Dortmund: Bundesweites Theaterprojekt zu NSU-Morden

Erinnerung an die NSU Opfer Foto: Ayse Guelec Lizenz: Copyright/DKH


„Kein Schlussstrich!“, heißt es in diesem Herbst auch in Dortmund: Das Keuninghaus beteiligt sich am gleichnamigen bundesweiten Theaterprojekt. Ziel ist es, die Taten und Hintergründe des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) künstlerisch zu thematisieren. Damit ist das Keuninghaus Teil einer Kooperation von Theatern und Institutionen aus 13 Städten, die zwischen dem 21. Oktober und 7. November 2021 auf die Taten von damals und den Rassismus bis heute aufmerksam machen.

Im Herbst jährt sich die Selbstenttarnung des NSU zum zehnten Mal. In Dortmund war im April 2006 Mehmet Kubaşik ermordet worden. „Die Spur der Nazi-Morde führte quer durch Deutschland. Die bisher einmalige Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Städten für dieses bundesweite Kunst- und Theaterprojekt ist eine menschlich-solidarische Antwort auf das grausam Unmenschliche. Für uns als Teil der Veranstaltergemeinschaft und als einzige Soziokultureinrichtung ist es eine berührende Herausforderung, die wir im Bewusstsein der besonderen Verantwortung gern angenommen haben“, sagt Levent Arslan, Direktor des Keuninghauses.

Alle Veranstaltungen finden im Dietrich-Keuning-Haus statt und sind kostenlos. Anmeldung unter veranstaltungsorganisation@stadtdo.de. Für das Programm kooperieren das Schauspiel des Theater Dortmund und das Dietrich-Keuning-Haus. Zum Dortmunder Programm gehört eine szenische Lesung in Kooperation mit dem Dortmunder Schauspiel, die die Liebesgeschichte von Mehmet Kubaşık und seiner Frau Elif thematisiert. Während der gesamten Projektlaufzeit gibt es ein Rahmenprogramm aus Ausstellungen, Musikveranstaltungen und Gesprächen.

Bundesweit beteiligt sind Akteure in den Städten, in denen Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter von Rassisten ermordet wurden. Auch jene Städte sind beteiligt, in denen die Täter des NSU aufwuchsen, Aufenthalt oder Unterstützung fanden. Das Projekt will die Perspektiven der Familien der Opfer und der migrantischen Communities in den Fokus stellen – mit allen künstlerischen Mitteln, Diskussionen und Workshops.

Ausstellung „Offener Prozess“
21. Oktober bis 7. November

In Dortmund startet das Programm mit der Ausstellung „Offener Prozess“, die vom 21. Oktober bis 7. November jeweils dienstags bis samstags von 10 bis 22 Uhr im Keuninghaus zu sehen ist. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung nimmt die ostdeutsche Realität, insbesondere in Sachsen, zum Ausgangspunkt, um eine Geschichte des NSU-Komplexes zu erzählen, die von den Migrationsgeschichten und den Kontinuitäten rechter und rassistischer Gewalt und des Widerstandes dagegen ausgeht.

Die Beiträge widmen sich den Lebensrealitäten von Gastarbeiter, Migrationsgeschichten, dem Alltag in Deutschland und der rechtsterroristischen Gewalt wie dem Alltagsrassismus. Aktivistische Initiativen erinnern an Opfer dieser Gewalt und geben dem Widerstand eine Stimme. Die Ausstellung fordert zum Handeln auf.

Konzert: Ebow (mit Voranmeldung)
21. Oktober, 19.30 Uhr

Im Spiel mit unseren Erwartungen rappt die Münchenerin Ebow gegen Sexismus, Rassismus, Homophobie und für eine offene und solidarische  Gemeinschaft und verweigert sich dabei jeder Kategorisierung.

Vernissage „Correctiv: Im Fadenkreuz des rechten Terrors“
25. Oktober, 19.30 Uhr

Rechter Terror richtet sich oft gegen Einzelne – aber er soll alle treffen. Nichts zeigt das besser als die 57 Porträts in dieser Ausstellung und im Begleitband. Die abgebildeten Menschen wurden von Rechtsextremen als Gegner markiert und auf sogenannte „Feindeslisten“ gesetzt. Die Ausstellung macht sie sichtbar.

Lesung: Weiße Wölfe
27. Oktober, 19.30 Uhr

„Weiße Wölfe“ ist eine grafische Reportage über rechten Terror: Autor David Schraven und Grafiker Jan Feindt enthüllen darin die Ideologie der Neonazis und zeigen: Es sind regionale Gruppierungen wie jene in Dortmund, die Anschläge nach Art des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) erst möglich machen. Die Zuschauer hören zu, sehen zu – und lernen die Einflüsse und Aktivitäten der rechten Szene in der Stadt Dortmund kennen. Es lesen David Schraven und Sascha Bisley, dazu gibt es eine Bildershow.

Konzert / HipHop: Microphone Mafia
28. Oktober, 19.30 Uhr

Microphone Mafia aus Köln sind eine der ältesten aktiven Hiphop-Acts in Deutschland.

Themenabend: 60 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei
29. Oktober, ab 18 Uhr (mit Voranmeldung)

Deutschland und seine türkischen „Gastarbeiter“: Ist es eine arrangierte Zweckbeziehung oder eine Liebe auf den zweiten Blick? Ist die Aubergine tatsächlich mit den Türken nach Deutschland gekommen? Entstand die Dönertasche in Deutschland? Waschen sich die Deutschen tatsächlich nur einmal in der Woche? Gastarbeiter aus der ersten und zweiten Generation sowie Zeitzeugen kommen zu diesen und anderen Themen zu Wort. Dazu gibt es Musik, Comedy, Tanz und Party sowie hausgemachte türkische Köstlichkeiten.

Mit dabei sind u.a. Lale Akgün (Politikerin), Günter Wallraff (Autor), Ferda Ataman (Journalistin), Ozan Ata Canani (Musiker), Özcan Coşar (Kabarettist, Moderator und Schauspieler), Serap Güler (Staatssekretärin in der Landesregierung NRW), Kübra Gümüşay (Journalistin und Autorin), Tayfun Keltek (Landesintegrationsrat NRW), das Ehepaar Sarıkaya (Bergmann und Sozialarbeiterin aus Dortmund), Jörg Stüdemann (Stadtdirektor der Stadt Dortmund) und Nesrin Tanç (Kulturwissenschaftlerin). Es moderiert Aslı Sevindim, Abteilungsleiterin im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.

Polittalk von und mit Jugendlichen
30. Oktober, 19.30 Uhr

Ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Jugendlichen aus der Dortmunder Nordstadt und Politiker, u.a. mit der Bezirksbürgermeisterin Innenstadt-Nord, Hannah Rosenbaum. Die Jugendlichen bekommen die Möglichkeit, ihre Meinung zu (Alltags-)Rassismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung in Dortmund zu formulieren und in den Diskurs mit Vertreter aus Politik zu treten. Die Jugendlichen gestalten die Form und „Spielregeln“ der Polittalks in Eigenregie und setzen sie als Moderatoren auf der Bühne um.

Oratorium „Manifest(o)“: Der Chor der Vergebung / Affetme Korosu
31. Oktober, 19 Uhr

Eine musikalische Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex unter Einbeziehung verschiedener Laienchöre.

Gesprächskreis: Kein Schlussstrich! Wie erinnert Dortmund?
2. November, 19.30 Uhr

Ein Talk über den Umgang mit Erinnerungskultur, u.a. mit Ali Sirin (Bündnis Tag der Solidarität – Kein Schlussstrich Dortmund), Roxanna Lorraine-Witt (Safe Space e.V.) und Duygu Soeyler (Migrantifa NRW).

Film & Diskussion: Aussteiger
3. November, 19.30 Uhr (mit Voranmeldung)

In Interviews und Erzählungen berichten Aussteiger aus der rechten Szene aus Dortmund und Umgebung. Im Anschluss findet eine Gesprächsrunde mit Aussteigerbegleiter statt.

Musikalischer Abend mit poetischer Begleitung: Diversität (l)eben!
4. November, 20 Uhr

Let’s sing! Let’s rock! Let’s spread some love! Ein musikalischer Abend, an dem die Künstlerauf ihre Art sagen, was Frieden, Gerechtigkeit, Zusammenhalt und Gemeinschaft für sie bedeuten und wonach sie sich sehnen. Ein Abend, der einer Phantasiereise gleich kommt. Dabei sind Joyce Nuhill, & Wolfgang Brust, Rejoice & Rapha, El Festus, Mister Kibs & Jojo und Aylin Celik.

Szenische Lesung
5. November, 19.30 Uhr (mit Voranmeldung)

Unter der Regie von Emel Aydogdu werden Teile des Theaterstücks „NSU-Monologe“, die Familie Kubasik betreffend, neu aufbereitet. Die Regisseurin schafft den Brückenschlag von der Geschichte der Familie Kubasik hin zu ihrer eigenen Biografie und lässt keinen Zweifel daran: Es hätte meinen Vater oder meinen Opa ebenso treffen können. Es hätte jeden treffen können. Zu jeder Zeit. Eine Kooperation zwischen Theater Dortmund, Schauspiel und dem Keuninghaus.

Oratorium „Manifest(o)“: Gleißendes Licht / Parlayan Nur
7. November, 19 Uhr

Genozide und Morde von Staaten oder Einzelpersonen – die Geschichte ist voll von Menschen, die auf Gerechtigkeit warten. Wann werden diese Menschen sagen dürfen, dass Gerechtigkeit geschehen ist? Der Pianist Emre Elivar setzt mit seiner Performance ein Zeichen und erinnert durch die Komposition von Marc Sinan zugleich an die Schönheit wie die dunklen Abgründe menschlichen Handelns. Musikalisch ist das Programm ein Treffen der Gegensätze, eine wahnwitzige Überschreibung von Beethovens 5. Klavierkonzert, gerahmt von Kompositionen Mahir Çetiz‘, Olivier Messiaens und Franz Schuberts.

 

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