Dortmund: Gericht erlaubt Nazi-Uniformen

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Nach Ansicht eines Richters am Dortmunder Amtsgericht ist das, was auf dem oben stehenden Bild zu sehen ist keine Uniform sondern vergleichbar mit der Bekleidung von Teilnehmern eines Junggesellenabschieds. Gestern hat das Dortmunder Amtsgericht eine Klage gegen Mitglieder der Nazi-Wehr aus genau diesem Grund nicht zugelassen und damit nichts anderes getan, als den Nazis offiziell die Erlaubnis zu erteilen, in Uniform auf den Straßen der Stadt zu patrouillieren. Die Jubeln aus guten Gründen über das Urteil: „Stadtschutz Dortmund heißt, unsere Stadt zu schützen. Diese Forderung transportieren wir in Zukunft noch deutlicher!“

Die Begründung des Gerichts ist ein erschütterndes Dokument der Dummheit:

In der Jugendstrafsache gegen [Namen der sechs Angeschuldigten] wegen unbefugten Tragens von Uniformen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe:

Mit Anklage vom 31.10.2014 legt die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten zur Last, in nicht rechtsverjährter Zeit vor dem 17.08.2014 auf dem öffentlich zugänglichen Bezirksfriedhof Lütgendortmund, Keplerstr. 33 sich vor einem Hinweisschild der Stadt Dortmund aufgestellt und fotografiert haben zu lassen und hierbei einheitlich ein gelbes T-Shirt mit der Aufschrift „Die Rechte Stadtschutz Dortmund“ getragen zu haben. Die Staatsanwaltschaft sieht hierin einen Verstoß gegen § 3 VersG, nach dem das gemeinschaftliche öffentliche Tragen gleichartiger Kleidunsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung untersagt ist.

Fraglich erscheint angesichts der Qualität moderner Bildbearbeitungsprogramme und der allein als Beweismittel zur Verfügung stehenden Screenshots aus dem Internet bereits, ob sich überhaupt sichere Feststellungen dahingehend treffen lassen werden, dass sich die Angeschuldigten tatsächlich mit den entsprechenden T-Shirts auf dem Friedhof Lütgendortmund aufgehalten haben.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens war jedenfalls aus rechtlichen Gründen abzulehnen. Die von den Angeschuldigten getragenen T-Shirts sind keine Uniform oder gleichartige Kleidung im Sinne des § 3 VersG.

Der Begriff „gleichartige Kleidung“ im Versammlungsgesetz ist eingeschränkt auszulegen. Erfasst werden nicht alle zivilen Kleidungsstücke gleichen Aussehens. Aus Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck wird gefordert, dass die Kleidungsstücke Uniformen oder Uniformteilen gleichartig sein müssen. § 3 VersG soll vor einer suggestiv militanten Einschüchterung im politischen Meinungskampf schützen (vgl. BverfG NJW 1982 S. 1803). Gleichförmige Jacken in Parteifarben etwa unterfallen nicht dem Uniformierungsverbot (StA Koblenz, NstZ 1984, S. 322).

Die von den Angeschuldigten getragenen T-Shirts gleichen keiner Uniform. Sie sind Freizeitkleidung und erinnern eher an Junggesellanbschied oder – was man besonders perfide finden mag – angesichts der Farbgestaltung an Fan-T-Shirts des örtlichen Fussballvereins.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass am 17.08.2014 auf der Internetseite „www.dortmundecho.org“ Fotos mit Personen, die die gleichen T-Shirts wie die Angeschuldigten trugen mit dem hinzugefügten Schriftzügen „Die Straße frei, den gelben Bataillionen“ und „Die Rechte“ verbreitet wurden. Die sich hieraus ergebende Militanz und Einschüchterung ist den Angeschuldigten nicht zurechenbar. Die entsprechende Veröffentlichung erfolgte erst nach dem Auftritt der Angeschuldigten auf dem Friedhof.

Die Kostenentscheidung entspricht § 467 StPO.

Dortmund, 07.04.2015
H.
Richter am Amtsgericht

Was H. nicht versteht, aber die kommenden Monate zeigen werden: Das Gewaltmonopol des Staates ist eine der Grundlagen des Rechtsstaates. Wenn uniformierte Nazi-Trupps nun durch Dortmund ziehen werden, wird dieses durch sein Urteil ausgehöhlt. Es kann gut sein, das dieses Konsequenzen haben wird, die H. nicht klar waren, als er sein Urteil fällte. Vielleicht sollte es ihm jemand einmal in Ruhe erklären – er selbst scheint zu solchen Erkenntnissen nicht in der Lage zu sein.

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ichoderdu
ichoderdu
9 Jahre zuvor

#läuftbeieuch

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Es stellt sich die Frage, ob das wirklich echte persönliche Doofheit ist oder ob sich gewisse Richter noch nicht mal mehr Mühe geben, um „nazigerechte“ Urteilsbegründungen logisch und realistisch erscheinen zu lassen.

Wurde eigentlich in diesem Verfahren berücksichtigt, dass unsere braunen Hohlbirnen mit den selben T-Shirts auch ihren „Rathaussturm“ am Wahlabend durchgezogen hatten?

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Sorry, natürlich sind Nazis völlig daneben und mir gefällt es absolut nicht, wenn sie als »Bürgerwehr« durch die Straßen ziehen. Aber ich bin ebenso ein strikter Verteidiger des Rechtsstaates und jenseits der wirklich fragwürdigen Aussage, die Wahrhaftigkeit der Screenshots lasse sich eh vermutlich nicht mehr ermitteln, ist die Begründung des Gerichts, warum es sich nicht um Uniformen i. S. d. Versammlungsgesetzes handelt, völlig nachvollziehbar. Ansosten würden tatsächlich auch die feiernden Teilnehmer von Junggesellenabschieden und Kegelklubausflügler den Tatbestand der Strafnorm verwirklichen. Etwaige Sprüche auf dem T-Shirt tun für die Bewertung, ob es sich um eine Uniform handelt, nichts zur Sache. Hier sind, wie vom Gericht dargelegt, andere Faktoren entscheidend. Der etwaige Spruch müsste in seinem Inhalt z. B. unter dem Aspekt der Volksverhetzung geprüft werden. Aber, dass es sich hier um keine Uniformierung handelt, ist völlig logich. Auch, wenn ich es persönlich äußerst übel finde, dass solche Horden von Neonazi-Bürgerwehren oder »Scharia-Polizisten« über unsere Straßen marschieren, müssen wir uns an die Gesetze halten und können die nicht gerade so auslegen, wie sie uns in den Kram passen.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

§ 3 (1) VersG: „Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.“

Bitte nicht falsch verstehen, Nazis verdienen keinerlei zuspruch, aber wenn man der Ansicht des Autors folgen würde, wäre auch das eine verbotene Uniformierung:

http://www.spd-hd-neuenheim.de/blog/wp-content/uploads/2013/07/999686_487511078004417_1289868262_n.jpg

Oder das:

http://www.ruhrnachrichten.de/storage/pic/mdhl/artikelbilder/lokales/mz-mlz-evz-gz/mslo/4185535_1_630_008_5051074_STREIK.jpg

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

@Stefan Laurin: Ihr letzter Kommentar-Satz ist Polemik, sorry. Es geht unter § 3 VersG nunmal nicht um das Motto, unter dem irgendwer aufmarschiert, so scheiße das Motto auch sein mag. Solch ein Motto wäre, wie ich bereits geschrieben habe, womöglich unter dem gesichtspunkt der etwaigen Verwirklichung anderer Straftatbestände zu prüfen. Es geht im vorliegenden Fall einzig und allein um die Eigenschaft der Uniform, oder um genauer zu sein, um das, was dem Gericht diesbezüglich an aussagekräftigen Fakten vorgelegt wurde. Und, nein, ich widerspreche: Es geht eben gerade nicht um den Kontext! Wo kämen wir denn da hin, wenn man Strafgesetze nicht objektiv, sondern im Kontext auslegen würde? Die SPD darf Uniformen tragen, weil uns der Kontext passt? Irgendwelche Rechten dürfen es nicht, weil wir finden, dass es Arschlöächer sind und ihre Botschaft niederträchtig und vom gesunden Menschenverstand abzulehnen ist? Kontext spielt eventuell bei der Schuld- und Rechtfertigungsfrage eine Rolle, nicht aber bei der vorgelagerten Bewertung, ob überhaupt die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 3 VersG erfüllt sind. Und das sind sie offenkundig nicht. Die Entscheidung des Gerichts Mist zu finden, ist ein nachvollziehbarer Reflex. Nüchtern betrachtet legt der Amtsrichter einfach das Gesetz korrekt aus.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Die Partei Die Rechte ist aber nicht verboten – so bedauerlich ich persönlich es auch finde, dass es sie gibt.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Ich sage ja: Wenn sich Aussagen, Motto oder Wortwahl der „Stadtschutz“-Verirrten auf nationalsozialistische Organisationen, Propaganda etc. beziehen und diese ggf. verherrlichen, muss geprüft werden, ob Straftatbestände erfüllt sind, Volksverhetzung käme womöglich in Betracht. Aber der hier Angeklagte § 3 VersG hat damit einfach nichts zu tun. In dem geht es nicht um inhaltliche Aussagen, sondern um äußere Merkmale einer Kleidung. Und im Übrigen sind die von Ihnen soeben erwähnten „Falken“ als Jugendorganisation gem. § 3 Abs. 2 VersG von der Regelung aus Abs. 1 ausgenommen.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Man kann aber keinen Eröffnungsbeschluss über eine Anklage wegen Diebstahls fassen, wenn der Angeschuldigte jemandem aufs Maul gehauen, aber nichts geklaut hat. Ebenso kann man nicht so einfach eine Anklage wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht zulassen, wenn kein Verstoß im Sinne dieses Gesetzes vorliegt, sondern womöglich gegen ein anderes, nicht angeklagtes.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

: Sie halten also die Urteilsbegründung in dem Satz, man könne ja Screenshots mit Photoshop fälschen, für ernsthafte Rechtssprechung? Dann hat Stefan Laurin natürlich recht mit der KI, denn die würde nach der Logik eines Dortmunder Amtsrichters H. als erstes die Zulassung sämtlichen Bildmaterials aus dem Netz oder von Computer-Festplatten als Beweismittel in allen deutschen Gerichtsverfahren ausschließen. Dieser Richter würde auch behaupten, dass Fotos auf „echtem“ Fotopapier gedruckt im Gegensatz zum schlimmen „Internetz“ natürlich immer „echt“ sind.

Im Bereich des § 3 (1) VersG versucht sich der Richter an Interpretation (seine eigene) und nicht an strikter Auslegung, denn allein das dort klar erkennbare Verbot des Ausdrucks einer gemeinsamen politischen Gesinnung wird ja allein schon durch sein Zitat (StA Koblenz, NstZ 1984, S. 322) als leicht interpretierbar definiert. Insofern hält er sich nicht an Gesetze, sondern interpretiert sie nach eigenem oder schon mal dagewesenen Gusto. Auch das hat nichts mit ernshafter Rechtssprechung zu tun, wenn es um die rechtsextreme Nachfolge eine verfassungsfeindlichen Nazi-Organisation geht.

Eberhard Weber
Eberhard Weber
9 Jahre zuvor

Die Geschichtsferne eines solchen Richterspruchs ist juristisch wie politisch erschütternd!

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Ein Jurist von mehr als mäßigem Verstand und mit noch weniger geschichtlichem Wissen. Wie man das braune Nazipack uniformiert durch die Straßen laufen lassen kann, ist schlicht unbegreiflich.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

@Klaus Lohmann: Wie unter Kommentar #3 bereits geschrieben, halte auch ich die Annahme, die Wahrhaftigkeit des Bildinhaltes des angeblichen Screenshots lasse sich nicht mehr sicher annehmen, für fragwürdig.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Nachtrag: Ich bin ein Mensch mit freiheitlich-demokratischer Gesinnung, ein entschiedener Gegner von Ausgrenzung, Gewalt und Feidlichkeit jeglicher Art und damit ein glasklarer Gegner von Neonazis und ihrer widerlichen Agitation. Dennoch bin ich froh, dass Gerichte in Deutschland auf Grundlage von Gesetzen zu urteilen haben und nicht auf Basis politischer Anischten oder historischen Wissens.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Politische Verfahren? Sie sprechen ernsthaft von politischen Verfahren? Ich bin heilfroh, dass es politische Verfahren seit Ende des Volksgerichtshofes in Deutschland nicht mehr gibt! Nehmen Sie doch einfach mal zur Kenntnis, dass der Rechtsstaat zum Fortbestehen eben dieses Rechtsstaates auch Gerichtsentscheidungen (wie etwa, dass diese Hauptverhandlung nicht eröffnet wurde) hinnehmen muss, die nicht der Vorstellung der – von mir aus vernünftigen – Allgemeinheit entsprechen.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Korrektur zu Kommentar #19:

Ich bin heilfroh, dass es politische Verfahren seit Ende des Volksgerichtshofes in Westdeutschland nicht mehr gibt und seit der Wende in Gesamtdeutschland nicht mehr.

Bernd
Bernd
9 Jahre zuvor

Ich glaube nicht, dass ich mir mangelde Sachlichkeit vorwerfen lassen muss, wenn ich den Diskussionsverlauf hier noch einmal lese. Einen schönen Tag noch!

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Zu den entscheidenden Prinzipien des antik-europäischen Rechtsstaats gehört die „Blindheit“ der Justitia: d.h. der Richter darf gerade nicht beliebige „Kontexte“ (Sippe, Klasse, Rasse, Religion, Politik usw.) berücksichtigen, soweit nicht solche Kontextbezüge vom Gesetzgeber ausdrücklich gefordert werden. (In der Moralphilosophie wird das Problem dieser „Blindheit“ übrigens ebenfalls angesprochen, als der methodische „Schleier des Nichtwissens“ – Rawls).
Kontextgebundene „antifaschistische“ Justiz hatten wir in der DDR – aber beweist das tatsächlich, dass deren Richter intelligenter waren?
Im übrigen, wie immer: Falls es tatsächlich hinreichende juristische Gründe geben sollte, gegen „Die Rechte“ vorzugehen, dann gibt es auch tausend andere Gelegenheiten das zu tun, ohne sich dafür unbedingt ein einzelnes, wenig geeignetes Gesetz (in diesem Fall das Uniformverbot) dafür zurechtbiegen zu müssen.

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Und vielleicht noch eine Erinnerung: Die Aufgabe der Justiz ist die Beurteilung eines vergangenen tatsächlichen Verhaltens, nicht die Verhinderung eventuell möglicher zukünftiger Ausschreitungen. Wer so was von der Justiz verlangt, bewegt sich allerdings in derselben geistigen Schiene wie „die Rechten“.

MuayThai
MuayThai
9 Jahre zuvor

Bernd hat doch sachlich argumentiert. Und die Argumentation überzeugt mich. Gesetze haben nur dann einen Sinn, wenn sie nüchtern, frei von politischer Überzeugung ausgelegt werden. Alles andere mündet in der Diktatur. Dass man Gesetze kritisieren kann, ist eine andere Sache. Was mich angeht, so finde ich, dass diese bescheuerte Dortmunder Naziwehr gerne auch in Hugo Boss-Uniformen aufmarschieren dürfen sollte, sofern sie niemandem etwas tut. Aber Uniformen zu verbieten? Reinste Bevormundung.

HurpDurp
HurpDurp
9 Jahre zuvor

Meine Güte, was diskutiert ihr da mit so einem Troll eigentlich?

Hapi
Hapi
9 Jahre zuvor

Der „Troll“ scheint mir dann aber eher Stefan Laurin zu sein, der sich in der Sache verrannt hat. In der Sache ist Bernd nämlich ausdrücklich zuzustimmen.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Die Welt ist grau. Die Richter entscheiden.

– Einheitliche T-Shirts, Polo-Hemden etc. haben in der Gegenwart häufig Uniformcharakter. Die Zeiten ändern sich.
– Natürlich können Bilder manipuliert werden. Hierzu ist aber ein erheblicher Aufwand erforderlich. Warum prüft das Gericht nicht genauer?

Die Politik kann die Gesetze anpassen, um weniger Interpretationsspielraum zu lassen.
Die Politik ist verantwortlich für Polizei, Staatsanwaltschaften, Justiz. Sie kann damit auch durch Personalplanung etc. steuern.
Die Wähler können Politiker wählen oder so laut demonstrieren, dass sie möglicherweise eher handeln.

Da heute sehr viele Gruppen/Vereine etc. ihre T-Shirts erstellen und sich damit auch versammeln, müssen aus meiner Sicht hohe Hürden für ein Eingreifen des Staates überwunden werden.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@#25: Das VersG z.B. erlaubt also explizit nicht die Untersagung einer Demo, wenn begründet Gewalt droht??? Ihr Braunen wart juristisch auch schon mal gebildeter drauf, wenn ihr wie auch wieder mal hier euch euren eigenen Unrechtsstaat zusammenzimmern wollt.

Der Richter-Vergleich des auf Einschüchterung und Provokation der staatliche. Gewaltenteilung angelegten „Stadtschutz“-Aufmarsches der Nazis mit verharmlosenden „Junggesellenabschieden“ ist äußerst zynisch und allein deshalb schon eine politische Urteilsbegründung in der Tradition der Unrechtssprechung im dritten Reich.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Rainer Möller Hier bewegt sich nur einer auf der von Ihnen benannten „Schiene“.

Martina
Martina
9 Jahre zuvor

Vorab: Einer politischen Bewertung unterzogen ist dieses Urteil geeignet fatale politische Signale zu senden: Die Legitimierung einer Lifestyle-Uniformierung aktueller Nazis.

Grundsätzliche finde ich die juristische Argumentation von Bernd (Jurist?) allerdings sehr hilfreich, denn sie stellt gewissermaßen eine Situation dar die zu einem vermeintlichen Dilema führt: Faschistische Werteorientierung (Gedanken) lassen sich zum Glück nicht durch Gesetze unter Strafe stellen bzw. verbieten, entsprechende Handlungen richtigerweise allerdings schon. Der Kern des Problems ist aber nicht die Handlung sondern die Haltung: Antisemitismus, Chavinismus, Homophobie, Rassismus, Sozialdarwinismus, Ungleichheitsideologien etc.; siehe „Mitte-Studien“, Pegida, CSU, Tröglitz, Dortmund und andere Orte und Themen. Diese Phänomene lassen sich mit Recht und Justiz allein aber nicht lösen. Selbstverständlich müssen diskriminierende und menschenverachtende Taten und Werbung hierfür unter Strafe gestellt werden. Allerdings macht es keinen Sinn Herrschaftsverhältnisse auszublenden.
Laurin argumentiert ausschließlich politisch und scheint einen „justiziellen Antifaschismus“ o.ä. zu fordern, als juristischer Laie legt er die Dinge so wie sie ihm passen. Strukturelle Rahmenbedingungen dieser Gesellschaft blendet er leider aus. Anschließend erträgt Laurin es nicht beständigen Widerspruch zu bekommen: schlichtweg unprofessionell. Leider geht bei der ganzen Debatte vollkommen unter, dass kein Gericht dieser Welt politisch neutrale Urteile fällen kann. Kein Staat und seine Behörden samt Justiz und sonstiger Verwaltung können neutral sei. Dieser Staat und seine Justiz vertreten Interesse und haben nicht zuletzt eine Historie und (juristische Vorgänger) aus derer die gegenwärtigen Verhältnisse entstanden. Wie sollte den bitte diese vermeintlliche Neutralität praktisch funktionieren: durch eine vermeintlich „unpolitische“ Justiz? Logisch unmöglich und gemessenen an einer Lebensrealität völlig absurd. Diese Erkenntnis vermisse ich auch in den Ausführungen von Bernd.
Zur Erinnerung: Jedes Gesetz wurde vom Gesetzgeber mit einer rechtspolitischen Motivation in die Entscheidungsgremien eingebracht. Gerichte bzw. Richter*innen wenden diese Regeln gemäß der Professionsvorgaben die die Rechtswissenschaften erarbeitet an und begründen ihre Entscheidungen, daran kann ich nichts neutrales erkennen. Soviel sei zur staatlichen „Neutralität“ ergänzt: sie ist einzig eine Konstruktion die den Namen bürgerlicher Rechtsstaat trägt.

Etwas off topic: Lesenswerte Artikel in der Süddeutschen:
Rechtsextremisten – Pott hässlich
http://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremisten-pott-haesslich-1.2431287?reduced=true

Ein bißchen Rechtsphilosophie am Bsp. Menschenrechte-EU-Flüchtlinge aus 2011
Gefangen im existenziellen Ausnahmezustand
http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingspolitik-in-europa-gefangen-im-existenziellen-ausnahmezustand-1.1087376

Jens
Jens
9 Jahre zuvor

@keineEigenverantwortung:

Hier liegt auch einige Schuld bei der Dortmunder Polizei, die sich nur auf ein Internet-Photo berufen hat, statt eigenene Ermittlungen anzustellen…

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Jens: Da sowohl die Dortmunder Polizei als auch der hiesige Staatsschutz das Internet immer noch schön brav auf Recyclingpapier ausdrucken, kann es schon mal zu leichten Unschärfen bei der Beurteilung von Fotos kommen;)

@Martina: Statt sich gegenseitig fälschlicherweise als Jurist zu bezichtigen und in verschwurbelte Rechtsphilosophie abzugleiten, wäre eine ganz konkrete Beurteilung der miserablen Hirnleistung dieses Amtsrichterleins viel hilfreicher für eine Diskussion. Was nützt uns eine Spitzen-Verfassung und eine supi Jurisdiktion, wenn in Nazi-Brennpunkten wie Dortmund nur noch Graupen Recht sprechen?

UIrich
UIrich
9 Jahre zuvor

Mich verwundert die Urteilsbegründung. Im Versammlungsgesetz heißt es eindeutig:

§ 3
(1) Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.

Hier ist ausdrücklich nicht nur von Uniformen oder Uniformteilen die Rede. Was sind denn nach Auffassung des Gerichts „gleichartige Kleidungsstücke“ wenn gleichfarbige T-Shirts mit jeweils dem gleichen, auf eine verbotene nationalsozialistische Organisation anspielenden Schriftzug nicht unter diese Definition fallen?

Natürlich nutzen Juristen zu Recht Kommentare, Urteile, etc. um zu einer angemessenen Auslegung des Gesetzes zu gelangen. Aber wenn ein solcher Text dem eigentlichen Wortlaut des Gesetzes widerspricht dann gehört er schlicht ins Altpapier.

Zudem frage ich mich wie so häufig wenn es um Nazi-Aktivitäten in Dortmund geht ob eventuell nicht bereits der Vortrag der Staatsanwaltschaft mangelhaft war. Hier in diesem Fall würde es mich interessieren ob die gewollte Anlehnung von StadtSschutz an die SchutzStaffel der NSDAP ausreichend thematisiert wurde. Hier wäre nämlich durchaus prüfenswert gewesen ob nicht durch das Tragen der T-Shirts in der Öffentlichkeit weitere Straftatbestände erfüllt sein könnten.

Hapi
Hapi
9 Jahre zuvor

@Ulrich

Die Gleichartigkeit bezieht sich auf tatsächliche existierende (auch historische) Uniformen. Mit der Regelung sollte sichergestellt werden, dass das Uniformverbot nicht so leicht umgangen werden konnte. Es war nie beabsichtigt, einheitliche Kleidung zu verbieten.

Würden die Deppen alle mit hellbraunen Hemden, roten Armbinden und schwarzen Bindern herumlaufen, wäre das so eine Gleichartigkeit, die zu einem Verbot führen würde, da sie einer konkrete Uniform (SA) ähneln wprden. Nur weil alle Gelbe T-Shirts tragen, gibt es noch lange keinen Bezug zu irgendwelchen echten Uniformen und dürfen deswegen genauso getragen werden wie bspw. auch schwarze Hoodies im schwarzen Block.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
9 Jahre zuvor

„Wo kämen wir denn da hin, wenn man Strafgesetze nicht objektiv, sondern im Kontext auslegen würde? “
Objektivierung bedeutet Codes in ihrem Kontext zu entschlüsseln, da die Bedeutung von Codes grundsätzlich kontextabhängig ist.
Es geht nebenbei hier eben nicht darum das StGB zu kontextualisieren, sondern den Dresscode der Blockwarte um zu einer strafrechtlichen Beurteilung zu kommen.
Es ist nunmal auch zweierlei ob eine Lehrerin Brechts Kälbermarsch bespricht und dazu auch das Horst-Wessel-Lied heranzieht oder ob eine braune Horde dieses Lied singend durch die Straßen zieht (s. Tagesspiegel „Was darf Schule?“)

Richterschelte wollte ich aber auch nicht unbedingt betreiben. Der Verdacht liegt nahe, daß die Staatsanwaltschaft den Prozeß für einen Selbstläufer hielt und bei der Beschaffung von Beweismaterial nicht mit der gebotenen Gründlichkeit vorging.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Hapi: Woher nehmen Sie eigentlich Ihr penetrantes Unwissen?

Nach §3 Abs. 1 VersG verboten sind neben Uniformen klassischen Aussehens auch „gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung“, wobei sich „gleichartig“ nicht auf „gleich einer Uniform“ bezieht, sondern *jegliche* von einer Gruppe getragene, gleichartige Kleidungsstücke meint, „die von der Alltagskleidung abweichen“ (Wache, in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 3 VersammlG Rn. 5 [EL 186 2011]).

Ein gelbes T-Shirt mit „Stadtschutz“ als „Reminiszenz“ an die „Schutzstaffel“ der Nazis, getragen von einer Horde stadtbekannter Nazis (kann ich übrigens persönlich bezeugen), weicht in allen Belangen von Alltagskleidung ab und ist daher entgegen der schrägen Auffassung des Amtsrichters als Uniform-gleich zu beurteilen. Die politische Gesinnung ergibt sich zwangsläufig aus der Gruppenzusammensetzung und der verkappten „SS“-Simulation. Wer das negiert, sollte endlich die beidseitig braunen Scheuklappen abnehmen.

Hapi
Hapi
9 Jahre zuvor

Mein penetrantes Unwissen entnehme ich zum Beispiel dem oben erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgericht, in dem steht: „Zu solchen Umgehungsformen gehört insbesondere das Tragen solcher (ziviler) Kleidungsstücke, die im Wesentlichen einheitlich aussehen und erkennbare Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppierungen aufweisen.“

Mein penetrantes Unwissen entnehme ich weiterhin dem sehr ähnlich gelagerten Rechtsstreit über die Uniformierung des schwarzen Blockes vor Gerichten in Karlsruhe. Das Landgericht vertrat die Auffassung, es reiche schon eine gleichartige Kleidung, die militärisch einschüchternd auf Dritte wirkt. Das OLG hat die Entscheidung des LG korrigiert, weil es dessen weite Auslegung nicht für verfassungskonform hielt. So schreibt es, die Kleidung müsse den Eindruck „einer quasi-militärischen Organisation“ erwecken. Das Urteil ist übrigens von 2013 und damit nicht Teil ihres Beck’schen Kommentares.

Mein penetrantes Unwissen entnehme ich weiterhin meiner im Studium erlernten Fähigkeit, Gesetze zu interpretieren. Dabei lernt man z.B., dass es neben der grammatischen Auslegung der Gesetzestexte u.a. eine historische Auslegung gibt, bei der geprüft wird, was der Gesetzgeber mit dem Gesetz eigentlich erreichen wollte. Bei dem Unsinn, den sie hier schon häufig zu juristischen Themen geschrieben haben, gehe ich übrigens davon aus, dass sie keinerlei juristische Ausbildung haben, sondern meinen, sich ausreichend in juristische Themen autodidaktisch einlesen zu können. Was dabei herauskommt, ist ein Paradebeispiel für den Dunning-Kruger-Effekt.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Hapi: Wenn Sie trotz vorgeblich juristischer Ausbildung die paramilitärische und historische Verbindung von „SS“ und „StadtSchutz“ auf einheitlicher Kleidung mit eindeutig politischem Zusammenhang bei stadtbekannten Nazis im Brennpunkt Dortmund nicht sehen *wollen*, dann bin ich eigentlich ganz froh, meine juristischen Kenntnisse nicht in einem muffig-obrigkeitshörigen Ausbildungsumfeld erlangt zu haben, welches so Graupen wie diesen Dortmunder Amtsrichter und Blindheit bei gefährlichen politischen Tendenzen hervorbringt.

Nochmal, auch als Ortungshinweis für Sie: Wir befinden uns *nicht* in einem Universum, in dem mordende Nazis „nur“ Junggesellen oder Spätpubertierer mit ein paar dummen Scherzen im hohlen Schädel sind.

Und PS: Wenn Sie schon das BVerfG zitieren, dann bitte mit Respekt für Ihre angebliche juristische Ausbildung auch so, dass Sie die von diesem erwähnten „suggestiv-militanten Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz“ nicht unterdrücken, die diese „StadtSchutz“-Uniformierung in der Öffentlichkeit ausgelöst haben – ich schrieb ja von meiner Anwesenheit als Zeuge.

Dirkul
Dirkul
9 Jahre zuvor

@Klaus Lohmann: Haben Sie sich dann wenigstens auch als Zeuge bei der Polizei gemeldet?

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Wie gesagt, wird hier von vielen Kritikern die Aufgabe der Strafjustiz im freiheitlichen Rechtsstaat verkannt. Sie hat über begangene Straftaten zu urteilen, nicht über eventuell bevorstehende. Und sie hat über eine begrenzte Zahl von konkret Angeklagten zu urteilen, und zwar als Personen, nicht als Vertreter einer unbestimmten Menge („Nazis in Dortmund“). Daher hat der Richter völlig korrekt darauf hingewiesen, dass diesen Angeklagten die nachträgliche Formulierung „Die Straße frei den gelben Bataillonen“ – und deren evtl. Einschüchterungswirkung – nicht zugeordnet werden kann, solange Polizei und Staatsanwaltschaft dafür keine konkreten Anhaltspunkte liefern. Ein Verfahren gegen den Betreiber von dortmundecho z.B. ist damit bewusst nicht präjudiziert, und es gibt auch keinen Freispruch für alle möglichen Personen, die das Hemd unter allen möglichen Begleitumständen tragen, sondern nur einen Freispruch für sechs konkrete Jugendliche unter sechs konkreten Begleitumständen. (Wenn schon Kontext, dann aber bitte der genaue Kontext.)

Im politischen Eifer besteht immer die Gefahr, dass juristische Prinzipien (wie „in dubio pro reo“) missachtet werden, und zwar rechts wie links. Deshalb denke ich immer, dass die Rechten und die Linken doch eigentlich mehr Verständnis füreinander aufbringen sollten. „A fellow-feeling makes us wondrous kind.“

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Dirkul: Zeugenaufrufe, überhaupt nähere Ermittlungsinfos zur o.g. Verfahrenseinleitung gab es für die Öffentlichkeit nicht, aber wenn die Staatsanwaltschaft in Berufung geht, biete ich mich gern an.

Damals, Anfang August 14, ist die Polizei von einem mit mir zeitgleich anwesenden Passanten über 110 – wie von ihr selbst später in den Medien gewünscht – über das Auftauchen dieser uniformierten braunen Ars..löcher in Marten informiert worden.

Dass die Staatsanwaltschaft und die Polizeiführung inkl. Staatsschutz solchen Beobachtungen in Dortmund nicht (mehr) sonderlich hohe Bedeutung zumisst und im Gegenteil lieber wachsame, demokratische Bürger anklagt, ist leider erst so richtig im späteren Nachgang zu den Wahlabend-Ereignissen klar geworden, sonst hätte ich da journalistisch mehr draus gemacht.

trackback

[…] Deutsche Richter machen Neonazis immer wieder den Weg frei, dies geschieht dann meist mit der Berufung auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit. Man darf gespannt sein, wann es in der Bundesrepublik wieder erlaubt sein wird den Holocaust zu leugnen. Man wird doch noch über Geschichte diskutieren dürfen. Auch Hakenkreuze wird man wohl in absehbarer Zeit wieder in der Öffentlichkeit sehen, ist ja ein altes indisches Symbol. Das es für Juristen nicht notwendig ist Symbole und Auftritte in einen historischen Kontext zu setzen bewies das Amtsgericht Dortmund ja jüngst durch das “Stadtschutz”-Urteil. […]

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Juristen verweisen oft auf darauf, dass Nicht-Juristen die korrekte Anwendung der Gesetze nicht verstehen.

– Es gibt immer wieder versch. Instanzen, die denselben Sachverhalt unterschiedlich bewerten.
– Die Pornoabmahnung vor. ca. 1 Jahr hat gezeigt, dass dasselbe LG bei Abmahnungen zu unterschiedlichen Entscheidungen gekommen ist.
– Verfassungsrichter, die aktuell sehr viele Gesetze beeinflussen, werden gewählt und das Urteil ist oft eine Mehrheitsentscheidung.

Wenn ich jetzt an mathematische Beweise denke …

trackback

[…] Uniformen des Stadtschutz wurden unlängst von einem Gericht erlaubt und auch von der Polizei haben die Rechtsradikalen nicht viel zu befürchten: Die von […]

Skythe
Skythe
9 Jahre zuvor

Eines haben Linke und Rechte gemeinsam: sie werden schnell unsachlich und beleidigend, wenn sie mit Rechtsstaatlichkeit und Gesetzen konfrontiert werden, die ihrem Ärger "im Wege stehen".

Zu sehen hier an @Stefan Laurin vs Bernd.

trackback

[…] sei einmal dahingestellt. Ein Gericht erlaubte den Rechten das Tragen der einheitlichen T-Shirts (unser Artikel), und davon machen sie nun […]

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