Dortmund, die Erlebnisstadt im Ruhrgebiet

Das Dortmunder U – Foto: Ulrike Märkel

Es kann und darf nicht wahr sein. Es war auch nicht der 1. April. Dortmund will sich als Erlebnisraum vermarkten. Von unserem Gastautor Klaus R. Kunzmann.

Das jedenfalls berichten die Ruhrnachrichten von einem Neujahrgespräch in der obersten Pralinen -Etage des Dortmunder U’s am Ende des Westenhellwegs. Die jahrzehntelangen Marketing-Bemühungen des Regionalverbands Ruhr (RVR) aus der Region eine Metropole haben bislang nicht viel bewirkt. Die Region ist immer noch dabei, den strukturellen Wandel zu bewältigen um internationale Aufmerksamkeit unter Investoren, Gründern und hochqualifizierten Arbeitskräften zu finden, die dann die Transformation von einer Kohle- und Stahlregion in eine smarte digitale Dienstleistungsregion in die Hände nehmen. Wenn nicht smarter Stadteil der Metropole, dann wenigstens Erlebnisraum.

Dieses neue Drehbuch haben die Verantwortlichen der Stadt Dortmund bei Christian Mikunda, einem international renommierten Marketing-Guru aus Wien eingekauft. Er berät internationale Modekonzerne bei der Schaufenstergestaltung von flagship stores und gilt als „Großmeister der Wirkungssteigerung‘ und ‚Guru der Ladendramaturgie‘. als Vordenker der Erlebniswirtschaft und Begründer der „Strategischen Dramaturgie “ von Orten. Christian Mikunda berät Flughäfen und Handelskonzerne, Fernsehsender, Museen und Weltausstellungen, entwickelt Brandlands und Shopping Malls und sucht und findet den „roten Erlebnis-Faden“ für Städte in aller Welt.

Nun ist er auf Dortmund aufmerksam gemacht worden, einer Stadt deren unentdeckte Schönheit er erkunden und dann kommunizieren soll.  „Konsumartikel werden mit Geschichten aufgeladen. Luxus-Konzerne bauen Museen. Eissalons entwerfen Erlebnisspielplätze. Alle präsentieren ihre Marken und Waren neuerdings selbstbewusst auf künstlerischem Terroir. Künstler verwandeln Shops in Galerien, weil sich Kulturgenuss schlichtweg attraktiver präsentiert als die platte Verkaufsmaschinerie!“. So steht es auf der Website des des Österreichischen Luxus-Marketing Gurus -„Hypnoästhetik“ ist sein Zauberwort. Doch was ist Hypnoästhetik? Hypnoästhetik ist eine extrem intensive Inszenierungsart, unter anderem für Marketing, Handel und Hotellerie, die auf der Unterbewusstseinsebene abläuft. Es handelt sich um psychologische Mechanismen, wie sie auch Psychotherapeuten anwenden. Hypnoästhetik geht anders als normales Storytelling direkt unter die Haut, weil man nicht merkt, dass sie überhaupt da ist. Diese Form des Marketings ist suggestiv wie eine Hypnose“.  Psychotherapie und Hypnose also sollen Dortmund helfen aus seinem langen Transformationsschlaf aufzuwachen und Investoren wie Besuchern helfen, das „anders Schöne“ der Stadt zu entdecken. Neue urbane Schaufenster sind die Hoffnung, vielleicht auch die Lösung.

Schon vor über 20 Jahren hatte die IBA-Emscher Park die aufgelassen und denkmalgeschützten Industriestrukturen und Kohlezechen durch kreative Umnutzungen zur regionalen Erlebnisorten gemacht. Auch NRW Ministerpräsident hatte die Hoffnung mit dem Movie Park  in Bottrop-Kirchhellen die Medienwirtschaft im Ruhrgebiet zu internationalem Erfolg zu verhelfen, aber es wurde dann doch nur ein Erlebnispark für die Kinder und deren Väter und Mütter im Ruhrgebiet .

Nun sollen also Erlebnisräume neue Strahlkraft nach Dortmund bringen, herausarbeiten. Die Stadt soll, muss, so der Luxus-Marketing-Experte aus Wien, emotional aufgeladen werden- Sie muss bei Investoren und Besuchern Hochgefühle auslösen.  Die Stadt Dortmund also wie einen Konsumartikel vermarkten? In Dortmund Erlebnisräume schaffen, das ist der Ratschlag des Marketingexperten aus Wien.  Das wird nicht einfach sein, trotz aller Potentiale, die die Stadt vorweisen kann. Der Dortmunder Bahnhof als Erlebnisraum? Der Westenhellweg als Erlebnisraum? Die Nordstadt als kosmopolitischer Ergebnisraum? Die A 40 als Erlebnisraum post-fossiler Mobilität? Der Dortmunder Hafen als erlebnisreicher Konkurrent zur Hamburger Hafen City? Oder Phoenix zweimal aus der Asche? Vielleicht gibt es ja wirklich in der Stadt noch einen selbst Dortmund Kennern bislang noch unbekannten Ort, an dem der große Erfolg des Phönix-Sees noch einmal wiederholt werden kann. Es geht also darum, die Stadt Dortmund für Luxus-Kunden zu inszenieren. Aber wer sind diese Kunden Die ausländischen Studierenden an der Universität, die sich immer beklagen, weil sie einen andere Urbanität am Studienort im Ruhrgebiet erwartet haben, die Investoren von Subunternehmen von RWE, oder die digitalen Nerds, die In Berlin oder München  keine preiswerte Wohnung mehr finden?

Wir warten auf die Empfehlungen! Vielleicht können die kreativen Dramaturgen und Künstler der Dortmunder Oper helfen, einer der wenigen Einrichtungen der Stadt, die über die regionale Theaterlandschaft hinauswirkt.

Die Ruhrnachrichten berichten auch, dass sich der Marketingexperte Dortmund auch als möglichen Zweitwohnsitz vorstellen kann.  Für wen, das wird noch nicht verraten. Vielleicht weil die Mieten und Grundstückspreise im Norden von Dortmund unter denen von Starnberg und Bad Homburg liegen. Vielleicht für Deutsch-Türken der dritten Generation, die gelegentlich urbanen Erholungsurlaub von Berliner Zuständen in Neukölln, Kreuzberg oder Moabit brauchen. Oder für Investoren aus Libyen und dem Libanon, die eine unauffällige deutsche Adresse vorweisen möchten. Vielleicht auch für Sport-Steuerflüchtlinge aus Katar und Abu Dhabi, dort ihren Urlaub nicht mehr verbringen wollen, weil die Lifte in den Wolkenkratzer am Meer sehr reparaturanfällig geworden sind. Das Ruhrgebiet als Zweitwohnsitz, damit die Zahl der fehlenden Erst-Wohnungen in Deutschland noch weiterwächst? Da müsste noch viel überregionale Werbung gemacht werden.

Die politischen Kräfte in Dortmund haben noch immer nicht begriffen, dass die Stadt, der es nicht gelungen ein Profil zu entwickeln, das für internationale oder auch nationale Investoren attraktiv ist. Sicher nicht, weil in der Stadt keine Erlebnisräume vorhanden sind. Der Erlebnisraum Westfalenstadium jedenfalls wird nur von einer kleinen Fangemeinde geschätzt. Er ist auch kein Magnet für Internationale Investitionen und er kann auch Absolventen der Dortmunder Hochschulen nicht daran hindern, sich zukunftsorientierte Arbeitsplätze In Leipzig, Mannheim oder Düsseldorf zu suchen.

 

Die Berichte überregionaler Medien über Erfolge des strukturellen Wandels im Ruhrgebiet sind seit dem Ende der IBA Emscher Park vor über 20 Jahren sind wirklich rar. Dieser Tage berichtet die normalerweise seriöse Neue Züricher Zeitung auf der Grundlage von 1500 Befragungen Deutscher, dass Bochum die höflichste Stadt Deutschlands sei. Essen sei die unhöflichste sei, weil dort Leute lieber auf ihr Smartphone starren als entgegenkommende Passanten anzulächeln. Diese angeblich empirisch belegte Beobachtung ist wenig geeignet, eine Stadt zu charakterisieren. Dortmund wird dort nicht erwähnt, aber wenn die Stadt aufgrund der geplanten psychotherapeutischen Erlebnis-Strategie in neuer Schönheit erstrahlt, werden die internationalen Medien sicher auch darüber berichten.

Klaus R. Kunzmann ist emeritierter Professor der TU Dortmund und war seit seiner Gründung bis  1993 Leiter des dortigen Instituts für Raumplanung.

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