Die „Wiedergutwerdung der Deutschen“. So heißt treffend ein Band mit Essays von Eike Geisel, der leider viel zu früh verstorben ist. Was gerade in und um die documenta in Kassel geschieht wäre, täte er noch leben, sicher Stoff für einen seiner Artikel geworden. Von unserem Gastautor Thomas von der Osten-Sacken.
Zu seinem Andenken schreibe ich die folgenden Zeilen, auch wenn er es so viel besser gekonnt hätte: Arnold Bode, ein sein Leben lang „überzeugter Sozialist“ und der spätere Gründer der documenta, verlor schon am 1. Mai 1933 seinen Job als Dozent am Städtischen Werklehrer-Seminar in Berlin. Kurze Zeit erhielt er als „entarteter Künstler“ auch ein Berufsverbot.
Auch wenn Bode nicht emigrierte war er einer derjenigen, die offenbar wirklich zwischen 1933-45 alles vermieden, um mit den Nazis sich gemein zu machen. Als besonderes Erlebnis in dieser Zeit schilderte er später einen Besuch in Paris 1937, wo er Pablo Picassos Guernica sah. Dieses Bild sei ihm damals als „ein Signal für alle Widerstandskämpfer“ erschienen.
Nach 1945 arbeitete Bode fieberhaft daran, ein Ausstellungskonzept zu entwickeln, das all denen, die im 3. Reich als „entartete Künstler“ verfolgt wurde, gerecht werden und an sie erinnern sollte. So entstand die erste „documenta“, die dann auch auf entsprechend wenig Begeisterung in der Nachkriegsbundesrepublik der 50er Jahre stieß, in der sich allerlei Altnazis gerade als neu gewendete kalte Krieger gegen den Bolschewismus einrichteten und ein Großteil der Bevölkerung durchaus weiter die Ansicht vertrat all dies abstrakte Kunstzeug habe der Führer ganz zu Recht als „entartet“ aus den Museen verbannen lassen.
Picassos Guernica wurde bislang einmal, nämlich 1955, in Westdeutschland ausgestellt. Mit mäßigem Erfolg: „The undisputed eye-catcher of that spectacular exhibit was Guernica, on display in Germany for the first and only time. Its controversial reception reveals that at that time there was no intention to see the work in Germany in a memorial relationship with Germany’s own historical responsibility. Thus it virtually functioned as a symbol for a collective amnesia of the West German postwar society, whereas the socialist East of the Republic stylized the painting into an anti-fascist icon.“
Und heute? Stehen die Nachgeborenen vor einer Verkitschung der Guernica durch Mohammed Al Hawajri, die als Kunst aus Gaza präsentiert wird und Betrachtern nahe legen sollte, dass die zeitgemäße Legion Condor wohl die Israeli Air Force sei.
Dazu passt auch, dass der deutsche Bundespräsident in seiner Rede lieber Joseph Beuys als Zeugen bemüht, der als Hitlerjunge am „Reichsmarsch auf Nürnberg“ teilnahm und sich später in rechten und völkischen Kreisen äußerst wohlfühlte. Auch er steht nämlich symbolisch für die (spätere) „documenta“.