Tausende protestieren gestern in Dortmund gegen die Nazis. Die haben davon allerdings kaum etwas mitbekommen.
Wer glaubt, mit Verboten das Nazi-Problem lösen zu können irrt. Hätte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Demo am Samstag bestätigt, nichts wäre gewonnen gewesen. Sicher, die Nazis konnten in Dortmund nicht demonstrieren, ihre Kundgebung am Rand der Nordstadt war schlecht besucht. Auch wenn alle Rechten die auf dem Weg waren dort angekommen wären: Die Zahlen der Vorjahre wären nicht erreicht worden. Das Verbot hat ihnen Probleme gemacht. An den Übergriffen auf Nazigegner wird das aber auch in Zukunft nichts ändern.
Wirkungsvoller wäre engagierter Protest gewesen. Den hat die Polizei allerdings nicht zugelassen. Jeder demokratischen Partei wird aus gutem Grund zugemutet, dass beispielsweise bei Parteitagen in Rufweite zur Halle demonstriert wird. Den Nazis nicht. Auch in Dortmund hätte man die Demonstranten näher an das Kundgebungsgelände heranlassen können, ohne die Sicherheit zu gefährden. Der Skandal war weniger die genehmigte Nazi-Demo, als die Unterdrückung des Protests durch eine übertrieben weite Absperrung von großen Teilen der Nordstadt.
Dass die Dortmunder Polizei am Freitag ein Nazi-Konzert in den Innenstadt genehmigte, aber den Protest des S4-Bündnis am Samstag untersagte passt in das Bild einer zweifelhaft agierenden Dortmunder Polizei.
Kein Ruhmesblatt war auch das Verhalten der Sozialdemokraten und Grünen. Während in der Nähe ihres Kundgebungsortes am Nordmarkt im Bereich der Kreuzung Mallinckrothstraße/Leopoldstraße die Situation zwischen Polizei und Demonstranten zu eskalieren drohte, waren sie nicht vor Ort. Sie überliessen es der Linkspartei, sich als Vermittler in Szene zu setzen. Das war töricht und dumm. Zumindest von den Grünen hätte man anderes erwarten dürfen, als die Menschen in Dorstfeld mit einem Konzert des unsäglichen Purple Schulz zu traktieren.
Herr Laurin,
ich bin ganz ihrer Meinung. Ich bin Kurdin aus Dortmund. Ich habe mir selbst ein Bild gemacht und war sowohl bei den Rechten vor dem Zaun als auch am Nordmarkt und auch an der Mallinckrodtstr. per Fahrrad. Natürlich bin ich froh das es keine Krawalle gab. Aber so viel Aufwand aber letzlich so wenig wirklich demokratischer Protest gegen die Rechten.
Zu den Sozis und Grünen. Das sind doch nur Spießer. Ich habe sie auch vorne an der Mallinckrodtstr. vermißt. Enttäuscht von dem Protest und nicht mehr lange geblieben, bin ich dann nach Hause gefahren.
@MIR (#1) Zitat: „Zu den Sozis und Grünen. Das sind doch nur Spießer.“ – Das muss man den Nazis lassen: spießig sind sie irgendwie nicht. Oder vielleicht doch? – Egal, jedenfalls keine „verliebten Jungs“ (Purple Schulz). Das ist ja „unsäglich“ (Stefan Laurin). Unglaublich: die Eskalation droht. Herr Zimmermann (Die Linke) vermittelt zwischen Staatsmacht und Antifa, und was machen die Grünen? Denken an ihre besseren Zeiten als verliebte Jungs. Als Sozialdemokrat gebe ich mich unterdessen geistigen Fragen hin: wo hat Sarrazin Recht, wo nicht?
Ich sympathisiere jetzt wirklich mit keiner von beiden Seiten, eher noch mit den linken, sofern das friedlich abläuft und ich finde sogar Sitzblockaden legitim, sofern das friedlich abgeht. Finde, das ist eine Art des zivilen Ungehorsams, die man durchaus anwenden kann.
Aber das kann doch nicht sein, dass jedes mal eine dreistellige Zahl Anitfa Leute verhaftet wird und das dann immer auf die Polizei geschoben wird.
Warum distanziert sich der demokratische Widerstand nicht von der Antifa ?
Abgesehen von Wolfgang Zimmermann, vielleicht ging es der Linken nicht nur darum sich in Szene zu setzen. Denn erstmal gibt es bei der Linken realtiv viele Menschen mit Migrationshintergrund und zweitens nehmen die MitgliederInnen von der Partei die Linken noch mehr an Demonstrationen teil. Daher gibt es bei der PdL noch eine unmittelbare Erfahrung von Polizeiwillkür, wie früher bei den Grünen.
Das ist im übrigen ein wichtiger Unterschied zwischen der PdL in Ost und West.
Nur indirekt mit dem Thema verbunden, aber dennoch relevant ist die massive Kamerapräsenz der Polizei
https://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/20100727.1625.304294.html
Stefan, ich kann Deine Einschätzung in Bezug auf das von Dir – bzw bei uns auch gern von mir zu jedwedem gegebenen Anlaß – rituell betriebene Linkenbashing nicht teilen.
Ausnahmsweise mal. (-:
Zum Demogeschehen fand ich es also im Grunde verdienstvoll – wie sich Zimmermann und Beuermann bemüht haben.
Zimmermann als Anmelder einer Spontandemo, Beuermann als bemühte Moderatorin.
Zugestandenermaßen dürften die keine Straßendemo-Erfahrung haben, wir beide, Stefan, haben die früher ja noch nie vorm Bauzaun oder so gesehen
– deren Erfahrungen werden also eher sonne Art Gewerkschaftsdemos sein, bei denen die trillerpfeifenden Verdi-Wamsträger schon als „kraftvoll“ gelten.
Aber – ich gebe zu bedenken:
Die Grünen waren zur sich zur Befriedetheit wendenden Intervention und Deeskalation nicht vor Ort, dabei hat die Partei der Froschfarbigen dies Konzept erfunden,
mit Ströbele und meinethalben dem damaligen Chef der NRW-Landtagsfraktion Roland Appel.
Das weißt Du auch, Stefan. Du warst zu Rolands Zeiten grüner Ratsherr einer Ruhr-Kleinstadt.
Whatever:
Zimmermann und Beuermann waren vor Ort und bemüht zu deeskalieren.
Die Froschfarbigen nicht.
Das rechne ich den beiden linken MdLs positiv an.
Und die Grünen haben sich für ihre Unterlassung zu rechtfertigen.
[…] Protest gegen die Nazis muss möglich sein (Ruhrbarone) […]
[…] einer langen Sammlung von Links, hier ein Kommentar von Stafan Laurin zu der gestrigen Nazi-Demo in […]
Mit dem Fahrrad habe ich mir einen guten Überblick über das lokale Geschehen machen können. Während noch vor 2 Jahren bei der Nazi-Demo hinter dem Südbad die Distanz zu den Neonazis (Ruf- und Hörweite) ca. 150 Meter betrug, gab es sie am Samstag überhaupt nicht zu sehen.
Gegen 14.oo Uhr hatte sich ein Neonazi-Pärchen mit seinem Mercedes der A-Klasse in einer Nebenstaße verirrt und fuhr rd. 50 Antifas direkt in die Arme. Mit Hilfe der Polizei konnte der Pkw wenden und nur teilweise „behelligt“ wieder den Ort der Blokade verlassen. In einer anderen Nebenstrasse standen zwei Antifas mit gespreizten Beinen an einer Hauswand. Ein Fotograf hat dies dokumentiert. Um sie herum Bereitschaftspolizei, die die Klamotten der beiden durchsuchte. Ansonsten nichts Spektakuläres.
Dafür konnte man sich aber hervorragend über das Equipment der Polizei zur Aufstandsbekämpfung informieren. Neben schwerem Räumgerät, Wasserwerfern, einem Hubschrauber in der Luft, massenhaft Polizisten mit Kameras sah ich unter anderem vermummte Roboter in schwarz (auch die Helme), von oben bis unten mit Protektoren verpackt, bayrischem Wappen auf dem Ärmel und „Polizei“ auf dem Rücken. Eventtouristen in Uniform eben. Dortmund hatte sich anscheinend auf den Bürgerkrieg gegen Links vorbereitet.
@ Lila Luder: Wenn das Pärchen im Auto die Hilfe der Polizei brauchte, um einfach nur wenden und wegfahren zu können, dann dürfte das vermutlich schon ein guter Hinweis darauf sein, warum man beide Seiten nicht näher zueinander gelassen hat…
Hallo,
hier ein kleiner Erfahrungsbericht zum 04.09.2010
Ich selbst habe sehr ausgeprägt versucht an Protesten gegen diese unsägliche, staatlich legitimierte, Préstigeveranstaltung der dortmunder Autonomen Nationalisten teilzunehmen. Das ist auch schon genau der Punkt, ich habs versucht. 12 Stunden lang. Es war einfach nicht möglich.
Kurz vorab.
Die dortmunder AN-Szene bezeichnet Dortmund als ihre Stadt, sie unterstreichen diesen Anspruch ja nun seit einiger Zeit sehr ausgeprägt durch dieverse Aktionen, seien es nun Überfälle auf linke Szenekneipen (HirschQ), Morddrohungen gegen bürgerliche Gegendemonstranten (Taxi Tom), diverse Übergriffe (Buttersäureangriffe, Scheiben einschießen[!], schmiererein…) auf tendenziell linke Literaturcafes (Tarantababu) oder man entschließt sich einfach mal mit 400(!) Nazis eine DGB Demo am ersten Mai zu Überfallen, über weitere persöhnlichere Übergriffe, die meistens mit den Tatbeständen Nötigung, Körperverletzung bishin zu versuchtem Totschlag oder gar Mord (Thomas Schulz) enden, will ich jetzt garnicht anfangen zu schreiben. Durch die nun praktizierte Politik der Dortmunder Polizei kann ich schon nachvollziehen das der geneigte AN zu der Ansicht kommt es wäre seine Stadt, man beschließt ne Demonstration zu machen, ja zum großteil die „Menschen“ die am ersten Mai die DGB Kundgebung angegriffen haben, und kriegt erstmal a. den halben Hauptbahnhof für sich gespeert (inklusive einem von drei Ausgängen) b. 26 Hundertschaften der Polizei (inklusive: min. 3 Wasserwerfer, min. 2 Räumpanzer, min. 2 Helikopter, min. 1 Pferdestaffel, circa 3-5 km Absperzaun und und und…) an die Seite gestellt deren nahezu einziger Sinn und Zweck es ist die eigenen Veranstaltungen, zu der maximal 1500 Menschen kommen sollten, zu beschützen. Da kann man schon mal das Gefühl kriegen das man wichtiger ist als man es in der Realität ist.
Nur so nebenbei, zu der ersten Mai Demo kommen Zehntausende und da hatte die dortmunder polizei circa 5-10 Streifenwagen (!) bereitgestellt um diese Veranstaltung zu begleiten und zu „beschützen“, hat vorher den 400 national orientierten „Menschen“ (zum großteil Vorbestraft und nahezu alle einschlägig bekannt) einfach mal geglaubt das sie auf dem Weg zu einer Veranstaltung in, ich glaube Stolberg wars, unterwegs sind und hielt es daher nicht für Nötig evtl. ein paar Kollegen die dieses auch sicherstellen zu rufen.
Stellen Sie sich mal vor was passiert wenn sich 400 autonome Antifas am dortmunder HBF treffen.
Wie gesagt, ich wollte lediglich meinen Unmut darüber zum Ausdruck bringen das ich es akzeptieren muss das 1500 Menschen mit solcher Ideologie diereckt vor meiner Tür demonstrieren zu lassen.
Stop! Vor meiner Tür? Genau, ich wohne 50 Meter Luftlinie von dem Abschlußkundgebungsort entfernt.
Ich hab mich also auf den Weg gemacht und wollte morgens um 9.30, circa 3,5 Stunden vor der Nazidemo, in die Stadt fahren. Ein Weg von 4 Minuten. Ich war um 10 Uhr verabredet.
(Ich komm aus meiner Haustür. Und bin mitten in den Vorbereitungen auf nen mittleren Bürgerkrieg. Überall Polizisten, Polizeiwagen, Kontrollen und Absperrungen.)
Ich habe 45 Minuten gebraucht… wohlgemerkt um von dem Nazikundgebungsort weg zu kommen!
Danach hab ich versucht mich am, nicht im, HBF aufzuhalten. Es war so gegen 11 Uhr, noch nahezu keine ANs oder andere Nazimenschen überhaupt nur zu sehen, da stand ich am Ausgang der U-Bahnhaltestelle HBF mit circa 50 anderen Empörten. Aufeinmal sprinten um mich rum 5 schwarz gekleidete, ganz Körper gepanzerte, mit gezückten Schlagstöcken bewehrte und behelmte Stormtrooper ähnlich anmutende Robocops der BFE, auf Nachfrage hab ich dann erfahren das es sich bei der BFE um die „Beweissicherungs und Festnahme Einheit“ handelt, einem circa 15 jährigen Jungen in schwarz gekleidet hinterher, dabei rennen mich die BFEler fast um, und das alles weil der Bengel ne KAPUTZE auf hatte UND nen SCHAL vorm Mund hatte, keine Straftaten oder Beleidigungen, nichts dergleichen! (Gott sei dank war der Junge schneller als die laufenden Waffenarsenale) Nein er war vermummt! Mit 15! Wie unendlich gefährlich!
(Ich möchte nochmal an die 400 Nazis errinnern dennen anstandslos geglaubt wird das sie nach Stolberg wollen…)
So sieht dann wohl Deeskalation in Dortmund aus.
Auch im weiteren Verlauf des Tages ist es mir nicht möglich gewesen abseits von scheinheiligen Wahlveranstaltungen der etablierten Parteien, außerhalb liegenden und sinn freien Pseudo Veranstaltungen oder Vorortstraßenfesten (das muss man sich mal Vorstellen, halb Dortmund macht Feste zum Anlaß einer Nazidemo) angemessen meinen Unmut kund zu tuen.
Auch an der Ecke Münster/Malinckrodtstr. (circa 16.00 Uhr) war ich dann zu gegen und muss leider sagen das das oben beschriebene Verhalten der Polizei leider wohl exemplarisch für die Linie der Polizei war, in der Tat wurden wohl eventuell an besagter Straßenecke von frustrierten Gegendemonstranten Flaschen geworfen, allerdings nicht mal im Ansatz auf Polizisten. (Warum auch? um den Ganzkörperpanzer nass zu machen?)
Ich hab mich, als die Gruppe sich dann langsam aufgelöst hat selbst noch mal davon überzeugt was da war und hab lediglich die Scherben von 3-5 Flaschen gesehen.
Da ich um 18.00 Uhr am HBF verabredet war machte ich mich, man lernt ja aus seinen Fehlern vom Morgen, frühzeitig auf den Weg.
Am HBF angekommen trug sich ein weiteres Beispiel, diereckt vor meiner Nase, am Haupteingang des HBFs, zu. (Ja, exakt da war ich verabredet, taktisch unklug. Wieder was gelernt.)
Irgentwie kam das Gerücht auf das eine nicht näher spezifizierte Menge an „Nazis“ jetzt (circa 17.30) über den HBF ausgefahren werden sollte. Das vernahmen natürlich auch die autonomen Gegendemonstranten und sammelten sich vor dem HBF. Da fiel der Polizei nichts besseres ein als einen ihrer schicken Wasserwerfer diereckt vor dem HBF wenden zu lassen und sich mit bewegenden Wasserkanonen 15 Sekunden hinter die circa 120 Gegendemonstranten zu stellen!
Wo ist da der Sinn? Natürlich, Deeskalation halt…
Danach fuhr der Wasserwerfer anstandslos und Gott sei Dank auch tatenlos wieder weg.
Ich finde es äußerst verwunderlich das mit der praktizierten polizeilichen Handlungsmaxime keine ernsthaften Straßenschlachten entstanden sind.
Ich bin ein ausgesprochener Pazifist und selbst ich habe mich teilweise von dem Verhalten der Polizei doch extrem provoziert gefühlt.
Ich wollte an diesem Tag lediglich das dieses Ideologisch völlig verbrähmten, unverbesserlichen und menschenverachtenden Individuen hören das sie hier nicht willkommen sind, zumindest dachte ich das bis gestern.
Aber da hab ich mich zumindest was die Position der Stadt angeht wohl getäuscht.
Mit angeekeltem Gruß
Timo
Timo: Danke für den ausführlichen Bericht und Deine persönlichen Eindrücke, die sich mit meinen decken. Jede Menge Bilder dazu gibt es auf indimedia.