Lange Zeit wurde vom DFB erwartet ein Signal des Aufbruchs, ein Signal der Erneuerung zu senden. Jetzt, wo er es getan hat, ist es vielen auch wieder nicht recht, was im Kern aber ein gutes Zeichen ist.
Der DFB hat Andreas Rettig zum neuen Geschäftsführer ernannt. Formal wird der diskussionsfreudige ‚Querdenker‘ damit Nachfolger von Oliver Bierhoff, der nach der verkorksten Weltmeisterschaft in Katar im Spätherbst nach heftigen Diskussionen seinen Posten beim Fußballverband räumte.
Über die Entscheidung pro Rettig kann man trefflich diskutieren. Fest steht, dass Rettig, der in seiner Vergangenheit unter anderem für den FC St. Pauli aktiv war, seit Jahren mit kontroversen Meinungen für viel Gesprächsstoff sorgt, sich, wenn er es für geboten hält, auch nicht scheut unangenehme Dinge anzusprechen und zu vertreten.
Das ist, wenn man über einzelne Standpunkte Rettigs naturgemäß auch unterschiedlicher Meinung sein mag, eigentlich genau das, was sich Fans und Verbandsvertreter vom Wandel im DFB erhofft haben. Weniger Kommerz, mehr Fan-Nähe, das ist es, was Rettig seit Jahren in der Öffentlichkeit engagiert vertritt.
Standpunkte, die im DFB, trotz häufiger Beteuerungen des Gegenteils, zuletzt immer mehr ins Hintertreffen geraten waren. Unter Bierhoff ging es genau in die Gegenrichtung. Immer mehr Distanz zwischen Verband und Fans, immer mehr Kommerz. Das wollten viele Fußballfreunde im Lande so schon lange nicht mehr. Kein Wunder also, dass Bierhoff am Ende seiner Zeit beim DFB bei den Fans einen so schweren Stand hatte.
Die Wahl von Rettig als dessen Nachfolger ist insofern nur konsequent. Und dass jetzt ausgerechnet Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Mintzlaf von ihren Posten aus der Taskforce zurücktraten, passt auch gut ins Bild, gelten beide doch als klassische Vertreter der Mehr-Kommerz- und Weiter-So-Ausrichtung beim DFB der vergangenen Jahre. Dass insbesondere die beiden mit der Entscheidung pro Rettig so ihre Probleme hatten, und wohl auch noch immer haben, ist logisch. Ihre Rücktritte sind somit nur konsequent. Jetzt hat Rettig die Chance sich zu beweisen. Die Aufgabe, die vor ihm liegt, ist allerdings groß und kompliziert. Erfolg ist selbst bei vollem Engagement und Leidenschaft nicht garantiert.
Der DFB geht mit der Person Rettig ein gewisses Risiko. Der neue DFB-Geschäftsführer hatte in den vergangenen Jahren stets mindestens so viele Kritiker wie Freunde. Aber ein echter Neuanfang ist, wenn denn beim DFB mit seinen ‚alten weißen Männern‘ überhaupt möglich, am wahrscheinlichsten mit einem Querkopf wie Rettig zu gewährleisten. Rettig hat die Persönlichkeit und die Erfahrung, die es bracht. Er weiß außerdem schon, wie es sich im ständigen Gegenwind arbeitet.
Ich persönlich habe mich übe diese mutige und unerwartete Entscheidung wirklich sehr gefreut. Es wird dadurch auch auf dieser Ebene des Verbandes garantiert sehr spannend werden in den kommenden Monaten und vielleicht auch Jahren. Zudem ist die Chance auf einen Wandel zum Besseren beim DFB mit einem Geschäftsführer Andreas Rettig in jedem Falle deutlich größer als zuvor.
Zudem gilt: Wer wirklich einen signifikanten Wandel will, der braucht Mut! Und diesen Mut hätte ich dem DFB nach den vergangenen Jahren eigentlich gar nicht mehr zugetraut…