Dortmund droht der Abstieg

Heike Marzen, Leiterin der Wirtschaftsförderung warnt vor wirtschaftlichem Abstieg (Foto: Dortmund Agentur, Roland Gorecki)

Dortmund gehen die Flächen aus. Was Marco Reus im Schalke-Trikot damit zu tun hat und warum pensionierten Professoren das egal ist.

Marco Reus im Schalke-Trikot. Ein Horrorszenario für BVB-Fans. Mit dieser Foto-Montage will Heike Marzen vor dem wirtschaftlichen Abstieg Dortmunds warnen. Unternehmen können kaum noch expandieren, weil es zu wenige Flächen gibt. Letztendlich könnten Unternehmen sogar abwandern, weil sie in Dortmund keine Wachstumschancen hätten, sagt Marzen auf einer Konferenz, auf der es um Dortmunder Gewerbeflächen der Zukunft gehen soll.

Auf einer Karte mit den freien Flächen für Unternehmen zeigt sich das ganze Elend: Nur vielleicht zwei Hände voll rote Kästchen, sprich freie Flächen, sind auf dem großen Dortmunder Stadtgebiet zu sehen. „Was wäre, wenn Elon Musk sich mit Tesla im Ruhrgebiet ansiedeln wollte?“, fragt Moderator Kay Bandermann. Den müssten wir im Ruhrgebiet wohl abweisen, so die einhellige Meinung der Experten von IHK und anderen Verbänden. Das gesamte Ruhrgebiet habe gerade mal so viele freie Flächen wie Tesla jetzt in Brandenburg bebaut.

Auch Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD), der Vorgänger von Marzen bei der Wirtschaftsförderung, warnt eindringlich davor, dass die Flächen ausgehen. Bisher sei es der Dortmunder Weg gewesen, alte Gewerbeflächen der Stahlindustrie wie auf der Westfalenhütte oder bei Phoenix in Hörde neu zu nutzen. Doch die alten Flächen seien jetzt fast alle belegt: „Wir müssen Freiräume nutzen. Und wenn nicht, dann müssen wir die Frage beantworten, was wir dann machen.“, bringt Westphal den Konflikt auf den Punkt. Er jedenfalls wolle weiter Industriearbeitsplätze schaffen, um die Arbeitslosigkeit, die immer noch bei zehn Prozent liegt, weiter abzubauen. Dafür seien insbesondere Arbeitsplätze für einfache Tätigkeiten in der Industrie erforderlich.

Unterstützung bekommen Westphal und Marzen von Vertretern aus Industrie und Handwerk. Das war es dann aber auch. Selbst die eigene Stadt-Verwaltung in Form von Planungsamt und Umweltamt ist skeptisch. Sie warnen vor der Bebauung von Freiflächen. Unterstützung bekommen sie von Vertretern von BUND, NABU und Klimabündnis Dortmund. Eine Ansiedlung von Unternehmen auf Freiflächen kommt für sie nicht infrage. Der pensionierte Professor Frank Wilke vom BUND will lieber alte Flächen nutzen. Das bringt Heike Marzen auf die Palme. Gerade eben hatte sie doch noch geschildert, dass es diese Flächen nicht mehr gibt.

Der Erhalt von Grünflächen steht für die Umweltverbände in jedem Fall vor der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das machen deren Vertreter mehr als deutlich. „Das kann der pensionierte Professor ja auch gut fordern, der hat die Schäfchen ja im Trockenen“, grummelt ein Mann hinter mir. Namentlich zitieren soll ich ihn besser nicht. Aber natürlich fällt es Menschen mit gesicherten Rente oder unkündbarem Job im Öffentlichen Dienst leicht, gegen neue Gewerbegebiete zu sein.

Entscheiden über die neuen Gewerbeflächen muss letztendlich die Dortmunder Politik. Natürlich könne man Flächen, die man selber als Landschaftsschutzgebiet deklariert habe, diesen Status wieder entziehen, erklärt ein Vertreter der Verwaltung. Dass die Politik das tut, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Schon heute lehnen die Parteien im Dortmunder Rat gern unter Tagesordnungspunkt 2 Neubauprojekte für Wohnungen ab, um drei Tagesordnungspunkte später über Wohnraummangel zu klagen. Ähnlich könnte die Diskussion um Gewerbegebiete verlaufen. Heike Marzen und Thomas Westphal werden noch viel Arbeit haben, um die Politik von ihrer Linie zu überzeugen.

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ke
ke
2 Jahre zuvor

Gewerbeansiedlung darf einfach nicht bedeuten, dass wir ein kleines Geschäft oder ein Gebäude bauen und im Umfeld die Fläche eines Sportplatzes für Parkplätze versiegeln, die dann noch nicht einmal in den Nicht-Geschäftszeiten von Anwohnern, LKW Fahrern etc. genutzt werden können. Hierfür braucht man weitere Plätze.
Die Unis, Veranstaltungshallen haben riesige Parkplätze. Eigentlich sind sie oft leer. Parallel werden natürlich Parkplätze für LKW an den Autobahnen gebaut. Mit weiteren riesigen Flächen.
Das ist alles extrem dumm und natürlich umweltfeindlich.
In einer Stadt muss auch in die Höhe gebaut werden. Das können wir überhaupt nicht. Es werden weiter Grünflächen für Einfamilienhäuser geopfert, es entstehen neue Logistikparks wie in Castrop, obwohl die umliegenden Autobahnen überfüllt sind und es täglich Horror-Unfälle gibt etc.

Es fehlt einfach ein intelligentes Konzept, dummen Flächenverbrauch zu vermeiden. Wir brauchen beim Klimawandel mit steigenden Temperaturen in den Städten eben keine weiteren bebauten und versiegelten Flächen.

Riesige Flächen gibt es nicht in einer Metropolregion, sondern nur im Umfeld. Die Städte des Ruhrpotts entstanden auch um die Anlagen. Noch Mitte des letzten Jahrhunderts waren viele Städte extrem dünn besiedelt, obwohl mehr Menschen dort lebten. Die Wohnflächen pro Person waren geringer.

Lee
Lee
2 Jahre zuvor

Neue Flächen für Bebauung nicht zu genehmigen und Wohnraum zu schaffen, ist eigentlich kein Gegensatz. Wenn, ja wenn die Stadt eine Nachverdichtung unkonventionell, kreativ und auch stringent fördert.

Jens
Jens
2 Jahre zuvor

Dasselbe gilt auch für den sozialen Wohnungsbau. Nachverdichtung scheitert an Hitzepunkten und Denkmalschutz. Der Ökobourgoisie ist es egal.

Teilnehmerin
Teilnehmerin
2 Jahre zuvor

Es bedarf neuer Konzepte, um die zukünftige Flächennachfrage in ausreichendem Umfang bedienen zu können. Dazu muss 1. eruiert werden, welche Wirtschaftsbranchen in Dortmund boomen und welche Flächenansprüche diese Branchen haben. Daraufhin muss 2. eine differenzierte Strategie zum Umgang mit dem knappen Gut Fläche erarbeitet werden. Eines ist klar – so wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Zukunft kann nicht in einer Angebotsplanung im Freiraum liegen. Im Rahmen der Veranstaltung wurden alternative Ansätze skizziert, die nun näher betrachtet werden sollten (Qualitative Bestandsentwicklung und Nachhaltiger Umbau, Flächeneffizienz, Regionale Kooperation).

Teilnehmerin
Teilnehmerin
2 Jahre zuvor

Ja, die Wirtschaftsflächenentwicklung der letzten Jahren hat vor allem auf altindustriellen Flächen stattgefunden. Ja, teilweise wurden diese auch in Freiraum umgewandelt. Denkbar, dass diese Transformation von Grau zu Grün auch zum positiven Imagewandel Dortmunds beigetragen und als weicher Standortfaktor das Wachstum heute expandierender Wirtschaftsbranchen mit begünstigt hat.
Fakt ist jedoch, dass die Grenzen des räumlichen Wachstums begrenzt sind. Die Ansprüche aus Klima- und Umweltschutz sind gestiegen. Mit den verbleibenden Flächen muss daher sorgfältig umgegangen werden. Ich stimme Ihnen zu – Dortmunder Firmen müssen die Möglichkeit haben, expandieren zu können. In ihrer Präsentation hat Frau Marzen die Dortmunder Boom-Branchen benannt: Wissensbasierte Dienstleistungen, IT, Technologie. Ich frage mich, ob diese Branchen die großflächige Neuausweisung auf einem Acker benötigen, oder ob die Entwicklung integrierter Lagen für diese Nutzungen zielführender ist (z.B. HSP „Smart Rhino“).
Die Diskussion wird im Rahmen der Wirtschaftsflächenkonferenz Dortmund zu führen sein. Gestern fand das Auftakt dazu statt.

Teilnehmerin
Teilnehmerin
2 Jahre zuvor

Mir wäre ein nachhaltiges, strategiegeleitetes Wachstum unter Beachtung der Zeichen der Zeit lieber, als einen Acker auszuweisen und den nächsten großen Logistiker auf den Plan zu rufen.

Ruhrpott stirbt
Ruhrpott stirbt
2 Jahre zuvor

Tja, vielleicht hätte man auf dem Phönix-Gelände nicht so ein Schicki-Micki-Gewässer und irgendwelche sonstigen komischen Dinge anlegen sollen. Da war Platz satt.anlegen sollen

ke
ke
2 Jahre zuvor

@5 M. Westerhoff: Ich kann mich an 49% Wanderungen erinnern. Wenn ich an das Dortmund meiner Kindheit denke, war dort auch deutlich mehr Grün. Ein Discounter war dort auch im Erdgeschoss eines Wohnhauses. Heute hat er einen Parkplatz wie wir ihn früher nur bei Hyper-Märkten kannten.

Gibt es Zahlen zu: „So ist der Grünanteil Dortmunds sogar gestiegen“?

Prof. Frank Wilke
2 Jahre zuvor

Fast alle Kommentatoren haben den Ernst der Lage und die Ursachen dafür verstanden, nur Herr Westerhoff offenbar nicht.

frawido
frawido
2 Jahre zuvor

Wenn Inkompetenz gegen Sachverstand nicht mehr ankommt, hilft nur noch eins: Polemik

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