Dietmar Woidke und Brandenburgs traditionelle Beziehungen zu Russland

Dietmar Woidke Foto: Olaf Kosinsky Lizenz: CC BY-SA 3.0 de

Mit Verweis auf die traditionellen Beziehungen seines Bundeslandes zu Russland fordert Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke Verhandlungen mit Russland zur Beendigung des Ukraine-Krieges.

In den Wahlkämpfen im Osten ist der Krieg in der Ukraine eines der großen Themen. Neben der AfD, der sich zurzeit als Linkspartei bezeichnenden SED und den Wagenknechten setzen auch die Politiker der demokratischen Parteien, ob aus Überzeugung oder Verzweiflung angesichts der drohenden Niederlage, auf Verhandlungen mit Russland. Zu Ende gedacht, bedeutet das in der aktuellen Situation nichts anderes als die Aufkündigung der politischen und militärischen Solidarität mit der Ukraine, die von Russland überfallen wurde.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird nun von t-online mit den Worten zitiert: „Dieser Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. Und ich erwarte, dass die Bundesregierung schneller alle diplomatischen Bemühungen ergreift, die möglich sind.“ Woidke betonte die traditionellen Beziehungen Brandenburgs zu Russland und die Bereitschaft, diese Gespräche fortzuführen: “Es braucht diese Kontakte: Wir müssen so schnell wie möglich dafür sorgen, dass Frieden in Europa herrscht.”

Nun wird niemand Woidke widersprechen, dass der Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich enden sollte. Vor allem die Ukrainer wünschen sich das, die Opfer Russlands sind, deren Bevölkerung niedergemetzelt und deren Städte zerbombt werden. Das Land wollte keinen Krieg und hatte sich schon vor Jahren auf den Weg gemacht, ein westlicher und demokratischer Staat zu werden.

Dass ein Land von der Größe Brandenburgs, das gut halb so viele Einwohner wie das Ruhrgebiet hat, dabei eine große Rolle spielen wird, darf bezweifelt werden. Und auch seine traditionellen Beziehungen zu Russland sind nicht ganz so beeindruckend, wenn Woidke sie wirklich auf die Geschichten seines Bundeslandes bezieht. Ja, es wurde erstmals 1946 in der Zeit gegründet, als der Osten Sowjetische Besatzungszone war. Nach dem Willen der SED wurde Brandenburg bereits 1952 schon wieder, wie alle Länder der DDR, aufgelöst. Erst kurz vor der Wiedervereinigung 1990 wurde es ein zweites Mal gegründet. Die traditionellen Beziehungen, die Woidke meint, sind wohl eher die Preußens, das vom Alliierten Kontrollrat mit einer guten Begründung 1947 aufgelöst wurde: „Der Staat Preußen, der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit aufgehört zu bestehen.“ Um die Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Grundlage zu sichern, lösten die Amerikaner, Briten, Franzosen und Sowjets Preußen auf. Der Staat, der auch nach Ansicht des Preußen-Freundes, des britischen Historikers Christopher Clark, in den Jahrhunderten nach dem Tod Friedrichs des Großen von Hohenzollern regiert wurde, die von Generation zu Generation unfähiger wurden, hatte tatsächlich eine besondere Beziehung zu Russland. Und die war, folgt man James Hawes, einem weiteren britischen Historiker, in seiner Geschichte Deutschlands, ein Fluch:

„Seit 100 n. Chr. gehörten das südliche und westliche Deutschland zu Westeuropa. Erst im Jahr 1525 erschien ein neues, nicht westliches Deutschland auf der Bildfläche: Preußen. Die Westdeutschen indes waren alles andere als unverbesserliche Kriegstreiber oder geborene Staatsvergötzer und waren deshalb nicht in der Lage, sich gegen diesen Parvenü zu vereinen. Ihre Länder wurden immer mehr zur Kampfarena und zu potenziellen Kolonien ihrer stärkeren Nachbarn. Dann wurde Preußen 1814 – zu einer Zeit, da es nicht mehr als ein Klientelstaat Russlands war – durch einen folgenschweren Akt der Dummheit erst richtig stark gemacht. Großbritannien wollte, ganz wie die Trumpisten unserer Tage, dass Europa ein Durcheinander konkurrierender Staaten bliebe, und schenkte Preußen deshalb eine moderne Industrieregion am Rhein. Im Jahr 1866 wurden Süd- und Westdeutschland auf dem Schlachtfeld besiegt und kurze Zeit später absorbiert – und zwar vom fatalerweise hochgezüchteten Preußen, welches nach den üblichen Standards europäischer Nationalität – Geschichte, Geografie, politische Strukturen, Religion – vollkommen fremd war. Dies war die große Deformation. Von nun an speisten der Wohlstand, die Industrie und die Demografie Süd- und Westdeutschlands den Ehrgeiz Preußens. Dabei hatte Preußen stets ein Hauptziel vor Augen: die Hegemonie über Polen, die baltischen Länder und Nordmitteleuropa, wenn möglich im Verbund mit Russland, oder, wenn nötig, durch ein finales Kräftemessen mit dem Riesenreich im Osten. Der tausendjährige Kampf endete 1945 mit der blutigen Auslöschung Preußens, bis hin zu seinem Namen.“

Daran hat sich im Kern nichts geändert: Woidke, dessen Land allein im Rahmen des Aufbaus Ost 30 Milliarden Euro von den westdeutschen Bundesländern bekam und nur deshalb heute wieder befahrbare Straßen und restaurierte Städte hat, stellt sich als Sozialdemokrat offenbar in die preußische Tradition Brandenburgs, das dessen Kernland war und von dem aus die preußischen Herrscher ihren fatalen Aufstieg begangen, nachdem sich der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg 1701 zum König in Preußen krönte.

Brandenburgs, Preußens Tradition im Umgang mit Russland kann keine Grundlage für die aktuellen und künftigen Beziehungen Deutschlands zu Russland sein. Preußen ging Russland entweder an die Kehle oder unterwarf sich ihm. Deutschlands Umgang sollte anders sein: Ein demokratisches Russland könnte ein Partner sein, ein Russland, das es selbst und seine Verbündeten bedroht, ist ein Feind. Der Kreml entscheidet, wie das Verhältnis aussieht. Und der hat weder an Frieden noch an Partnerschaft ein Interesse. Deutschland ist ein westliches Land, es ist Teil der EU und der NATO und alles, was Brandenburg heute ausmacht, verdankt es dieser Tatsache und nicht seinen Beziehungen zu Russland.

 

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thomas weigle
thomas weigle
2 Monate zuvor

Was las ich grade wieder mal? „Von den Russen lernen, heißt siegen lernen“. So hieß es einst in der DDR. Offensichtlich möchte nun auch Herr W. wieder hin zu diesem wegweisenden und so erfolgreichem Motto, dass in dem kleinen traurigen Land einst ständig zu lesen und zu hören war. Mit dem BSW-SED dürfte das funktionieren. Unter froindlicher Mithilfe der Partei des Herrn W. Ich kann gar nicht so viel essen, wie…..

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