Offenheit ist nicht das Markenzeichen der Erzdiözese Köln. Nun sollten Journalisten Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen. Sie weigerten sich.
„Dass nicht jede Information , unter 3‘ für die Veröffentlichung bestimmt ist, gehört für Journalisten zum Alltagsgeschäft. Wenn allerdings Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnet werden sollen, die berechtigte Berichterstattung unmöglich machen, muss der Eindruck entstehen, man wolle etwas verschleiern“, kommentiert Frank Stach, Landesvorsitzender des DJV-NRW das abgebrochene Gespräch des Erzbistums mit Journalisten zu einem bislang zurückgehaltenen Gutachten über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
Kurz vor dem Pressetermin am Dienstagnachmittag hatte das Erzbistum die Journalisten aufgefordert, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben, die es in sich hatte. Darin sollte sich die ohnehin sehr geringe Anzahl der Geladenen unter anderem verpflichten, weder Tathergänge aus dem Gutachten zu veröffentlichen noch darin benannte Verantwortungsträger zu nennen.
Dass die Namen im Gutachten geschwärzt seien und man keine Kopien anfertigen dürfe, hatte das Erzbistum bereits vorzeitig angekündigt. „Das ist nachvollziehbar. Es ist in Ordnung, wenn man darum bittet, dass aus Gründen des Opferschutzes bestimmte Tatsachen möglichst geheim gehalten werden sollen“, urteilt Landesvorsitzender Stach. „Aber schriftliche Geheimhaltungsvereinbarungen in einem solchen Umfang sind für Journalisten vollkommen unüblich.“ Denn neben den Tathergängen und den Verantwortlichen in der Kirche hätten noch nicht mal die Empfehlungen der Kanzlei weitergegeben werden dürfen. „Das kommt einem Maulkorb für die Kollegen gleich. Bei diesen Verboten fragt man sich, über was dann überhaupt noch berichtet werden darf und warum das Bistum überhaupt eingeladen hat. Die Reaktion der Kollegen, die Unterschrift zu verweigern, war die einzig mögliche.“
In der am Dienstag kurz vor dem Pressegespräch vorgelegten Vereinbarung hieß es unter anderem: „Der Journalist verpflichtet sich, die Inhalte des ihm darin offenbarten Gutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl vertraulich zu behandeln“. Weiter sollte unterzeichnet werden: „Der Journalist verpflichtet sich, über diese Informationen vollständiges Stillschweigen zu bewahren“, hieß es in der „Vertraulichkeitsvereinbarung“.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte vor zwei Monaten entschieden, das Gutachten nicht zu veröffentlichen, weil es seiner Meinung nach methodische Mängel aufweise und „nicht gerichtsfest“ sei. Diese Begründung war inner- und außerhalb der Kirche auf Kritik gestoßen. Trotzdem soll der Kölner Strafrechtler Björn Gercke bis März ein neues Gutachten vorlegen. Auf äußeren Druck hin soll jetzt außerdem geprüft werden, ob ein neues Hintergrundgespräch mit Journalisten in der nächsten Woche angesetzt werden kann, bei dem dann auf eine Verschwiegenheitserklärung in der gestern vorgelegten Form verzichtet wird.
So genannte Hintergrundgespräche sind Gespräche von Informanten mit ausgewählten Journalisten, wobei im Unterschied zu Pressekonferenzen die Inhalte nicht unbedingt sofort für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Sie dienen zur Information der Journalisten über Sachverhalte und zur freien Aussprache von Standpunkten. Für solche Gespräche gelten berufsethische Regeln, die unter anderem die Bundespressekonferenz in ihrer Satzung kodifiziert hat:
„Die Mitteilungen (…) erfolgen: unter 1: zu beliebiger Verwendung, unter 2: zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden und unter 3: vertraulich.“
So langsam schweifel ich an der Schuldfähigkeit der Verantwortlichen in Köln.