad wird nun verlassen. Schon die Namen Energie- und Verkehrswende deuten an, dass es zurück in der Vergangenheit geht, als Energie teuer und Mobilität für die meiste Menschen nicht vorstellbar war. Ihr logische Konsequenz wird eine Wohlstandswende und Industrialisierungswende sein, ein Zurück zur Armut.

Die Zukunft wird in Deutschland nur noch als Vergangenheit gedacht, als ein Leben in einem vermeintlich grünen Idyll. Die Erinnerung an das mit diesem Leben verbundenen Elend ist längst verblasst. Wir werden die Erfahrungen vorangegangener Generationen selbst machen.

Es wird in den kommenden Jahren spannend sein zu beobachten, ob die Menschen den Wendepredigern weiterhin folgen werden, so wie sie es in der Vergangenheit getan haben. Vielleicht nahmen sie auch einfach nicht ernst, was sie sagten. Mal schauen, was passiert, wenn sie merken, dass das Wendegerede nicht nur Wortgeklingel war. Und sie teuer dafür bezahlen sollen.

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paule t.
paule t.
2 Jahre zuvor

… und auf diese Art wird aus interessanten, optimistisch stimmenden Fakten über die positive Entwicklung bei diversen Menschheitsproblemen ein Fetisch, der als Glaubenssymbol dafür dienen soll, dass insgesamt angeblich alles nur besser werden _könne_ und man sich mit aktuellen Problemen gar nicht wirklich beschäftigen, jedenfalls nichts Relevantes ändern müsse.

paule t.
paule t.
2 Jahre zuvor

@ #2: Ach ja, die „technikfeindlichen“ Grünen. Auch so ein immer wieder wiederholter Glaubenssatz von Ihnen. Diese Diffamierung wiederholen Sie so ausdauernd und inhaltlich unverändert, dass ich meine Replik auch einfach recyclen kann:

Zitat: „Was sind denn für den Autor Solarthermieanlagen, Wärmepunpen, Photovoltaik, Windenergie, Batterien, Wasserstofftechnik, Druckluftspeicher, Hubspeicher etc.pp.? Wird das nach Meinung des Autors im Waldorf-Handwerksunterricht zusammengeklöppelt oder aus Heimatmuseen ausgebaut, oder ist all das vielleicht auch moderne Technik?
Bloß weil jemand _andere_ Techniken für bessere Ideen hält als der Autor, ist derjenige noch lange kein Technik_feind_.“

von hier, #4: https://www.ruhrbarone.de/weniger-waschlappen-und-stattdessen-mehr-zivilisation-wagen/212036/

profrawido
profrawido
2 Jahre zuvor

Weil die Bahn durch Mehdorn und andere kaputtgespart wurde. Streckennetz ausgedünnt, technisch marode, Tausende Lokführer fehlen. Von Lobbyisten wie Scheuer hausgemacht, nicht vom Himmel gefallen.
Die Schweiz zeigt uns, wie es geht, wenn man will.

EmilyVonDerVogelweide
EmilyVonDerVogelweide
2 Jahre zuvor

@#2
Ich muss da widersprechen, die Umweltbewegten denken doch technisch sehr fortschrittlich. Strom, den man im Netz speichern kann, tolle Stromspeicher, der petawattweise Energie vom Sommer im Winter verfügbar macht, alles superfortschrittlich. So fortschrittlich, dass es bisher nur als Idee existiert. Bestimmt auch bald grosstechnisch verfügbar und in Deutschland aufgebaut.

Leider erinnert mich das alles an http://www.keffli.de/site/Blog/Eintrage/2007/8/16_Projektschritt_Nr._473_files/wunder.jpg

Angelika, die usw.
Angelika, die usw.
2 Jahre zuvor

#2
„…Man könnte es ja auch mal mit technischen Innovationen versuchen…“

Ja, genau! Das könnte man echt mal tun!

Nun, in meiner nächsten Nachbarschaft gibt es drei E-Autos. Und genau dieser E-Auto-Fahrer haben auch Solar auf dem Dach, bei einem Haus schon lange.

Das Problem hier in der Ecke sind die Eigentumswohnungen, wo sich alles, was mit techn. Fortschritt zu tun hat, hinzieht bis zum großen Gähnen. Es liegt an der 1x jährlichen Eigentümerversammlung, wenn da ein Vorschlag keine Resonanz findet, nicht zugunsten des technischen Fortschritts abgestimmt wird, dann ist eben wieder ein Jahr um… Und dann eben Jahre … Und dann ein Jahrzehnt … Es liegt an der Rückstellung (zurückgelegtes Kapital der Eigentümer), es liegt an den großen Problemen für Eigentümergemeinschaften Kredite zu bekommen.
Aber vor allem liegt es an Mauern – Mauern in den Köpfen. Neue Heizung (also alles vor Gasumlage-Problem …)? Die alte geht noch. Solar? Bin ich nicht für…Nä….Halt ich nix von. Punkt. Kein Argument. Halt ich nix von. Mein Mann hält da auch nix von. Punkt. Noch nicht mal das Fizzelchen eines noch so klitzekleinen Argumentleins, nix. Die wollen keinen Fortschritt, die interessieren sich nicht für die Klimakatastrophe (und es ist eine ! ), die wollen: verreisen, feiern, essen, heizen…………so wie sie es 1990 oder davor auch schon taten. Na dann, …

JoBrunner
JoBrunner
2 Jahre zuvor

@Angelika
“ Es liegt an der 1x jährlichen Eigentümerversammlung“

Das ist so einfach nicht richtig sondern verdreht die Realität.

Gerade im Bereich der Heizungsmodernisierung gibt es massive Hindernisse durch
unsinnige Vorschiften ( z.B in BaWü eine stupide 15% Regenerativenergie Pflicht)
Das ist so gestrickt das bei einem Mehrfamilien.Haus erst einmal 2-3kEUR nur zur Feststellung der Rechtslage fällig werden, und dann sine eben 1, 2 oder 3 Jahre rum. ( Ich kann gerne Unterlagen eines solchen Falles zuschicken, es ist haarsträubend)
Und nun geht man grünidiotisch weiter und möchte Wärmpumpen im Bestand zur Pflicht machen oder Ölheizungen verbieten.
Oder es wird wie geschehen vorgeschrieben noch einen Wärmezähler zwischen Kessel und Brauchwasserbehälter einzubauen
Völlig sinnfrei da dies an der Effizienz der Anlage nix ändert sonder nur die Kosten erhöht
oder der neueste Mist: Unterjährige monatliche Verbrauchserfassung.
Oder der dumme Energieausweis von dem 98, 5% nicht wissen das die angegebene Fläche eben nicht die Wohnfäche ist.
Dafür kann dann die Deutsche Umwelthilfe dann schön abmahnen.

Natürlich wollen wir verreisen, feiern , essen und heizen

Und damit das mit möglichst wenig Umweltschaden geht brauchen wir den Wettbewerb zwischen neuen und alten Technologien, proftable Industrien, eine fundierte Bildung und eine positive Sicht auf die Welt und die Zukunft.

Angelika, die usw.
Angelika, die usw.
2 Jahre zuvor

#7
Hier (NRW) ist es noch (noch!) möglich die alte Heizung (Gas) zu erneuern, ohne irgendwelche zusätzlich regenerative Energie dazu zu installieren (sprich Solar, Wärmepumpe). Noch möglich.
Deswegen ja überhaupt hier den Beschluss, die 25 (!) Jahre alte Heizung zu erneuern (vorher Reparaturen, Befürchtungen, dass die alte Heizung es nicht mehr packt – d.h. nicht alle befürchten das hier, manche hätte sehr gerne nur reparieren lassen, wurden aber überstimmt). Freiwillig erneuerbare Energie dazu kommt für die Mehrheit nicht in Frage, weil sie eben für Neuerungen nicht aufgeschlossen sind, die Klimakatastrophe nicht ernst nehmen.

Felix Krupp Materna
Felix Krupp Materna
2 Jahre zuvor

Rot-grün-gelb ist doch angetreten, die industrielle und Agrarbasis des Landes abzureießen, um die schöne neue grüne Welt auf den Trümmern aufzubauen. Alles grün produziert, eAutos stinken nicht mehr die Gegend voll, niemand ist mehr Fleisch… Nur schade, dass die Utopie vorher vielen Leuten sehr viel Lebensqualität kosten wird.

thomas weigle
thomas weigle
2 Jahre zuvor

„Der Wohlstand nimmt weltweit zu“,lese ich. Anderswo lese ich aber,dass seit Jahren wieder die Zahl der Hungernden zunimmt. Fakenews?
Im übrigen sind es die Grünen und die eine oder andere NGO hierzulande,die seit Jahrzehnten den Ausbau des ÖPNV und des Schienenverkehrs fordern. Ebenso,dass die Güter auf die Bahn gehören.
Die Bahn wurde auch nicht erst in letzter Zeit kaputtgespart,sondern im Prinzip seit den Nazis, die der damaligen Reichsbahn den Autobahnbau aufs Auge drückten. Das Kaputtsparen wurde dann von der ersten Bundesregierung fortgesetzt,denn diese forcierte den Autobahnbau,während bspw die Elektrifizierung in der Bundesrepublik deutlich hinter der in Ösiland,der Schweiz und Italien bspw. zurückblieb.

thomas weigle
thomas weigle
2 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin Es wäre schön,wenn du richtig liegen würdest. Aber die (Preis)Entwicklung durch die(kommenden) Dürresommer und den Folgen des Orküberfalls auf die Ukraine lassen eher das Gegenteil für die Zukunft vermuten. Dass bspw. in Teilen OWLs der Wassernotstand ausgerufen wurde,war bislang für die meisten von uns undenkbar. Als vor einigen Jahren zukünftige Wasserknappheit hierzulande prognostiziert wurde, habe ich nur gedacht: “ Ja,ist denn schon der 1. April?“Und mein Staunen darüber hier im Blog auch geäußert.Das war vor nicht mal 10 Jahren!!

SvG
SvG
2 Jahre zuvor

@ 11; thomas weigele: „„Der Wohlstand nimmt weltweit zu“,lese ich. Anderswo lese ich aber,dass seit Jahren wieder die Zahl der Hungernden zunimmt“
Beides ist richtig. Die absolute Zahl der Hungernden wächst, bedingt aber durch das Bevölkerungswachstum. Die Anzahl in Relation zur Weltbevölkerung sinkt. Kann man sehr gut in Indien beobachten. Die Anzahl der absolut Armen ist seit ca. 30 Jahren konstant, gleichzeitig wuchs die Bevölkerung rasant. Auch wegen der Aufbauhilfe, der Entwicklung der industriellen und datenbasierten Wirtschaft, vor allem der Callcenter und der besseren medizinischen Versorgung. Die gleiche Anzahl an Menschen macht jetzt statt 50 nur noch ca.30% aus. Wobei da jeder Hungernde einer zuviel ist.

Lehmbruck
Lehmbruck
2 Jahre zuvor

Ich möchte zu bedenken geben, dass wir uns nicht so von russischem Gas abhängig gemacht hatten, wenn wir mehr auf die Grünen gehört hätten. Seit Jahren warnte Annalena Baerbock vor Nord Stream 2, aber die Große Koalition wollte nicht auf sie hören. Denn zur Wahrheit gehört auch: Nur die Grünen und nur einige CDUler wie Polenz und Röttgen, die leider (deswegen?) nicht in Partei oder Regierung eingebunden wurden, wollten von Russlands fossilen Energien loskommen. Da nun die Grünen die Fehler ihrer Vorgänger auszubaden haben, sollte man nicht so tun, als hätte unter weiteren 4 Jahren Merkel oder Merz der Quell von Gazprom weiter für unseren Wohlstand gesprudelt.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
2 Jahre zuvor

Nun ja, die Grünen sind nur dort technikbegeistert, wo es ihre Ideologie zu unterstützen scheint, ansonsten sie sind eher reaktionär.
Das fängt bei der Atomkraft an und hört bei dem Speicherproblem für regenerative Energien nicht auf.
Wir werden auf jeden Fall dauerhaft abhängig von importierten Atomstrom werden. Entweder direkt oder indirekt über den Wasserstoff, der hauptsächlich mit Atomstrom generiert werden wird. Weil für grünen Wasserstoff noch in 100 Jahren nicht genügend Kapazität da sein wird.

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