Er ist der Gentleman des Techno, Erfinder des Electroclash und legte schon als DJ auf einer Party von Playboy-Gründer Hugh Hefner auf. Die Corona-Phase war für ihn als DJ besonders hart – keine Engagements, somit keine Möglichkeiten an Jobs zu kommen. Zwischendurch war er ein paar Wochen in Mexico. Nun öffnen die Clubs wieder: am 22. April legt DJ Hell im Dortmunder Club Oma Doris auf. Im Interview sprechen wir über musikalische Vorlieben, sein schwieriges Verhältnis zu Arnold Schwarzenegger und warum er das Ruhrgebiet so anziehend findet.
Hell, wie sah deine frühste musikalische Sozialisation aus?
So mit 12, 13 oder 14 Jahren mochte ich schon gerne eine Band wie T-Rex. Diese Power, diese Sprache, diese Emotion – das kann man ja schon als Kind verstehen. Als Kleinkind habe ich viel Radio bei meinen Eltern mitgehört. Da lief viel Schlager und viel bayrische Volksmusik, was ich aber nicht so sehr mochte, weil es Tag und Nacht bei uns lief. Ich hab dann irgendwann versucht andere Musik zu finden, die mich faszinierte. Ich bin dann irgendwann bei Thomas Gottschalk gelandet, seine Radio-Sendung damals hieß ›Pop nach Acht‹ und die lieft in den Jahren zwischen 1977 und 1980 auf Bayern 3. Da habe ich dann Sachen wie Klaus Nomi, Ultravox oder The Police zum Beispiel entdeckt. In Oberbayern wohnten wir ja an nah an der österreichischen Grenze – und bei den dortigen Radiosendern lief meist die coolere und fortschrittlichere Musik. Ich habe Stunden vor dem Radio verbracht und habe Musik gehört.
Etwas später hast du eine Ausbildung als Betriebsschlosser gemacht, wie kam es dazu?
Bei uns auf dem Land hat man meist ein Handwerk in der Metall- oder Holz-Branche gelernt. Ich hab eigentlich den Fehler gemacht, dass ich mich für das Metall entschieden habe – viel lieber wäre ich Schreiner geworden. Mein Vater war Working-Class, ich war Working-Class – mein ganzes Umfeld, also Familie, Freundeskreis, Bekannte – alle stammen aus der Arbeiterklasse. Da musste ich nicht erst mit einer Betriebsschlosser-Lehre um die Ecke kommen, es war von vornherein klar, was das bedeutet. Aber nach der Lehre wusste ich: das ist nicht mein Ding, damit will ich nichts zu tun haben. Nebenbei war ich schon brotloser DJ, der ohne Gage aufgelegt hat. Ich wusste damals nicht, wie es weitergehen wird mit dem Auflegen. Es war damals nicht klar, dass das mal mein Hauptberuf wird und das ich damit mal mein Geld verdienen kann.
Hatte die Stadt München auch eine Faszination für dich ausgestrahlt? Dort gab es ja in den 1970er Jahren das Musicland-Studio von Giorgio Moroder und Freddie Mercury lebte eine zeitlang in Schwabing….
München war vor allem anders. Bei uns auf dem Dorf in Traunstein gab es ja nur Trachtenvereine, die freiwillige Feuerwehr und den örtlichen Fußballclub. Und die Anbindung an die Kirche war damals sehr stark. Als heranwachsender Jugendlicher war das für meine zukünftige Weiterentwicklung alles wenig interessant – als Musiker, DJ und Label-Betreiber haben mich andere Sachen fasziniert. Und alles was Giorgio Moroder machte, hatte einen Einfluss auf die weltweite Musikszene. Sein Song ›I Feel Love‹ hat so viel losgetreten, das war ja quasi die Blaupause für House- und elektronische Tanz-Musik. München im speziellen war für mich nicht so wichtig, das kam er später durch die Punk-Musik, elektronischen New Wave und die Neue Deutsche Welle. Da gab es in München Festivals und Clubs, wo ich mich als 18-Jähriger an den Türstehern vorbei schleichen musste, um da rein zu kommen. Irgendwann spielten die Einstürzenden Neubauten und Deutsch Amerikanische Freundschaft in München – und das hat mich schon sehr nachhaltig geprägt.
Später hast du in New York gelebt. Dort kam es zu einer Zusammenarbeit mit Sänger Alan Vega von der Band Suicide. War das ein prägendes Erlebnis?
Alan Vega war eigenständig und einzigartig in allem was er machte: elektronischer Rock’n’Roll, so etwas gab es vorher nicht. Sein Song ›Jukebox Baby‹ war ja kein New Wave, kein Rock’n’Roll, sondern eine Verschmelzung aus verschiedenen Stilen und damals völlig neuartig. Das war ein großer Einfluss für mich. Anfang der 1980er Jahre dachte ich natürlich nicht, dass ausgerechnet ich irgendwann mal mit Alan Vega in einem New Yorker Hotel sitze und mit seiner Frau über Verträge spreche. Alan Vega wollte damals nicht aus Manhattan raus und nach Brooklyn ins Tonstudio fahren. Ich hatte ihm vorher Sachen von mir geschickt und die fand er großartig. Zu Tracks, die ich damals in New York produziert hatte, hat Alan Vega dann Texte geschrieben. Eine Woche später waren wir dann im Studio in Tribeca in Manhatten und haben das alles aufgenommen. Für mich war das wirklich beeindruckend – und eine der tollsten Kooperationen, die ich je erleben durfte. Das werde ich nie vergessen.
Sicher ist bei dir auch unvergessen, wie du im Jahr 1999 von Arnold Schwarzenegger verklagt worden bist. Wie bitter war das?
Nun, ich habe keine ganz so guten Erfahrungen mit ihm gemacht. Über seine Anwälte kam eine einstweilige Verfügung, weil ich sein Konterfei für meine Plattenfirma benutzt habe – das war ja quasi unser Firmenlogo. Das war nicht mit Arnold oder seinen Anwälten geklärt, oder abgesprochen – und dann kam es zur Klage: Schwarzenegger gegen DJ Hell. ›Terminator kills Independent Music Label‹ so lautete damals die Schlagzeile in der Presse. Ich hab damals verloren und musste sehr viel Geld dafür bezahlen.
Bist du heute noch sauer auf Schwarzenegger deswegen?
Nein. Damals war es schon schwierig, klar. Ich hatte das Geld nicht und musste alle Verkäufe offenlegen und gleichzeitig einstellen. Es gab eine einstweilige Verfügung, ich musste alle Vertriebsdaten an die Anwälte weiterleiten und mein Anwalt sagte dann irgendwann zu mir, dass ich ziemlich chancenlos dastehe. Es wurde ein Vergleich angestrebt und ich durfte jahrelang eine beträchtliche Summe abstottern. Das war keine leichte Zeit, aber ich habe heute keine negativen Erinnerungen daran. Denn jetzt, also 21 Jahre später, sehe ich auch den positiven Aspekt, denn es war ja eine große Werbung/Promotion für das Label ›International Gigolo Records‹.
Hättest du gern Schwarzenegger persönlich getroffen?
Ja! Ich hätte ihm damals erklärt, was uns das Logo bedeutet und das wir alle große Arnold-Schwarzenegger-Fans sind. Ich hatte auch angeboten nach Los Angeles zu ihm zu fliegen, aber soweit es nicht gekommen. Ich sehe den ›Terminator‹ schon als großen Selfmade-Mann, der aus kleinen Verhältnissen in der Steiermark stammt und der sich über das Bodybuilding zum Gouverneur hochgearbeitet hat. In der Filmgeschichte ist er ein sehr erfolgreicher Hollywood-Schauspieler, sein ganzes Lebenswerk ist schon wirklich beeindruckend und Bodybuilding ist durch ihn weltweit populär geworden.
Kommen wir zum Ruhrgebiet: für unterschiedliche Aktionen mit der Pottoriginale-Crew warst du in den letzten Jahren häufiger in Dortmund, Bochum oder Herne zu Gast. Wie empfindest du den Vibe, den das Ruhrgebiet ausstrahlt?
Nun, mittlerweile haben sich ja echte Freundschaften unter uns entwickelt. Regisseur Gerrit und Hauptdarsteller VfL Jesus sind ja sogar einmal nach München gekommen, als ich für die FC Bayern Ultras in der Südkurve vom FC Bayern-Stadion aufgelegt habe. Das war ein echt einmaliges Erlebnis – für mich sehr bedeutend und sehr wichtig. Der Pott ist natürlich ganz was anderes als Bayern. Gerade vom Humor her. Ich musste den ersten Pottoriginale-Film wirklich vier bis fünfmal anschauen, bis ich dann endlich alles kapiert habe: den trockenen Humor, die Ehrlichkeit und auch die Menschlichkeit. Das kommt meinem Charakter und meiner Mentalität sehr nahe. Ich komme sehr gut mit den Leuten aus der Pottoriginale-Crew klar – und freue mich immer sehr alle zu treffen.
Ein anderes wichtiges Thema im ist natürlich der Fußball. Magst du den Fußball im Ruhrgebiet?
Ja, klar! Ich interessiere ich mich sehr für den VfL Bochum und mit Glockenhorst, einem sehr wichtigen Pottoriginal, habe ich schon ein Spiel bei Rot-Weiß Essen besucht. Die ganzen Pottoriginale-Fußballjungs aus dem Ruhrgebiet, also Gerrit Starczewski, Tankwart, VfL Jesus und alle anderen auch, würde ich schon in meinem erweiterten Freundeskreis sehen. Und ich denke bei denen ist es umgekehrt genau so. Wenn wir uns treffen ist alles immer echt, menschlich und sehr warmherzig, da gibt es keine eingespielten Posen. Das kommt mir sehr nahe, deswegen komme ich mit den Leuten so gut klar.
DJ Hell Live-Termin:
22. April : Dortmund, Oma Doris