Anlässlich des Berichtes des SPD-Innenministers Jäger, der an die Mitglieder im Innenausschuss des Landtages ging, wurde heute eine fraktionsübergreifende Stellungnahme, unter anderem von Mitgliedern des Landtages, wie zum Beispiel Nadja Lüders (SPD), Thorsten Sommer (Piraten), und Daniela Schneckenburger (Bündnis90/Die Grünen) unterzeichnet. Auch auf der Parteiebene regt sich Widerstand gegen die Sicht der Dinge aus dem vom SPD-Mann Jäger geführten Ministerium: SPD-Landesvorstand Franz Josef Drabig findet es nicht nachvollziehbar – ja sogar „hoch befremdlich, wenn der Staatsschutz sich in seiner Einschätzung des Gefahrenpotentials am Wahlabend für Gäste der Wahlparty im Rathaus auf Aussagen eines führenden Kaders des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ beruft und aus diesen ableitet, dass ein besonderer Schutz der Wahlparty nicht notwendig gewesen sei“.
Diese Kritik bezieht sich vor allem darauf, dass auf Seite 3 des Berichtes das Gespräch im Vorfeld des Wahlsonntags zwischen Staatschutz und dem Landesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“, Michael Brück, erwähnt wird. Der hatte auf Nachfrage des Staatschutzes nur von einem „kleinen Fest“ anlässlich eines Wahlerfolges gesprochen und darauf hingewiesen, dass es nach der Zählung ohnehin zu spät sei, um noch zur Wahlparty zu kommen. Mit dieser Antwort des Rechtsextremisten, der im Bericht des Innenministers vom potentiellen Gewalttäter zur zuverlässigen Polizei-Quelle hochqualifiziert wird, gab man sich offenbar als seriöse, polizeiliche Einschätzung im Vorfeld zufrieden. Wem aber, außer dem Staatsschutz, hätte eingeleuchtet, dass die rechten Kameraden Ihren Schönheitsschlaf bereits um 22:00 Uhr antreten und Ihren größten Erfolg auf kommunaler Ebene am Wahlsonntag selbstverständlich nur im kleinen intimen Freundeskreis feiern würden?
Andere Quellen, die diese gravierende Fehleinschätzung des Staatsschutzes erklären (außer der üblichen polizeilichen Internetrecherchen in den sozialen Netzwerken der Rechten) sind zumindest in dem Bericht nicht benannt. Die Folgen waren gravierend, der im Rathaus abgestellte Staatschutz verließ das Haus um 22:05 – kurz bevor die Rechten mit dem Überfall auf das Rathaus ansetzten. In der Folge wurden mehrere Menschen verletzt, das Vertrauen in den Staatschutz ist nachhaltig gestört. Die Opfer zum Täter und die Täter zur Quelle zu machen widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern auch handwerklich guter Polizeiarbeit.
Dokumentation:
Erklärung zum Bericht des Innenministers im Innenausschuss des Landtages am 25. Juni zu den Vorfällen am Wahlabend in Dortmund
„Die Darstellungen des Staatsschutzes zu Ausschreitungen stadtbekannter Neonazis am Wahlabend des 25. Mai vor dem Rathaus in Dortmund befremden in mehrfacher Hinsicht. Zum einen enthalten sie ehrenrührige Aussagen über „alkoholisierte Dortmunder Politiker“, die den Eindruck erwecken, demokratische PolitikerInnen hätten die Eskalation der Gewalt von Rechts provoziert.
Wir weisen diese Behauptungen zurück.
Zum anderen mutet es hoch befremdlich an, wenn der Staatsschutz sich in seiner Einschätzung des Gefahrenpotentials am Wahlabend für Gäste der Wahlparty im Rathaus auf Aussagen eines führenden Kaders des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ beruft und aus diesen ableitet, dass ein besonderer Schutz der Wahlparty nicht notwendig gewesen sei. Die Zuverlässigkeit dieser Quelle ist spätestens mit Erscheinen der Neonazi Gruppierung im Rathaus entgegen der vorherigen Behauptung des Nazi-Kaders widerlegt. Wir erwarten hier eine Aufarbeitung des Wahlabends auf Seiten des Dortmunder Staatsschutzes, die gewährleistet, dass solche Fehleinschätzungen in Zukunft nicht mehr die Lageeinschätzung und das Verhalten der Polizei dominieren.
Und schließlich weisen wir die verharmlosende Grundhaltung des Berichtes an den Innenausschuss des Landtages NRW zurück, wonach sich „Streitparteien“ vor dem Rathaus gegenüber gestanden hätten, die die Polizei habe trennen müssen. Tatsächlich handelte es sich um Ausschreitungen militanter Neonazis, denen DemokratInnen entgegentraten.
Wir sind gemeinsam über Parteigrenzen hinweg der Überzeugung, dass wir als DemokratInnen rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Tendenzen in unserer Stadt gewaltfrei entgegentreten müssen. Wir wollen, dass Menschen friedlich und angstfrei unabhängig von ihrer Religion, ethnischen Herkunft oder sexuellen Orientierung zusammenleben können.
Wir erwarten von den Verfassungsorganen und Behörden unseres Landes Unterstützung im Eintreten für diesen gemeinsamen demokratischen Grundkonsens.“
Daniela Schneckenburger, MdL, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Nadja Lüders, MdL, Unterbezirksvorsitzende SPD
Armin Jahl, MdL, stellvertretender Unterbezirksvorsitzender SPD,
Gerda Kieninger, MdL, SPD
Torsten Sommer, MdL, PIRATEN
Norbert Schilff, Fraktionsvorsitzender SPD
Volkan Baran, stellvertretender Vorsitzender der Ratsfraktion SPD
Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Ulrich Langhorst, Fraktionssprecher Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Utz Kowalewski, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE
Jens Peick, stellvertretender Unterbezirksvorsitzender SPD
Franz Josef Drabig, Landesvorstand SPD
Hilke Schwingeler, Kreisvorstand Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Martina Stackelbeck, Ratsmitglied Bündnis 90 / Die GRÜNEN
Wolfram Frebel, Ratsmitglied Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Ulla Hawighorst, Ratsmitglied Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Svenja Noltemeyer, Ratsmitglied Bündnis 90/ DIE GRÜNEN
Christian Gebel, Ratsmitglied PIRATEN
David Grade, Bezirksvertreter PIRATEN
Sabine Pezely, Fraktionsgeschäftsführerin Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Stefan Neuhaus, Fraktionsgeschäftsführer Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
Torsten Behrendt , Fraktionsgeschäftsführer DIE LINKE
Mich würde nach einigen persönlichen Kontakten, die eine Rechtsdrift im Dortmunder Polizeipräsidium nicht bestätigen können, ernsthaft interessieren, ob wirklich *alle* am Wahlabend involvierten Polizisten und Mitarbeiter des Staatsschutzes den Jäger-Bericht so unterschreiben können.
@Klaus Lohmann: An einen Rechtsdrift durch Lange glaube ich auch nicht. Er kann es einfach nicht – Qualifikation Parteibuch reicht nun einmal nicht immer. Beim Verfassungsschutz hat er bunte Broschüren erstellt, er war Pressesprecher im Innenministerium und hat die Weiterbildungsakademie Mont Cenis geleitet. Lange ist einfach niemand, dem man die Sicherheit einer Stadt wie Dortmund anvertrauen kann. Polizeichef im Kreis Borken hätte gepasst. Polizeichef in Dortmund passt nicht. Und Jäger hat ihn ausgewählt. Lange ist auch Jägers Problem. Langes Versagen ist Jägers Versagen.
Es ist sehr positiv, dass hier endlich wieder positiv formuliert wird, für welche Art des Zusammenlebens man eintritt.
Am Wahlabend gab es Fernsehteams, Presse und sicherlich auch viele Handys mit Videofunktion, so dass eigentlich eine lückenlose Aufklärung möglich sein sollte.
Deshalb sind diese unterschiedlichen Darstellungen wenig nachvollziehbar.
Offen ist für mich, ob es zu strafrechtlich relevanten Vorfällen/Anzeigen gekommen ist und wenn ja, wie die Staatsanwaltschaft/Justiz darauf reagiert hat bzw. reagieren wird. Es sind in der Zwischenzeit 1 Monat Zeit vergangen, und dieser Zeit sollte doch eine Bewertung evtl. sogar mit Reaktion der Justiz möglich sein. Eine Reaktion muss angemessen und in unmittelbar sein, damit sie wirkt.
In den letzten Monaten gab es immer wieder Meldungen in der Presse, dass den Behörden erhebliche Ressourcen für Ermittlungen zur Verfügung stehen. Ist das eigentlich immer noch so und was hat es final gebracht?
Ich bin kein Polizei-Spezialist, sehe aber schwache Statistiken, viele Ortungs-SMS, wenig Transparenz, viel Polizei am Radar an Ausfallstrassen, und dieser Bericht stellt mehr Fragen als er beantwortet. Es bleibt offen, wie sich die Behörde entwickelt. Für eine Bilanz nach dem Wechsel in der Führung ist es zu früh. Die in Interviews genannten Ansätze zielten in die richtige Richtung.
Eigentlich kann es ja fast nur noch aufwärts gehen, wenn man die Benchmarks mit anderen Städten in NRW und insbesondere mit anderen Bundesländern vergleicht. Final geht es darum unsere Gesetze durchzusetzen und insbesondere die Schwachen der Gesellschaft zu schützen. Hier könnte natürlich auch eine Justiz helfen, die unmittelbar und angemessen reagiert.
@#2 | Stefan: Da die Dortmunder Staatsanwaltschaft ja nun unglaublicherweise nur noch gegen 5 Nazis statt gegen 27 ermittelt, aber dafür gegen 40 Bürger und Lokalpolitiker wg. eines „Nötigung“-Anfangsverdachts, stellt sich für mich die Frage auch für diese Köpfe, ob da – nach deren vergangenen, teils sehr merkwürzig verlaufenen Prozessen gegen Nazis oder z.B. im Fall Envio – „nur“ Unvermögen herrscht oder sich nicht doch gewisse Tendenzen breitmachen.
Ich hoffe, diese Einschätzungen der Staatsanwaltschaft kommt ebenso im Innenausschuss auf den Tisch, zumal das ja als innenministeriale Landesbehörde letztlich auch von Jäger zu verantworten ist.
@#3: Vermutlich werden die Verfahren erst in drei, vier Jahren stattfinden können. Überlastung und so. Keine Haftsache und so, sitzt ja gerade auch niemand von denen in U-Haft. Schade, dass sich die Zeugen dann nicht mehr gut erinnern können…
So befremdlich und verstörend die ganze Angelegenheit ohnehin schon ist, so befremdlich finde ich auch, dass von 11 im Dortmunder Rat vertretenen Parteien nur 4 es geschafft haben, diese Stellungnahme zu unterschreiben. Abzüglich der Rechten Parteien fehlen mindestens die Vertreter von vier Parteien. Fanden FDP und CDU den Angriff der Rechten ok? Hielten sie den Polizeieinsatz für korrekt? Sollte man vielleicht mal im Rat erfragen, wie die dazu stehen.
Ansonsten frage ich mich ernsthaft, wohin die Polizeieinsätze in Dortmund noch führen sollen. Bereits vor rund 15 Jahren machte die Dortmunder Polizei mit ihrem brutalen Umgang und Masseningewahrsamnahmen von Nazigegner in den sog. „Dortmunder-Kesseln“ von sich reden, in der Folge hielt sie es nicht für nötig, DGB-Demos vor Naziangriffen zu schützen und jetzt der Sturm aufs Rathaus. Dazwischen mehrere Nazimorde.
Ich wüsste im Notfall in Dortmund nicht mehr ob ich noch 110 wählen soll oder mir dadurch nur den Feind ins Haus hole.
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