Dortmund: „Die Straße frei – Den braunen Bataillonen ?“

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Der Dortmunder Sozialdemokrat Dirk Franke war dabei, als die Nazis am 25. Mai versuchten das Rathaus zu stürmen. Nun hat er eine Vorladung des Staatsschutze bekommen. In einem offenen Brief an Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange (SPD) und NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), den Franke auf Facebook veröffentlich hat, nimmt er zu dieser Vorladung Stellung. Wir dokumentieren sein Schreiben im Wortlaut:

————

Absender: Dirk Franke, Sozialdemokrat, Dortmund

Die Straße frei – Den braunen Bataillonen?

(Ist das Ihr Rechtsverständnis Herr Innenminister, Herr Polizeipräsident)

Betr.: Dankschreiben des Polizeipräsidenten

Diesen ersten zwei Zeilen der zweiten Strophe des Horst-Wessel-Liedes hat die Dortmunder Zivilgesellschaft am Wahlsonntag mit ihrem couragierten Auftritt vor dem Rathaus eine klare Absage erteilt!

Demokraten aus (fast) allen Parteien stellten sich den ewig Gestrigen entgegen, die mit Ihren (un)rechten Parolen das Dortmunder Rathaus besudeln wollten! Sie (wir) taten es aus Bürgerverständnis, Respekt vor der Dortmunder Volksvertretung und im Geiste einer wehrhaften Demokratie!

Nein, Dank hat keiner von uns erwartet! Warum auch, denn es ist ja gerade die Pflicht jedes aufrechten Demokraten so zu handeln!

Gerade deshalb ist der Bericht des Polizeipräsidenten und die Haltung von Landesinnenminister Ralf Jäger ein Schlag ins Gesicht jener die sich dem braunen Mob gestellt haben!

Nein, Herr Innenminister, Herr Polizeipräsident, ich unterstelle Ihnen keine Sympathie für die „Rechtsaußen“ in Dortmund. Ja, ich respektiere, dass sie sich vor Ihre Einsatzkräfte vor Ort stellen (Anerkennung für die kleine Handvoll von mutigen Polizisten und Polizistinnen, die sich von Ihrer Einsatzleitung im Stich gelassen, (zu spät) vor dem Rathaus postierten). Ja ich finde es menschlich, aber nicht entschuldbar, dass man von eigenen planerischen Mängeln ablenken möchte.

Herr Innenminister, Herr Polizeipräsident es ist jedoch unverzeihlich, dass in Ihrem Bericht in diffamierender Art und Weise,

  • Täter und Opfer gleichgestellt werden,
  • unterschwellig der Eindruck erweckt wird, dass Dortmunder Lokalpolitiker eine Bande von rauflustigen Trunkenbolden seien,
  • das diskriminierende und Ausländerfeindliche Parolen der Rechten „überhört“ wurden,
  • das Unterstützungsschriftzüge für den verbotenen NWDO „übersehen“ wurden.

Herr Innenminister, Herr Polizeipräsident, in diesem Zusammenhang erscheint Ihr Rechtsverständnis des § 240 StGB (Nötigung) doch in einem bedenklichen Licht! Worin lag die Verwerflichkeit des Handelns derjenigen, die das Dortmunder Rathaus verteidigt haben?

So positiv das Echo der regionalen und überregionalen Medien hinsichtlich der Reaktion der Dortmunder Zivilgesellschaft unmittelbar nach den Ereignissen war, so sehr haben Sie durch Ihren Bericht und ihr politisch instinktloses Handeln das Ansehen Dortmunds beschädigt, Sie haben durch Ihre respektlosen Angriffe auf Dortmunder Lokalpolitiker, auf die Dortmunder Zivilgesellschaft, in Ihrem Bemühen eigene Versäumnisse zu überdecken nicht nur das Ansehen der Stadt beschädigt, sondern auch der rechten Szene eine rechtfertigende mediale Präsenz verschafft, die das Vertrauen in eine demokratische Polizeiverwaltung beschädigt.

Auch wenn ich darauf vertraue, dass dies nicht Ihre Intention war, bedarf es einer deutlichen Klarstellung und Korrektur. Recht und Gesetz verpflichtet zu sein ist kein Gegensatz zu einem wehrhaften Demokratieverständnis sondern bedingen einander!

Soweit Sie das nicht verstanden haben oder die Mißverständlichkeit und Außenwirkung Ihres Berichtes und Ihrer Haltung falsch eingeschätzt haben, so sollten Sie die politische Eignung für Ihre Aufgabe hinterfragen!

Die Weimarer Republik ist auch aus Versagen der Zivilgesellschaft vor den braunen Horden auf die Knie gegangen.

In diesem Sinne Betrachte ich die Vorladung des Staatsschutzes gegen mich, wegen des Vorwurfs der Nötigung zum Nachteil (,,,) der Partei „Die Rechte“ als Dankschreiben der Demokratie!!!

Der DGB hat angekündigt, ein Rechtshilfekomitee zu gründen.

Die Partei „Die Linke“ bietet den von den Gewalttätigkeiten der Rechten Betroffenen (egal von welcher Partei oder Gruppierung) und denjenigen, die eine Anzeigen wegen Nötigung erhalten haben oder gegen die ermittelt wird, Rechtsberatung bei erfahrenen Anwälten an. Am 02.07.2014 findet diese interne Veranstaltung im Parteibüro der Linken, Schwanenstrasse 30, um 19:00 Uhr statt.

 

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David Schraven
10 Jahre zuvor

BRAVO!!

Berthold Bronisz
10 Jahre zuvor

Klare und richtige Worte!

Ulan
Ulan
10 Jahre zuvor

Ich wundere mich ja schon, dass zu diesem Bericht des Innenministers kein – zumindest anonymer – wütender Protest der vielen demokratiestützenden Polizisten Dorrtmunds erfolgt. Ist der Korpsgeist bereits so erdrückend, dass der diffamierende und gesellschaftsfeindliche Bericht des Innenministers keinen Widerspruch mehr zulässt? Haben Polizisten gegebenenfalls so ernste Konsequenzen zu befürchten?
Wütend macht mich auch, dass zu sagen nötig ist, dass die Statsanwaltschaft diesem Staat mit der Verfolgung der friedlich widerstehenden Zivilgesellschaft und dem blinden Auge zur rechten Gewaltausübung einen Bärendienst erweist. Für mich ist offensichtlich, in welche Sessel hier Verfassungsfeinde pupsen

Im übringen sage ich die Geheimdienste müssen beseitigt werden.

Utz Kowalewski
10 Jahre zuvor

In der Tat weist der Brief zu recht darauf hin, dass von eigenem Versagen in der Sache durchaus abgelenkt werden soll. Und dieses Versagen war durchaus massiv. Meine Sicht der Ereignisse vom Wahlabend habe ich in nachstehendem Blogg niedergeschrieben. Das alleine schon, weil der Staatsschutz

1) Zwar Menschen aufgerufen hat sich als Zeuge zu melden, aber nur um
2) die Zeugen dann mit einem Nötigungsverfahren zu überziehen.

Zeugen, denen man nichts kann, will man erst gar nicht hören. Es sei denn sie haben das rechte Parteibuch. Dann glaubt man ihnen bedingungslos jeden Quatsch, wie es ja auch im Bericht des Innenministers dokumentiert wurde.

https://utzkowalewski.blogspot.de/2014/06/naziangriff-auf-diedemokratie-mit-einem.html

der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

Ralf Jäger inszeniert sich selber gerne als Nazijäger und wird dank professioneller PR Arbeit im Innenministerium in breiten Teilen der Öffentlichkeit auch so wahrgenommen. Trotzdem fressen die ihm unterstellten Behörden den Nazis weiterhin aus der Hand und schaffen es immer wieder, rechtschaffene Demokraten zu Tätern und verabscheuungswürdige Rechte zu Opfern zu stilisieren. Was besseres, als dieser Innenminister, der vor lauter Eitelkeit und Selbstinszenierung schon mal den Überblick verliert (siehe Loveparade in Duisburg oder Salonikispiel auf Schalke), kann dem braunen Pack in Deutschland eigentlich nicht passieren.

Schön, dass einige Sozialdemokraten endlich wach werden und es bleibt zu hoffen, dass der Protest, der sich derzeit in Dortmund formiert, nicht wieder einschläft, weil man irgendwann feststellt, dasselbe Parteibuch in der Schublade liegen zu haben.

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

DER, DER…..
„Jäger …als Nazi-Jäger in breiten Teilen der Öffentlichkeit so wahrgenommen….“.

Widerspruch:
Die breite Öffentlichkeit weiß mit Jäger -Innenminister in NRW??- nichts anzufangen.
Mach ‚mal eine Umfrage im Bekanntenkreis/in der Nachbarschaft.
Das ist aber m.E. nicht weiter bedenkenswert, jedenfalls nicht in diesem Zuammenhang.

Widerspruch:
Und der ist m.E. durchaus bedenkenswert.

Der „breiten Öffentlichkeit“, nicht ‚mal der in DO, ist die in DO besonders auffällige Existenz der Nazis , ist ihre Präzens im Rat der Stadt, sind die Ereignisse im Zusammenhang mit der konstituierenden Ratssitzung, ist das Verhalten von Polizei, Innenminister völlig egal.

Wie von mir aus ähnlichen Anlässen auch hier bei den Ruhrbaronen immer wieder betont:

„Es gibt Menschen, die immer wieder er- bzw. aufschrecken, wenn sie Symptome nazionalsozialitischen Denken und Handels in Deutschland registrieren und die sich -leider oftmals zurecht – er- und aufregen angesichts mangelhaften präventiven-repressiven Tuns des Staates gegen diese Nazis oder über den Umgang staatlicher (kommunaler) Institutionen mit Protestaktionen gegen die Nazis.

Das kann die Gefahr mit sich bringen, daß sich diese Menschen an diesen und ähnlichen Symptomen abarbeiten und dabei den Ursachen für diese „Volks-krankheit“nicht , nicht mehr hinreichend nachgegangen wird.

Wobei bleibt denn z.B. der öffentlichen Diskurs über die Ursachen nationalsozialistischen Denkens und Handels, über die Gründe einer allgemeinen Gleichgültigkiet darüber in der breiten Öffentlichkeit, z.B. aus aktuellem Anlaß im Rat in DO oder im Landtag in NRW?
Dazu haben ja nicht einmal die Morde des sog.NSU dem Rat in DO, dem Landtag NRW den gebührenden Anlaß geboten.

Vielleicht trägt ja der Brief meines Genosssen Franke dazu bei, daß nicht nur die aktuellen Ereignissen in DO, konkret das Tun/das Nichtstun von Polizei und Innenminister, weiterhin Gegenstand einer öffentlichen Diskussion bleiben, sondern der Rat in Do, der Landtag sich endlich zu einer Grundsatzdebatte „aufraffen“:

„Nationalsozialistisches Gedankengut, nationalsozialistisches Tun, nationalsozialistische Bewegungen -Ursachen, Folgen- und die relative Gleichgültigkeit demgegenüber in der Bevölkerung“ -oder ähnlich-.

(Der Rat in DO bezogen auf die konkrete Situation vor Ort und der Landtag z.B. dann, wenn er die Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses beraten und entscheiden wird.)

Das zu hoffen, ist wohl utopisch.
Warum sollten sich die Gewählten im Rat, im Landtag so positionieren, wohl wissend, daß sie damit „in der breiten Öffentlichkeit“ nicht die Aufmerksamtkeit erzeugen werden, die sich vom „Wahlvolk“ wünschen, geschweige denn, daß sie damit nennenswert ihre (Wieder-)Wahlchancen erhöhen können.

Ulf
Ulf
10 Jahre zuvor

@3/Ulan: In der Tat ist es bedrückend, dass Polizisten selbst keine Stellung zu den Vorfällen beziehen (dürfen). Ich habe in den Foren bisher nicht einmal anononymisierte Beiträge gefunden, die auf eine kritische Distanz der eingesetzten Polizistinnen und Polizisten gegenüber ihrer Führung und ihrem Dienstherrn schließen lassen. Auch, weil ich einige Polizisten in meinem Bekanntenkreis habe, habe ich mich bisher immer gegen pauschale Verurteilungen wie „Nazifreunde in Uniform“ gestellt. Aber langsam gehen mir die Argumente aus. Der Frust darüber, dass nach der kurzen, zur Hoffnung Anlass gebenden Norbert-Wesseler-Aera nun wieder die Dilettanten das Sagen haben, tut sein Übriges. Ich frage mich immer noch, wieso Wesseler nach so kurzem Gastspiel versetzt wurde oder sich hat versetzen lassen.

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Wir haben in NRW seit 66 (Ausnahme 04-09) sozialdemokratisch geführte Landesregierungen, da stimmt es mich schon sehr nachdenklich, wenn die NRW-Polizei immer noch einen Korpsgeist hat, der wenig demokratisch beeinflusst scheint. Gerade in Dortmund, wo jedes Jahr die Verwaltungsspitze Opfern des Naziterrors gedenkt, sollte man bei der Polizeispitze doch die Zeichen der (braunen) Zeit erkannt haben und gegensteuern.
Schon einmal hat die SPD sich schwer vertan in Bezug auf den republikanischen Geist der damals preußischen Polizei. Nix gelernt offenbar, die hiesige SPD. Und anderswo lassen sich ja auch „Dortmunder Verhältnisse“ beobachten, in dem auch dort eher der polizeiliche Fokus auf linke Demonstranten gerichtet ist, statt auf die braunen Horden. Gut, Horden im Sinne von zahlenmäßig groß, ist übertrieben, im Verhalten allerdings sind es Horden.

Frank
Frank
10 Jahre zuvor

Seit den Enthüllungen über den NSU-Komplex wundert einen eigentlich nichts mehr. Trotzdem immer wieder aufs neue erschreckend..

Respekt für den Mut zu diesem offenen Brief!

danebod
10 Jahre zuvor

Unser Jäger90, immer im Tiefstflug unter allen Stammtischen durch.

Ich erlebe den inhaltlich als genau so einen Pausenclown wie die übrigen Sicherheits-Esoteriker der etablierten Parteien. Peinlicher Populist. Kasperle. Oder Kantherle?

Torsten Sommer
10 Jahre zuvor

Hätte schwören können im Ohr gehabt zu haben, das die Veranstaltung am 2.7. im Büro der Linken parteiübergreifend veranstaltet wird.

Im Livestream des landtag.nrw.de kann man sich die Plenardebatte zum Überfall auf das Rathaus am Wahlabend am Donnerstag ab ca. 14.25 Uhr anschauen.

Ulrich
Ulrich
10 Jahre zuvor

Richter heben Hausverbot gegen Dortmunder Neonazi auf: https://www.derwesten.de/wr/staedte/dortmund/richter-heben-hausverbot-gegen-dortmunder-neonazi-auf-id9539109.html

Begründung: Der Rathaus-Sturm sei ein „singuläres Ereignis“ gewesen

Wenn man es so betrachtet ist das Leben von Dennis Giemsch eine Aneinanderreihung von singulären Ereignissen.

Totschlag an einem Punk: Singuläres Ereignis

Körperlicher Übergriff auf einen Wirt der keine Neonazis in seiner Gaststätte dulden wollte: Singuläres Ereignis

Körperverletzung im Verlauf seines Junggesellenabends: Singuläres Ereignis

Schwere Körperverletzung auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt an zwei Jugendlichen: Singuläres Ereignis

Überfall auf das Hirsch-Q: Singuläres Ereignis.

Man darf auf das nächste singuläre Ereignis gespannt sein 🙁

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
10 Jahre zuvor

Ich habe nicht den Eindruck, dass wir in NRW/Dortmund wollen, dass der Staat überall genau hinschaut und hinhört sowie bei Verstößen sofort konsequent einschreitet.

Die Resultate sehen wir, und die schlechten Platzierungen in den Kriminalitätsstatistiken haben auch ihre Gründe.

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